Friedensstifter mit RachegelüstenIm Ausland gefeiert, doch daheim läuft es für Trump gar nicht rund
Andreas Fischer
14.10.2025
Trump verkündet Frieden in Gaza – Regierungschefs beraten Vorgehen
Im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich tagte unter Vorsitz von US-Präsident Donald Trump und dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi eine Gruppe von über 20 Staats- und Regierungschefs.
13.10.2025
Im Schnelldurchlauf besucht US-Präsident Trump zunächst Israel und dann Ägypten, wo er feierlich das Ende des Gaza-Kriegs verkündet und sich zujubeln lässt. Bei der Rückkehr in die USA erwarten ihn alte Probleme.
Donald Trump lässt sich in Israel feiern. «Thank you, Trump», skandieren die Menschen bei spontanen Demonstrationen in Sprechchören. Ausgerechnet der US-Präsident, auf den die Welt und Amerika so gespalten blicken, hat geschafft, was kaum für möglich gehalten wurde: Ein Friedensabkommen, oder besser einen Deal, zwischen Israel und der Hamas zu vermitteln.
Mögen viele wichtige Punkte in Trumps Friedensplan noch ungeklärt sein: Dass nun alle überlebenden israelischen Geiseln freigelassen wurden, dass sich die Menschen in Gaza wirklich Hoffnung auf Frieden machen können, daran hat Trump einen unbestrittenen Anteil. Er wird in Nahost als der grosse Friedensbringer bejubelt, eine Rolle, in der er sich selbst gerne sieht.
🇺🇸 TRUMP: “PEACE IN THE MIDDLE EAST IS HARDER THAN A GOVERNMENT SHUTDOWN”
Reporter:
"What's harder: Peace in the Middle East or ending a government shutdown?"
Trump:
"I think the hardest is this has been going on for 3,000 years.
Zu Hause allerdings könnte die Stimmung nicht unterschiedlicher sein. Die USA stecken in einer veritablen innenpolitischen Krise, an der Donald Trump nicht ganz unschuldig ist.
• Seit fast zwei Wochen steht die Regierung still. • Trump versucht, seine politische Agenda mit militärischen Mitteln durchzusetzen. • Kaum einer seiner politischen Gegner ist vor seiner Rache sicher.
Während Trump versucht, sich im Ausland als Friedensstifter zu präsentieren, schürt er im Inland eine scheinbar endlose Reihe von Konflikten, schreibt die «New York Times» Diese Zerrissenheit sei zu einem prägenden Element von Trumps Präsidentschaft geworden und liefere sowohl seinen Verbündeten als auch seinen Gegnern Munition.
Niemand weiss so recht, wohin die USA innenpolitisch steuern, und das hat Auswirkungen auf Trumps Beliebtheit. Die Zustimmungswerte sind auf etwas über 40 Prozent gefallen − und damit noch schlechter als zum gleichen Zeitpunkt in seiner ersten Amtszeit. Abseits von MAGA-Grossanlässen kann Trump in den USA wohl kaum ein Bad im Jubelmeer nehmen.
US-Präsident Donald Trump macht innenpolitisch derzeit keine souveräne Figur.
Keystone
Der womöglich längste Shutdown der Geschichte
Dass Trump persönlich zur Unterzeichnung seines Gaza-Deals in den Nahen Osten reist, ist ihm einerseits nicht zu verdenken. Anderseits kommt es in den USA nicht unbedingt gut an. Einigen kommt es vor, der Präsident habe sich trotz der vielen Baustellen daheim aus dem Staub gemacht − und mit ihm einige weitere hochrangige Regierungsmitglieder.
Kommt hinzu, dass die Abgeordneten des Repräsentantenhauses ihrer Arbeit nicht nachgehen können, weil sie von Sprecher Mike Johnson quasi ausgesperrt werden. Der republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses sagte, er werde nicht mit den Demokraten verhandeln, bevor diese ihre Forderungen im Bereich Gesundheit aufgeben und die Wiederaufnahme des Bundesbehördenbetriebs wieder zulassen, während sich Trump in Israel feiern liess.
Die Regierung der USA steht seit dem 1. Oktober still, es könnte womöglich der längste Shutdown der Geschichte werden, sagt Johnson. 750’000 Bundesangestellte sind in Zwangsferien, systemrelevante Berufsgruppen müssen ohne Bezahlung weiterarbeiten.
Nicht alle sehen das ein. Immer häufiger melden sich zum Beispiel Fluglotsen krank, weil sie nicht arbeiten wollen, ohne bezahlt zu werden. Mittlerweile ist der Flugverkehr beeinträchtigt.
