International Internationale Stimmen warnen vor Eskalation des Äthiopienkonflikts

SDA

13.11.2020 - 14:04

ARCHIV – Michelle Bachelet, Hochkommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, spricht während der 43. ordentlichen Sitzung des UN-Menschenrechtsrates. Foto: Violaine Martin/UN Geneva/dpa – ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits
ARCHIV – Michelle Bachelet, Hochkommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, spricht während der 43. ordentlichen Sitzung des UN-Menschenrechtsrates. Foto: Violaine Martin/UN Geneva/dpa – ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits
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Die Vereinten Nationen, die EU und Hilfsorganisationen haben vor einer Eskalation des Konflikts in Äthiopien gewarnt.

«Es besteht das Risiko, dass diese Situation total ausser Kontrolle geraten wird», erklärte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, am Freitag. Vor dem Hintergrund einer Militäroffensive der Zentralregierung gegen die Milizen der Regierung der Region Tigray sagte auch der EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarcic, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Freitag), diese Krise könne «katastrophale humanitäre Folgen für das ganze Land» haben. «Die militärische Eskalation in Äthiopien bedroht die Stabilität des ganzen Landes und der Region.»

Äthiopiens Regierung hatte nach Monaten der Spannungen zwischen Addis Abeba und der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) jüngst eine Offensive gegen die bewaffnete Gruppe und die Regierungspartei von Tigray begonnen. Über die Lage vor Ort ist wenig bekannt, da Internet, Telefonverbindungen und Strom gekappt und Strassen blockiert sind. Der Zugang zur Region wurde für Journalist eingeschränkt, Angaben der Regierung zum Geschehen können kaum unabhängig überprüft werden. Dennoch gibt es Bachelet zufolge Berichte über zunehmende Luftangriffe der Regierungskräfte und schwere Kämpfe am Boden.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach am Donnerstag von Berichten über ein Massaker im Ort Mai-Kadra in Tigray, bei dem wahrscheinlich Hunderte Menschen getötet wurden. Falls sich herausstelle, dass diese Zivilisten absichtlich von einer der Konfliktparteien getötet worden seien, würden diese Tötungen Kriegsverbrechen darstellen, sagte Bachelet.

Nach einem Beschluss des äthiopischen Parlaments für die Einrichtung einer regionalen Übergangsregierung in Tigray verkündete Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed am Freitag eine neue Führung. Der neue Vorsitzende der provisorischen Regierung von Tigray, Mulu Nega, werde für die Exekutivorgane in Tigray Leiter aus den Parteien ernennen, die «legal in der Region» tätig seien, twitterte er.

International wurde vor einer humanitären Katastrophe gewarnt. Schon vor dem Konflikt seien rund drei Millionen Menschen in Tigray und 15 Millionen Menschen im gesamten Land auf humanitäre Hilfe angewiesen gewesen, sagte Lenarcic. Matthias Späth, Landesdirektor der Welthungerhilfe in Äthiopien, sagte: «Tigray ist von allen Nachschubwegen abgeschottet.» Lenarcic forderte die äthiopische Regierung auf, Hilfsorganisationen Zugang zur Region zu gewähren.

In einer gemeinsamen Mitteilung erklärten der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell und Lenarcic, sofortige Deeskalation sei notwendig. Die Äthiopien-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, Annette Weber, sagte dem RND: «Wenn sich der Konflikt regional ausweitet, würde das zu grossen Migrationsschüben auch nach Europa führen.» Zudem warnte die Denkfabrik Soufan Center, eine grosse Flüchtlingswelle in den Sudan könne das Land, das derzeit einen politischen Wandel durchmache, stark destabilisieren.

Die TPLF war die dominante Partei in der Parteienkoalition, die Äthiopien mehr als 25 Jahre lang mit harter Hand regierte. Doch als Abiy 2018 an die Macht kam, entfernte er im Zuge etlicher Reformen viele Funktionäre der alten Garde und gründete eine neue Partei ohne die TPLF. Die TPLF und viele Menschen in Tigray fühlen sich von der Zentralregierung nicht vertreten und wünschen sich grössere Autonomie. Unter Abiy – der im Vorjahr den Friedensnobelpreis erhalten hatte – haben die ethnischen Konflikte in dem Vielvölkerstaat Äthiopien mit seinen rund 112 Millionen Einwohnern zugenommen.

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