Waffen, Teamwork, Twitter«Ihr Posten ist der einfachste» – Trumps Island-Botschafter macht trotzdem Ärger
Von Philipp Dahm
27.7.2020
Sieben Stellvertreter verschlissen – und das seit Juli 2019. Er will eine Waffe tragen – im sichersten Land der Welt. Und er bleibt im Homeoffice in Kalifornien – als US-Botschafter in Island. Gestatten: Jeffrey Ross Gunter.
Während die Mehrheit der US-Botschafter aus Berufsdiplomaten besteht, gibt es immer auch einen Teil, der vom US-Präsidenten bestimmt wird. Der Posten in Island ist bereits seit eineinhalb Jahren vakant, als im August 2018 bekannt wird, dass Jeffrey Ross Gunter den Job übernehmen soll.
Der Mann war schon einmal Ober-Botschafter – allerdings bloss in seiner Funktion als Vorsitzender der «Botschafter für Stammzellforschung», denn Gunter ist eigentlich Dermatologe und Betreiber einer Kette von Gesundheitszentren. Den Job hat Gunter bekommen, weil er im Rahmen der Republican Jewish Coalition 2016 Spendengelder für Trumps Wahl gesammelt hat, schreibt die «Washington Times».
Als der designierte Botschafter im Oktober 2018 dem Kongress Rede und Antwort stehen muss, hat Gunter gerade einen dreiwöchigen Crashkurs in Diplomatie hinter sich. Er habe zwar noch nie ein öffentliches Amt bekleidet, sagt er da. Aber: «Ich glaube, dass meine Erfahrungen als praktizierender Mediziner, Entrepreneur und Manager im Privatsektor mir sehr helfen werden.»
Sieben Stellvertreter verschlissen
Warum? «Ich habe gelernt, wie man eine grosse Organisation aufbaut, führt und in Mitarbeiter investiert, Patienten Pflege angedeihen lässt und auf die Bedürfnisse sowohl von Individuen als auch von grösseren Gemeinschaften eingeht.» Er sei zwar nie in Island gewesen, habe aber eine «beträchtliche Zeit in Westeuropa verbracht», weil seine an Krebs verstorbene Frau aus den Niederlanden kam. Und Gunter erzählt, er habe «die Fähigkeit, mit anderen zusammenzuarbeiten».
Doch nach seiner Nominierung im Mai 2019 wird immer klarer, dass das nicht stimmt: In seiner kurzen Amtszeit hat der neue Botschafter nicht weniger als sieben Stellvertreter verschleisst. Sein erster Deputy Chief of Mission (DCM) habe sich ein Jahr auf den Job vorbereitet und monatelang Isländisch gebüffelt, doch als der Mitarbeiter Gunter vorgestellt wird, mochte der Botschafter angeblich dessen Aussehen nicht, berichtet der US-Sender «CBS».
Als der zweite DCM nach einem Jahr in die Wüste geschickt wird, versucht Gunter dem Aussenministerium klarzumachen, er brauche gar keinen Stellvertreter, doch dort entschliesst man sich dagegen: Von Januar bis Juni 2020 werden ihm vier weitere Diplomaten zugeteilt, von denen aber keiner länger in Reykjavík bleibt. Ein DCM erregt angeblich seinen Zorn, weil der Mitarbeitende Schneeschuhe unter seinem Schreibtisch gelassen haben soll. Ein anderer soll ihn in Washington diskreditiert haben und sich mit dem «deep state» verschwören.
Homeoffice trotz Pandemie
Aufsehen erregt ausserdem, dass Gunter beantragt haben soll, eine Waffe und eine stich sichere Weste tragen zu dürfen. Und das notabene in Island, das als eines der sichersten Länder überhaupt gilt. Wie sagte noch ein Senator bei Gunters Befragung im Kongress? «Keiner dieser Posten ist einfach, aber ihrer ist der einfachste.» Und die US-Botschaft in Island ist gerade erst neu gebaut worden – grosse Mauern, Panzerglas und Kosten von 45,7 Millionen Franken inklusive.
Trotzdem sei Gunter «paranoid», was seine Sicherheit angehe: In isländischen Zeitungen seien Annoncen geschaltet worden, in denen Bodyguards für den Botschafter gesucht werden, berichtet «CBS». Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass der Botschafter im Februar zu einer Konferenz nach Washington geflogen ist und danach angeblich vorerst nicht nach Island zurückkehren wollte.
