PolitikIsraels Verteidigungsminister bemüht sich um «Konsens» zu Justizumbau
SDA
22.7.2023 - 01:25
Kurz vor einer entscheidenden Abstimmung im Parlament hat sich Israels Verteidigungsminister Joav Galant im Streit über den Umbau der Justiz eingeschaltet. «Galant ergreift aktuell Massnahmen, um einen breiten Konsens zu erreichen und die Sicherheit des Staates Israel zu gewährleisten», hiess es am Freitagabend auf Nachfrage aus seinem Büro. Zuvor hatte der israelische Fernsehsender Channel 12 berichtet, Galant arbeite daran, eine für Montag geplante Abstimmung über ein Kernelement der umstrittenen Pläne seiner Regierung zu verschieben.
22.07.2023, 01:25
SDA
Gegen das umfassende Vorhaben gehen seit mehr als einem halben Jahr regelmässig Tausende Israelis auf die Strassen. Für Samstag sind erneut mehrere Kundgebungen und Störaktionen geplant. In Jerusalem wird zudem die Ankunft eines Protestmarschs erwartet. Hunderte Menschen waren am Dienstagabend zu der 70-Kilometer-Wanderung von Tel Aviv nach Jerusalem aufgebrochen. Am Freitag waren es bereits mehr als 10 000 Teilnehmer. Am Sonntagabend soll es zudem eine Demonstration von Befürwortern der Reform in Tel Aviv geben.
Drohungen aus dem Militär
Galant will laut Channel 12 bei Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mehr Zeit für einen Kompromiss mit den Gegnern bewirken. Am Freitag hatten mehr als 1000 Reservisten der Luftwaffe in einem Brief angekündigt, nicht mehr zum Dienst zu erscheinen, sollte das Gesetz verabschiedet werden. Das Schreiben löste innerhalb des Militärs Medienberichten zufolge die Sorge aus, in dem Bereich nicht mehr voll einsatzfähig zu sein. Ein Sprecher des Militärs schrieb auf Twitter, die Auswirkungen würden derzeit überprüft.
Mehrere Minister aus der Regierung verurteilten die Drohung der Reservisten und betonten, sich nicht darauf einzulassen. Finanzminister Bezalel Smotrich schrieb auf Facebook: «Ein Land, das sich den Drohungen der Generäle unterwirft, wird tatsächlich zu einem Land, das von einer Militärjunta regiert wird.»
Netanjahu hatte Galant im März entlassen, nachdem dieser öffentlich zu einem Stopp der Pläne aufgerufen und davor gewarnt hatte, dass die nationale Sicherheit schweren Schaden nehmen könnte. Auf seine Entlassung folgten heftige Proteste und ein Generalstreik. Der Regierungschef setzte damals die Pläne aus, Galants Entlassung wurde später rückgängig gemacht.
Oppositionsführer: Netanjahu reisst das Land auseinander
Israels Regierung will das Höchste Gericht im Land gezielt schwächen. Ihrer Ansicht nach hat die unabhängige Justiz zu viel Einfluss auf politische Entscheidungen. Anfang nächster Woche könnte ein Kernelement der Regierungspläne im Parlament verabschiedet werden. Die Regierung hat dazu für Sonntag eine Sondersitzung der Knesset einberufen. Mit der Abstimmung wird jedoch frühestens am Montag gerechnet. Gegner sehen die Gewaltenteilung und damit die Demokratie in Gefahr. Manche warnen vor der schleichenden Einführung einer Diktatur.
In einer Ansprache am Donnerstagabend hatte der konservative Regierungschef die Befürchtungen als «absurd» zurückgewiesen. Er sprach davon, dass das Gesetz sogar die «Demokratie stärke». Oppositionsführer Jair Lapid teilte anschliessend auf Twitter mit: «Wir haben heute Abend einen Regierungschef gesehen, der das Land auseinanderreisst, anstelle es zu vereinen. Der lügt, anstelle die Wahrheit zu sagen.» Nach Netanjahus Ansprache strömten Tausende Menschen im Land zu einer «Nacht des Widerstands» auf die Strasse.
Besondere Bedeutung des Höchsten Gerichts
Dem Höchsten Gericht wäre es im Falle einer Verabschiedung des Gesetzes nicht mehr möglich, Entscheidungen der Regierung oder einzelner Minister als «unangemessen» zu bewerten. Der Staat Israel hat keine schriftliche Verfassung und fusst stattdessen auf einer Sammlung von Grundgesetzen. Daher kommt dem Höchsten Gericht eine besondere Bedeutung bei der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu.
Zu Jahresbeginn musste Netanjahu seinen Innenminister entlassen, weil die Richter dessen Ernennung wegen seiner kriminellen Vergangenheit als «unangemessen» eingestuft hatten. Kritiker befürchten, das Gesetz könne Korruption und die willkürliche Besetzung sowie Entlassung hochrangiger Posten begünstigen.
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