Harris' indische WurzelnWie das Heimatdorf des Grossvaters im US-Wahlkampf mitfiebert
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5.11.2024 - 18:15
Kamala Harris war selbst nie dort. Trotzdem sehen viele Bewohner von Thulasendrapuram sie als eine der Ihren. Für sie ist es schlicht eine Sensation, dass eine Frau mit direkten familiären Verbindungen zu dem unscheinbaren Dorf amerikanische Präsidentin werden könnte.
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05.11.2024, 18:15
05.11.2024, 20:06
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Die Bewohner des indischen Heimatdorfes von Kamala Harris' Grossvater fiebern am US-Wahltag mit der demokratischen Vizepräsidentin und Präsidentschaftskandidatin.
Entlang der Strassen hängen etliche Banner und Plakate, auf denen ihr Gesicht zu sehen ist. Der US-Wahlkampf ist das wichtigste Gesprächsthema im Ort.
Der Grossvater von Kamala Harris wurde vor mehr als hundert Jahren in Thulasendrapuram geboren und wuchs in dem Dorf auf.
Harris hat oft betont, wie sehr die Wertvorstellungen ihrer indischen Vorfahren sie geprägt und geleitet hätten.
Der Tempel ist erfüllt von rhythmischen Gesängen. Der hinduistische Priester hebt ein Licht vor das Bild einer Gottheit. Die Bewohner der winzigen Ortschaft im Süden Indiens haben sich versammelt, um für Kamala Harris zu beten. An diesem Tag sind sie dabei nicht unter sich. Eine ganze Schar von Reportern begleitet die Szene. Kameraleute kämpfen um Plätze für die besten Perspektiven. Sogar ein paar Touristen sind gekommen.
Das Dorf unterscheidet sich kaum von unzähligen anderen in der ländlichen Region im Bundesstaat Tamil Nadu. Was Thulasendrapuram aber besonders macht, ist eine Verbindung zu der Kandidatin der US-Demokraten, die als erste Frau und als erste Person mit südasiatischen Wurzeln die Macht im Weissen Haus übernehmen könnte.
Während Millionen Amerikaner ihre Stimme abgeben, wird deswegen auch im Tausende Kilometer entfernten Thulasendrapuram mitgefiebert. In dem von Reisfeldern und Kokospalmen umgebenen Dorf ist Harris ein wichtiges Gesprächsthema in der örtlichen Teestube. Entlang der Strassen hängen etliche Banner und Plakate, auf denen ihr Gesicht zu sehen ist.
Die Gottheit des Tempels, Aiyanar, sei sehr mächtig, sagt der Priester M. Natarajan. Wenn die Menschen im Dorf ihre Gebete an Aiyanar richten würden, werde der Gott Harris zum Sieg verhelfen.
Der Grossvater von Harris wurde vor mehr als hundert Jahren in Thulasendrapuram geboren und wuchs in dem Dorf auf. Als Erwachsener zog er in die etwa 350 Kilometer entfernte Metropole Chennai, in der er bis zu seinem Ruhestand als hochrangiger Regierungsbeamter arbeitete. Dessen inzwischen weltberühmte Enkelin ist nie in Thulasendrapuram gewesen und es leben auch keine Verwandten von ihr mehr dort. Trotzdem wird die Familie, die es in den USA so weit gebracht hat, von den Bewohnern von Thulasendrapuram verehrt.
Harris' Mutter wurde in Indien geboren
Es sei schon etwas Besonderes, dass sich die Enkelin eines Mannes aus «unserem Dorf» um die US-Präsidentschaft bewerbe, sagt Natarajan. «Ihr Sieg wird für jeden von uns eine erfreuliche Nachricht sein.» Schon jetzt scheint es für Thulasendrapuram dank der unverhofften Berühmtheit aufwärts zu gehen. Kürzlich wurde mit dem Bau eines Wasserspeichertanks begonnen. Die Mittel dafür spendete eine örtliche Bank. Laut Angaben von Bewohnern soll an dem Tank am Ende eine Plakette mit Harris' Namen angebracht werden.