Das Land steht still, die Fronten sind verhärtet
Donald Trump sieht die Schuld für die Probleme seinem politischen Naturell entsprechend exklusiv bei den Demokraten. Trump weigert sich zu verhandeln, um den Regierungsstillstand zu beenden, und verspricht stattdessen, den Demokraten und ihren Wählern Schmerzen zuzufügen.
Weil die aber nicht daran denken, sich vorführen zu lassen oder nachzugeben, sind die Fronten zunehmend verhärtet. Das Weisse Haus reagiert nun mit einer ersten Welle von angekündigten Massenentlassungen. Deutlich mehr als 4000 Bundesbedienstete würden in einem ersten Schritt dauerhaft ihre Stellen verlieren, teilte das Haushaltsbüro in einem Dokument mit, das bei Gericht eingereicht wurde.
Besonders viele Entlassungen sind demnach im Finanzministerium vorgesehen: Mehr als 1400 Menschen sollen dort ihre Jobs verlieren. Im Gesundheitsministerium sind es mehr als 1100.
Etwa 400 Angestellte im Ministerium für Wohnungsbau und Stadtentwicklung sollen ebenfalls gehen. Auch im Heimatschutzministerium, im Handelsministerium, im Bildungs- und Energieministerium und in der Umweltschutzbehörde EPA werden mehrere hundert Angestellte gefeuert.
Soldaten bekommen ihren Sold
Immerhin will Donald Trump durch Umschichtungen sicherstellen, dass die Soldaten des US-Militärs trotz der Haushaltsblockade bezahlt werden. Der Republikaner hatte am Wochenende auf der Plattform Truth Social geschrieben, er nutze seine Befugnisse als Oberbefehlshaber und habe das Pentagon angewiesen, alle verfügbaren Mittel einzusetzen, damit die Soldaten am 15. Oktober ihr Geld erhalten.
Trump braucht die Soldaten. Nicht zuletzt, weil er die Nationalgarde immer häufiger einsetzt, um in von Demokraten regieren Städten «Recht und Ordnung wiederherzustellen». Nach wochenlangem Gezerre und vorerst gerichtlich eingeschränktem Einsatz der Nationalgarde in Chicago rückten Einheiten am Wochenende in Memphis ein.
Das Chaos kommt ihm zugute
Der Shutdown lähmt die USA merklich, aber er bestimmt nicht (allein) die Schlagzeilen. Dafür löst Trump zu viele andere Kontroversen aus. In der vergangenen Woche liess er Kampagnen gegen politische Gegner eskalieren. Zunächst musste der ehemalige FBI-Chef James Comey vor Gericht erscheinen, dann wurde die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James angeklagt.
«Er [Trump] hat die Aufmerksamkeit im Grunde genommen wieder auf seine Gegner gelenkt», sagt Julian E. Zelizer in der «New York Times». Der Professor für Geschichte an der Princeton University hat eine viel beachtete Essay-Sammlung über Trumps erste Amtszeit herausgegeben. «Es gab keinen Grund, diese Anklage gerade jetzt voranzutreiben. Ich denke, das passt zu seinem Verhaltensmuster. Letztendlich glaubt er wohl, dass Chaos ihm zugutekommt», analysiert Zelizer.
Trump kann der Rache nicht widerstehen
Es sei nicht unüblich in der Geschichte der USA, «dass Präsidenten gegensätzliche Erfolge in der Aussen- und Innenpolitik vorweisen können. Aber wie so oft ist bei Trump alles dramatischer.» Der Präsident könne nicht widerstehen, entweder seine vermeintlichen Feinde zu verfolgen oder einfach nur kontroverse Dinge zu tun, um Spaltungen zu schüren und Spannungen zu verschärfen.
Dass sich Donald Trump im Nahen Osten als Friedensstifter feiern lässt, lenkt nicht zuletzt die Aufmerksamkeit davon ab, dass er darum kämpft, seinen politischen Widersachern Wind aus den Segeln zu nehmen. «Die Aussenpolitik dient offenbar dazu, grosse Erfolge zu erzielen und Nobelpreise zu gewinnen, während er sich im Inland für jahrelange Ermittlungen und Strafverfolgungen rächen möchte», kommentiert der «NYT»- Journalist Ross Douthat.
Doch: «Wenn es etwas gibt, was die Politik im Nahen Osten dem Präsidenten lehren sollte, dann ist es, dass wahrer Erfolg ausserhalb des Kreislaufs der Rache liegt – zumindest wenn man möchte, dass die Erfolge von Dauer sind.»
Mit Agenturmaterial.
US-Regierung startet Entlassungswelle – Trump gibt Demokraten Schuld
Die Ankündigung erfolgte am selben Tag, an dem viele Bundesbedienstete wegen des «Shutdowns» gekürzte Gehaltsschecks erhielten. Hunderttausende sind in Zwangsurlaub, während andere ohne Bezahlung weiterarbeiten müssen.