Jemen Huthi-Rebellen im Jemen blockieren Hilfe für Millionen Menschen

AP

21.2.2020

Die Huthi-Rebellen in dem vom Krieg zerrissenen Jemen haben die Hälfte der UN-Hilfslieferungen blockiert
Die Huthi-Rebellen in dem vom Krieg zerrissenen Jemen haben die Hälfte der UN-Hilfslieferungen blockiert
Bild: Hammadi Issa/AP/dpa (Archivbild)

Hunger, Unterernährung, Vertreibung: Millionen Menschen im vom Krieg zerrissenen Jemen sind bitter auf internationale Hilfe angewiesen. Aber viele der Lieferungen werden von den Huthi-Rebellen blockiert, für eigene Zwecke. Die notleidenden Einwohner zahlen die Zeche.

Die Menschen im Bezirk Aslam im Jemen litten so sehr Hunger, dass sie sich von gekochten Blättern ernährten. Aber es war Hilfe in Sicht: eine Lieferung von 2000 Tonnen an Nahrungsmitteln aus internationalen Programmen — genug, um 160'000 Menschen zu versorgen. Das Essen kam aber nie bei den Notleidenden an. Die Huthi-Rebellen blockierten die Verteilung der Mittel, stellten Forderungen — und als sie dann endlich grünes Licht gaben, war die Nahrung völlig verdorben, wie ein UN-Mitarbeiter schilderte.

Dieses Vorgehen der Huthis ist alles andere als ein Einzelfall. Die Rebellen in dem vom Krieg zerrissenen Land haben die Hälfte der UN-Hilfslieferungen blockiert — eine Taktik, um die Weltorganisation zu zwingen, ihnen grössere Kontrolle über die massive humanitäre Operation und einen direkten Anteil an den Hilfsgeldern zu geben. Das geht aus Schilderungen von UN-Vertretern und Dutzenden internen Dokumenten hervor, die der Nachrichtenagentur AP vorliegen.

Demnach hat die Rebellengruppe den Zugang zu von ihnen kontrollierten Gebieten von einer Reihe von Bedingungen abhängig gemacht, die von den UN und internationalen Geldgebern abgelehnt werden — zum Teil deshalb, weil das den Huthis einen grösseren Einfluss darauf geben würde, wer die Hilfe erhält.

Im Land herrscht seit fast sechs Jahren ein Bürgerkrieg. Den UN zufolge stehen 10 Millionen Menschen am Rande einer Hungersnot, 80 Prozent der 29 Millionen Einwohner benötigen Hilfe. Mehr als 3 Millionen Menschen sind vertrieben, Hunderte an Cholera gestorben, und mindestens 2,2 Millionen Kinder unter 5 Jahren leiden an ernster Unternährung. Die UN sprechen vor diesem Hintergrund von der schlimmsten humanitären Krise auf der Welt. Ihr umfassendes Hilfsprogramm — seit 2015 bereits ein Umfang von 8,35 Milliarden Dollar (rund 8,22 Milliarden Franken) — ist lebenswichtig im wahrsten Sinne des Wortes.

Mehr als zwei Millionen Menschen betroffen

Die vom Iran gestützten Huthi-Rebellen kontrollieren die Hauptstadt Sanaa und einen grossen Teil des Nordens, wo auch die meisten Einwohner leben und der Bedarf an Hilfe am grössten ist. Sie haben die — international anerkannte — Regierung von der Macht vertrieben und werden von einer von den USA unterstützten und von Saudi-Arabien angeführten Koalition bekämpft.

Von der Behinderung von Nahrungsmittellieferungen und Programmen zur Hilfe für Vertriebene seien mehr als zwei Millionen Menschen «direkt betroffen», schildert ein UN-Beamter. Die Weltorganisation hat in der Öffentlichkeit zwar weitgehend über den Druck geschwiegen, sich aber hinter den Kulissen dagegen gestemmt. AP liegt beispielsweise ein Brief vom vergangenen Oktober an den von den Huthis ernannten Premierminister vor, in dem sich die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe im Jemen, Lise Grande, über die lange Liste von Forderungen beschwert.



So haben die Rebellen etwa Monate lang verlangt, dass zwei Prozent des gesamten Budgets für Hilfsmassnahmen direkt ihnen zufliessen, was die UN und Geldgeber ablehnten. Die Versuche, «eine Steuer auf humanitäre Unterstützung zu erheben, sind unakzeptabel und widersprechen internationalen humanitären Prinzipien», betonte ein Sprecher der US-Behörde für Internationale Entwicklung in einer E-Mail an AP. Die USA haben dem Jemen nach offiziellen Angaben im vergangenen Jahr 686 Millionen Dollar gespendet.

Behörden und Geldgeber drohen mit Lieferstopp

Die Huthis sind in der vergangenen Woche anscheinend von ihrer Zwei-Prozent-Forderung abgerückt, aber versuchen Helfern zufolge weiter, andere Bedingungen durchzusetzen.

Für die Hilfen zuständige Behörden und internationale Geldgeber drohen nun damit, die humanitären Massnahmen zu reduzieren, wenn die Huthis die Behinderungen fortsetzten. Die Situation habe «die Grenze der Belastbarkeit» erreicht, hiess es in einer gemeinsamen Erklärung, die in der vergangenen Woche bei einem Treffen in Brüssel veröffentlicht wurde. Zumindest eine grosse Einrichtung, das Welternährungsprogramm, erwägt eine Kürzung der Nahrungsmittelhilfe, die sie jeden zweiten Monat 12 Millionen Einwohnern zukommen lässt, wie ein UN-Beamter sagt.

«Jemen wird überleben»

Rebellenführer geben sich gelassen. «Jemen wird überleben», sollten Hilfen eingestellt werden, gab Abdul-Mohsen Tawoos, Generalsekretär der für die Koordinierung internationaler Hilfe zuständigen Huthi-Behörde, im Januar Geldgebern in einer Konferenz via Skype zu verstehen. Man wolle eine Vereinbarung mit den UN erreichen, aber werde sich «nicht schikanieren lassen».

Trotz all der Probleme wird die Weltorganisation nicht müde, bei Spendern um weitere Beiträge zu werben. «Wenn kein Geld kommt, sterben Menschen», warnte Grande im vergangenen Sommer. Aber ein internationaler Helfer erklärte, mehr Geld sei nicht die Frage. «Ich will nicht mehr Mittel», sagte er. «Ich möchte den Raum auszugeben, was ich habe.»


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