«Ich wünschte, ich wäre selbst tot» Iranische Revolutionsgarde übernimmt Verantwortung für Abschuss

sda/dpa/tjb/toko

11.1.2020 - 15:32

Die Iranischen Revolutionsgarden haben die Verantwortung für den Abschuss des ukrainischen Passagierflugzeugs nahe Teheran übernommen. Es sei als feindlicher Marschflugkörper eingestuft und versehentlich abgeschossen worden, sagte ein iranischer General am Samstag.

Nach tagelangem Leugnen hat der Iran nun doch eingestanden, für den Absturz eines ukrainischen Passagierflugzeugs mit 176 Todesopfern verantwortlich zu sein. Das Militär habe die Maschine unbeabsichtigt abgeschossen, es handele sich um menschliches Versagen, hiess es am Samstag in einer Presseerklärung. Präsident Hassan Ruhani äusserte sein Bedauern, versprach eine gründliche Untersuchung und erklärte: «Dieser unverzeihliche Vorfall muss juristisch konsequent verfolgt werden.» Die Familien der Opfer sollten entschädigt werden.

Zuvor hatte der Iran tagelang einen Abschuss vehement bestritten und erklärt, ein technischer Defekt sei die Ursache gewesen. Unter den Absturzopfern waren unter anderem 57 Kanadier.

Zum Hergang erklärte ein Kommandeur der iranischen Revolutionsgarde, die ukrainische Passagiermaschine habe sich am Mittwoch einer strategisch wichtigen Militäranlage genähert, sei versehentlich als feindlicher Marschflugkörper eingestuft und schliesslich abgeschossen worden. Der Kommandeur der Luft- und Weltraumabteilung der Revolutionsgarde, Amir Ali Hadschisadeh, sagte weiter, der zuständige Offizier habe der Zentrale die Gefahr melden wollen, aber genau zu dem Zeitpunkt habe es einen Defekt im Kommunikationssystem gegeben. Der Offizier hatte laut Hadschisade dann nur wenige Sekunden zu entscheiden, ob er eine Luftabwehrrakete abfeuert oder nicht. «Und leider tat er es, was dann zu dem Unglück führte», sagte der Kommandeur. «Als ich davon erfahren habe, wünschte ich mir, lieber selbst tot zu sein, statt Zeuge dieses Unglücks», sagte Hadschisadeh.

General Amirali Hadschisadeh hat die Verantwortung für den Abschuss übernommen.
General Amirali Hadschisadeh hat die Verantwortung für den Abschuss übernommen.
Bild: Keystone (Archivbild)

Jet wurde als Bedrohung angesehen

Nach Angaben der Streitkräfte gab es an dem Unglückstag mehrere US-Drohungen, iranische Ziele anzugreifen. Daher habe im iranischen Militär «höchste Alarmbereitschaft» geherrscht. Nachdem sich dann die ukrainische Maschine einer «strategisch wichtigen Militäranlage» genähert habe, sei dies «versehentlich» als eine Drohung eingestuft und die Maschine abgeschossen worden, hiess es in der Presseerklärung.

In der Erklärung stand weiter, die für den Abschuss verantwortliche Person werde vor ein Militärgericht gestellt, es werde wegen des «unbeabsichtigten Abschusses» juristisch vorgegangen. Ausserdem müssten die Details des Vorfalls öffentlich erläutert werden. 

Trauer und Forderung: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert vom Iran, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen und Entschädigungen zu zahlen.
Trauer und Forderung: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert vom Iran, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen und Entschädigungen zu zahlen.
Bild: KEYSTONE/EPA/sd LB

Iran gibt USA eine Mitschuld

Kurz vor dem Absturz am Mittwoch hatte Iran zwei von US-Soldaten genutzte Stützpunkte im Irak angegriffen. Der iranische Aussenminister Mohammad Javad Zarif gab den USA darum eine Teilschuld. Sie seien für die aufgeheizte Atmosphäre verantwortlich, die zu dem menschlichen Fehler geführt habe, twitterte er. US-Präsident Donald Trump hatte den iranischen General Qassem Soleimani vergangene Woche durch eine Drohne töten lassen.

Bei dem Crash waren alle 176 Menschen an Bord gestorben. Das iranische Militär sprach den Familien der Opfer ihr Mitleid aus. 57 der Toten stammen aus Kanada, an Bord war zudem auch ein in der Schweiz wohnhaftes iranisches Ehepaar.

Zuletzt standen die Zeichen im Konflikt zwischen den USA und dem Iran nach den gezielten Militärschlägen vorerst auf Entspannung. Die Lage am Persischen Golf war nach der gezielten Tötung Soleimanis durch die USA eskaliert. Nach dem Angriff des Irans auf die von den USA genutzten Militärbasen im Irak hatten Trump und der iranische Präsident Hassan Ruhani angekündigt, den Konflikt zunächst auf politischer Ebene führen zu wollen.

Kiew fordert Entschuldigung

Nach dem Eingeständnis des Abschusses hat Präsident Wolodymyr Selenskyj den Iran aufgefordert, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen und Entschädigungen zu zahlen.

«Der Morgen heute war nicht gut, aber zumindest brachte er die Wahrheit ans Licht», schrieb Selenskyj am Samstagmorgen auf Facebook. Er erwarte ein volles Schuldeingeständnis und eine offizielle Entschuldigung über diplomatische Kanäle. Zudem sollten die Körper der Toten in ihre Heimatländer überstellt werden.

Der ukrainische Präsident betonte, dass er von Teheran eine «volle und offene Untersuchung» erwarte. «Wir hoffen, dass die Ermittlungen ohne vorsätzliche Verzögerungen und Hindernisse fortgesetzt werden», schrieb er. Die Experten aus der Ukraine sollten weiterhin vollen Zugang zu möglichem Beweismaterial erhalten.


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