IndienWie Millionen Bauern ihre Regierung in die Knie zwangen
AP/toko
12.12.2021 - 00:00
Sie liessen nicht locker: Ein Jahr lang hatten die Bauern gegen umstrittene Agrarreformen protestiert – dann vollzog die Regierung von Premier Narendra Modi eine Kehrtwende.
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12.12.2021, 00:00
12.12.2021, 11:07
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Zehntausende indische Bauern haben am Samstag ihre Protestposten in den Randgebieten der Hauptstadt Neu Delhi verlassen, um nach Hause zurückzukehren. Der Abzug der Bauern markierte das Ende eines einjährigen Protestes gegen umstrittene Agrarreformen in dem Land, nachdem diese von der Regierung von Premierminister Narendra Modi zurückgezogen wurden.
«Bauern haben die Demokratie gerettet»
Die Bauern bauten ihre provisorischen Unterkünfte an verschiedenen Proteststandorten ab und begannen damit, Verkehrswege zu räumen, die sie aus Protest gegen die Agrarreformen seit November letzten Jahres besetzt hatten.
Hunderte Bauern schwenkten grün-weisse Fahnen und tanzten, um ihren Sieg zu feiern, während sie in Traktoren und anderen Fahrzeugen abzogen. «Bauern haben die Demokratie gerettet. Es war ein Kampf für Gerechtigkeit», sagte der Bauer Nagendra Singh.
Nachdem Modi ein Jahr lang behauptet hatte, dass die Bauern von den geplanten Massnahmen seiner Regierung profiieren würden, hatte der Regierungschef im vergangenen Monat überraschend deren Rücknahme verkündet. Ein Gesetz, um die Reformen zurückzuziehen, wurde im Parlament am 30. November offiziell verabschiedet.
Die Bauern gaben ihre Proteststandorte jedoch nicht sofort auf und erklärten, sie würden weiter demonstrieren, bis die Regierung auf weitere Forderungen eingehe, etwa nach garantierten Preise für wichtige Ernteerzeugnisse und der Zurückziehung von Kriminalverfahren gegen Protestteilnehmer. Am Donnerstag setzte die Regierung ein Komitee ein, das die Forderungen der Bauern prüfen soll, woraufhin diese die Aussetzung ihres Protests ankündigten.
Ausgesetzt, aber nicht beendet
Man werde am 15. Januar die Schritte der Regierung überprüfen und über das weitere Vorgehen entscheiden, sagte Balbir Singh Rajewal, ein Bauernführer. Der Protest sei ausgesetzt, aber nicht beendet worden, sagte Gurnam Singh Chandoni, ein weiterer Bauernführer.
Die Regierung hatte zuvor darauf gepocht, die auf eine Deregulierung des Marktes und eine Ankurbelung der Produktion durch private Investitionen ausgerichteten Reformen seien dringend nötig, um die indische Landwirtschaft zu modernisieren.
Die im September 2020 verabschiedete Agrarreform zielte auf die Deregulierung der Märkte für landwirtschaftliche Erzeugnisse ab. Dort setzen staatliche Stellen seit Jahrzehnten garantierte Mindestpreise für die Ernte fest, die den häufig verarmten Landwirten das Überleben sichern sollen. Rund zwei Drittel der 1,3 Milliarden Einwohner des Landes sind von der Landwirtschaft abhängig.
Die Bauern hingegen argumentierten, dass die neuen Gesetze ihre Einkünfte durch die Abkehr von garantierten Festpreisen zunichte machten und sie grossen Konzernen auslieferten. Sie verlangten garantierte Preise für einige wichtige Ernteerzeugnisse wie etwa Weizen und Reis – ein System, das Indien in den 1960er-Jahren eingeführt hatte, um Nahrungsmittelreserven abzusichern und Knappheiten zu vermeiden.