Ausgerechnet zu Beginn der Coronakrise liess Gunter einen seiner temporären Stellvertreter monatelang im Chefsessel sitzen. «Botschafter Gunter hatte nach der Konferenz lange geplante Ferien. Seine Rückkehr nach Island verzögerte sich wegen der Pandemie», erklärte das Aussenministerium sein Fehlen. Laut «CBS» hat der Hautarzt jedoch verkündet, den Job aus dem kalifornischen Homeoffice heraus bestreiten zu wollen, bis Aussenminister Mike Pompeo etwas Gegenteiliges anordnet. Das soll dann schliesslich telefonisch auch so erfolgt sein.
Coronatweet mit Folgen
Wieder zurück in Island läuft es aber nicht so wie vorgestellt: Gunter hat sich mit einigen Tweets den Unmut mancher Isländer zugezogen. Der Grund: Der Botschafter twitterte, die USA und Island stünden vereint im Kampf «gegen das unsichtbare China-Virus».
Die Reaktionen kamen prompt, wie «Reykjavik Grapevine» aufzeigt: «Viren haben keine Nationalität», antwortete ein Abgeordneter der Piratenpartei. «Sie sind auch nicht unsichtbar, höchstens mikroskopisch klein. Wir stehen in dieser Pandemie alle zusammen, aber nationalistische Rhetorik zu verbreiten, hilft niemandem. Bitte nennen Sie Island nicht zusammen mit solchem Unsinn.»
Petur Maack vom Gesundheitsinstitut Nordislands geht noch weiter: «Übrigens: Die US-Regierung hat es geschafft, jeden Schritt falsch zu machen. Darum dürfen ihre Landsleute auch nicht in den Schengen-Raum einreisen. Ich denke also, wir stehen nicht vereint.»
Ohh, and BTW, the federal government has managed to get it wrong every step of the way (that's why your countrymen are barred from entering the Schengen area. So, I guess we're not united at all.
Gunters Vorgänger ebenfalls Zivilist und Parteispender
Dass Präsidenten Zivilisten zu Botschaftern machen, ist nichts Ungewöhnliches. Unter George Bush sind 32 Prozent dieser Diplomaten keine Profis, unter Barack Obama 30 Prozent. Auch Gunters Vorgänger ist so ein Fall: Als Barack Obama 2013 mit Robert Barber einen politisch unbedarften Rechtsanwalt auf den Botschafterposten in Island beruft, der ein Spender der Demokratischen Partei ist, sorgt das damals für einigen Wirbel.
Seine Bestätigung verzögert sich, doch Barber macht das Beste draus: Er befasst sich mit der Kultur, lernt Isländisch und interessiert sich für die erneuerbaren Energien des Landes. «Barber scheut sich nicht, die Kontroverse um seine Berufung anzusprechen» staunt «Reykjavik Grapevine» nach sieben Monaten Amtszeit des empathischen Amerikaners, «und versichert der Öffentlichkeit, dass seine Zeugnisse und Erfahrung ihm den Job eingebracht haben – und nicht seine Spendentätigkeit.»
Barber tritt seine Stelle am 28. Januar 2015 an – und wird nach Donald Trumps Amtsübernahme am 20. Januar 2017 gefeuert. Der Botschafterposten bleibt danach notabene unbesetzt, bis Gunter am 2. Juli 2019 übernimmt.
Falsche Botschaft
Unter Donald Trump ist die Zahl der Zivilisten auf Botschafterposten auf 42 Prozent gestiegen, rechnet die «American Foreign Service Association» nach. Und neben Gunter sorgen auch andere von ihnen für Schlagzeilen.
Woody Johnson, früher Unternehmer und nun US-Botschafter in Grossbritannien, fühlte sich gerade bemüssigt «falschen Behauptungen» auf Twitter zu widersprechen, er habe im Amt unethische Bemerkungen über Hautfarbe und Geschlecht gemacht. In Südafrika soll Lana Marks, früher Handtaschen-Designerin und nun US-Botschafterin, ihren Stellvertreter entlassen haben, um den Job angeblich ihrem Sohn zuzuschanzen.
I have followed the ethical rules and requirements of my office at all times. These false claims of insensitive remarks about race and gender are totally inconsistent with my longstanding record and values.
Wie sind diese Vorgänge einzuordnen? Der dreifache Botschafter und heutige Leiter der American Academy of Diplomacy, Ronald E. Neumann, drückt es bei «CBS» so aus: «Man muss fairerweise sagen, dass das auch schon in anderen Administrationen ein Problem war. Aber es war kein so grosses Problem oder kam weniger oft vor.»
Es sei dabei weniger ein Problem, dass Nicht-Diplomaten zum Botschafter ernannt würden – der Knackpunkt sei einfach das Mass an Qualifikation für den Job. «Es wurden einige kompetente Leute berufen, aber sie haben auch eine exzessive Zahl inkompetenter Leute, die eine Peinlichkeit für die Nation sind.»