Die bereits verstorbene Mutter der US-Demokratin, Shyamala Gopalan, wurde ebenfalls noch in Indien geboren. Sie zog dann aber als Studentin in die USA und heiratete dort einen aus Jamaika stammenden Mann. Der Name der Tochter, Kamala, ist ein Wort aus der alten indischen Sprache Sanskrit, das «Lotus-Blume» bedeutet.
Von einigen Reisen während der Kindheit abgesehen, hat Harris selbst nicht viel Zeit in Indien verbracht – vor allem nicht, seit sie Vize-Präsidentin ist. Sie hat aber immer wieder emotional von ihrer besonderen Verbindung zu dem Geburtsland ihrer Mutter gesprochen, die als 19-Jährige in die USA kam und Krebsforscherin wurde. In den letzten Stunden des Wahlkampfs veröffentlichte das Team von Harris ein Video mit dem Titel «Mother» («Mutter»). Die Stimme eines Sprechers sagt darin: «Diese Tochter von Shyamala, die Tochter dieser amerikanischen Geschichte, ist bereit, uns auf dem Weg voran anzuführen.»
Vorliebe für südindisches Essen
Harris hat oft betont, wie sehr die Wertvorstellungen ihrer indischen Vorfahren sie geprägt und geleitet hätten. Bekannt ist auch, dass sie eine Vorliebe für südindisches Essen hat. Vor allem ein Gericht namens Idli, eine Art gedämpfter Reiskuchen, soll sie sehr mögen.
Am Tempel von Thulasendrapuram wird die US-Präsidentschaftskandidatin in einer Liste von Spendern aufgeführt, weil eine Tante, Sarala Gopalan, in deren Namen Geld gegeben hat. Vor dem Gebäude hängt ein grosses Banner, auf dem der «Tochter des Landes» viel Erfolg bei den Wahlen gewünscht wird.
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Mit ihrer Kandidatur habe Harris das Dorf berühmt gemacht, sagt Manikandan Ganesan, der in der Nähe des Tempels ein kleines Geschäft betreibt. Er hoffe, dass sie eines Tages zu Besuch kommen werde. Schon die Ankündigung eines Besuchs «würde uns sehr freuen», betont er. Und sollte sie die Wahl gewinnen, wäre das «eine grosse Quelle des Glücks für uns».
Schon 2020, als Harris an der Seite von Präsident Joe Biden kandidierte, hatten Bewohner von Thulasendrapuram für sie gebetet und dann Feuerwerkskörper gezündet, als sie schliesslich Vize-Präsidentin wurde. Gerade für viele Frauen in dem Dorf ist Harris seitdem auch eine Quelle der Inspiration.
Die Lokalpolitikerin Arulmozhi Sudhaka sagt, Harris stehe für einen wichtigen Schritt auf dem Weg hin zur Stärkung der Rechte von Frauen in Orten wie Thulasendrapuram, wo die meisten Frauen bis heute mit Diskriminierung und Ungleichheit zu kämpfen hätten. Einst hätten Frauen in der Region oft «nicht einmal das Haus verlassen» dürfen und nun «tritt eine Frau aus unserem Dorf bei der US-Präsidentschaftswahl an». «Kommende Generationen werden sie als Vorbild für Erfolg im Leben sehen», betont Sudhaka.
Kamala Harris hat die Chance, die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten zu werden. Die derzeitige US-Vizepräsidentin ist am Wahltag 60 Jahre alt und ist bekannt dafür, häufig neue Wege zu beschreiten. So war sie die erste Schwarze Bezirksstaatsanwältin von San Francisco und ab 2010 die erste Justizministerin von Kalifornien. 2017 schrieb sie abermals Geschichte, als erste Schwarze, die Kalifornien im US-Senat vertrat.