Massenproteste Iran offline – die Mullahs fürchten die Macht des Internets

phi/AP/SDA

19.11.2019

Eine brennende Tankstelle in Karadsch am 16. Novemberä.
Eine brennende Tankstelle in Karadsch am 16. Novemberä.
Screenshot: YouTube

Aus Angst davor, dass sich Videos der Unruhen im ganzen Land verbreiten, bleibt der Internetzugang im Iran unterbrochen. Und der Volksaufstand scheint noch nicht vorbei zu sein.

Die von den USA forcierte Sanktionspolitik gegen den Iran scheint Wirkung zu zeigen: Wegen der starken Deflation sind in dem schiitischen Staat die Preise für Brot und Reis stark angestiegen. Als die Regierung am Freitag auch noch eine Erhöhung der Benzinpreise von 300 Prozent bekanntgab, brachen landesweit Unruhen aus.

Seit Freitag sind dabei angeblich neun Menschen ums Leben gekommen. Es handele sich um vier Demonstranten, drei Mitglieder der Revolutionsgarden und zwei Polizisten, heisst es in den Berichten der staatlich kontrollierten und damit fast amtlichen Medien vom Dienstag. Etwa 1'000 Menschen seien festgenommen worden.

Einer der Polizisten sei in der Nacht auf Montag bei Zusammenstössen mit «Krawallmachern» in der südiranischen Hafenstadt Mahschahr umgekommen, twitterte die Nachrichtenagentur Mehr. Zwei weitere Beamte seien verletzt worden.

Vom Ausland gelenkt

Nach Informationen der Zeitung «Kejhan» und Augenzeugen zufolge soll die Anzahl der Toten und Verhafteten jedoch weitaus grösser sein. Den Anführern der Unruhen drohe die Todesstrafe. Ihnen sei es nicht um den Protest gegen die drastische Verteuerung und die Rationierung von Benzin gegangen, sondern um Sabotage und Zerstörung, schrieb die Zeitung am Dienstag. Sie gilt als Sprachrohr der Hardliner im Iran.

Proteste bin Shiraz am 16. November: Die Videos wurden vor dem Internet-Shutdown hochgeladen.

Einige der Festgenommenen hätten gestanden, vom Ausland finanziert, gelenkt und mit Waffen ausgestattet worden zu sein. Die Justiz werde deshalb «im Einklang mit dem Strafgesetz und den islamischen Vorschriften» die Todesstrafe für sie fordern.

Auch die Revolutionsgarden drohten, sie würden gegen «Krawallmacher» hart durchgreifen, schreibt «Kejhan». Die Revolutionsgarde gilt als eine besonders loyal ergebene Elitetruppe des Regimes.

Höhere Opferzahl befürchtet

Berichte in sozialen Medien, dass die Zahl der Opfer und Festgenommenen wesentlich höher liege, liessen sich nicht überprüfen, weil das Internet am Dienstag zum vierten Tag in Folge weitgehend abgeschaltet war. In anderen Medien ist von mindestens 30 Toten die Rede, während dem Westen nahestende Sender von bis zu 200 Toten ausgehen.

Proteste in Karadsch am 16. November.

Zwar hat die Regierung am Montag von einer leichten Beruhigung der Lage gesprochen, aber die anhaltende Sperrung des Internets wurde als Hinweis darauf gedeutet, dass es noch Unruhen und Proteste geben könnte. Das Uno-Menschenrechtsbüro hat die iranische Regierung dazu aufgerufen, mit der Bevölkerung in einen Dialog zu treten.

Diese Bilder sollen aus Teheramn stammen.

«Proteste dieser Art und dieses Ausmasses sind ein Zeichen für tiefsitzende und oft begründete Missstände.» Solche könnten nicht einfach beiseite geschoben werden, sagte Uno-Sprecher Rupert Colville am Dienstag in Genf. Er rief die Regierung auch dazu auf, den Zugang zum Internet und zu anderen Kommunikationsformen sofort wiederherzustellen.

Colville ergänzte: «Wir sind sehr besorgt über die berichteten Verstösse gegen internationale Normen und Standards hinsichtlich der Anwendung von Gewalt, eingeschlossen der Verwendung von scharfer Munition gegen Demonstranten.»

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