Nachrichtendienst Immer noch Parteien- und Politiker-Fichen beim NDB

lt, sda

1.6.2022 - 10:36

Sicht auf den Sitz des Verteidigungsdepartements, in dem sich auch der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) befindet. (Archivbild)
Sicht auf den Sitz des Verteidigungsdepartements, in dem sich auch der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) befindet. (Archivbild)
Keystone

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) speichert offenbar weiterhin Informationen über Parteien, Politikerinnen und Politiker und über zivilgesellschaftliche Organisationen. Das haben Recherchen von «SRF Investigativ» und des Online-Magazins «Republik» ergeben.

Keystone-SDA, lt, sda

Dieses Mal hatten im Juni 2021 unter anderem die Grüne Partei und die Nichtregierungsorganistion (NGO) Public Eye Einsicht in die NDB-Akten verlangt. Rund ein Jahr später, Anfang Mai dieses Jahres, erhielten sie dann die Antwort.

Das Resultat: In den sicherheitsrelevanten Datenbanken des NDB fanden sich 112 Einträge zur Grünen Partei und 35 zu Parteipräsident Balthasar Glättli, wie die Partei am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA bestätigte. Auch zu Public Eye und zum Jugenddachverband SAJV gab es gemäss SRF Einträge.

Für Glättli handelt es sich bei jedem Einzelnen um einen Gesetzesverstoss: «Es kann nicht sein, dass man in einer Datenbank vorkommt, die eigentlich der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität dienen sollte, nur weil man in einer Zeitung zitiert wurde», sagte er. Nach jeder Untersuchung habe der NDB versichert, dass er nun aufräume, und dann habe er trotzdem wieder Material gesammelt und Löschfristen verletzt.

NDB: «Parteien sind keine Bedrohung»

Der NDB wies auf Anfrage jegliche illegale Aktivitäten zurück: Politische Parteien seien «klar kein Ziel der nachrichtendienstlichen Beschaffungsaktivitäten» und würden «ausnahmslos nicht als Bedrohung der inneren oder äusseren Sicherheit eingeschätzt». Es könne jedoch sein, dass gewisse Personen oder Organisationen in abgelegten Dokumenten erwähnt würden, wenn sie in einem Presseartikel genannt worden seien, der in Zusammenhang mit einer für den NDB wichtigen Thematik stehe.

In der Vergangenheit seien diese Organisationen hauptsächlich in den Pressenschauen des Eidg. Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) aufgetaucht, die vom NDB abgelegt wurden. Heute würden nur noch einzelne Artikel gespeichert, die einen Bezug zur Aufgabe des NDB hätten.

SRF publizierte unter anderem ein NDB-Dokument mit dem Hinweis auf eine Delegiertenversammlung der Grünen. Bei diesen Agenden handle es sich um sicherheitspolitische Informationen, die den kantonalen Behörden helfen, eine Lagebeurteilung vorzunehmen, hiess es beim NDB. Veranstaltungen wie eine DV seien für den NDB nur insofern relevant, als die Möglichkeit bestehe, dass diese von Parteigegnern gewaltsam gestört werden könnten. Heute würden diese Daten nach ein bis zwei Jahren gelöscht.

Überhaupt habe der NDB in den letzten beiden Jahren «grosse Anstrengungen unternommen, um seine Datenbestände zu bereinigen». Seit 2020 habe er rund 4,5 Millionen Dateien gelöscht. Die Auskunftsgesuche der Grünen und der NGO seien denn auch zu einem Zeitpunkt eingegangen, «an dem diese Bereinigungsarbeiten noch nicht abgeschlossen waren». Viele dieser Treffer seien mittlerweile aber gelöscht worden.

Immer wieder gerügt

Der NDB war in der Vergangenheit bereits mehrmals für seine Sammel-Praxis gerügt worden, sowohl von der Aufsichtsbehörde (AB-ND) als auch von der parlamentarischen Oberaufsicht, der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte (GPDel). Beide Aufsichtsorgane waren in ihren jeweiligen Berichten im Jahr 2020 zum Schluss gekommen, dass der NDB nach wie vor mehr Informationen sammle, als ihm das Gesetz erlaube.

2019 war bekannt geworden, dass linke Politikerinnen und Politiker teils dutzendfach in den Datenbanken des NDB aufgetaucht waren. Der damalige NDB-Chef Jean-Philippe Gaudi hatte zwar stets betont, dass der NDB keine Parteien oder Politikerinnen beobachte. Doch die GPDel kam zu einem anderen Schluss: Der NDB verstosse gegen das Gesetz, wenn er tausende nicht benötigter Zeitungsartikel, Agenturmeldungen und Texte von Internetseiten sammle, schrieb die GPDel damals.