«Komatös» Italiens Regierung überlebt nur dank dem gemeinsamen Feind: Salvini

dpa

13.12.2019

Wie lange hält ihr Zweckbündnis noch? Premier Giuseppe Conte (l.) berät sich mit Fünf-Sterne-Parteichef Luigi Di Maio. 
Wie lange hält ihr Zweckbündnis noch? Premier Giuseppe Conte (l.) berät sich mit Fünf-Sterne-Parteichef Luigi Di Maio. 
Bild: Keystone

Erst seit hundert Tagen ist die Mitte-links-Regierung in Italien im Amt, doch viele glauben schon nicht mehr an ihre Zukunft. Bloss einer hält diese «Nicht-Allianz» zusammen: die Angst vor Matteo Salvini. 

Es ist noch nicht lange her, da schien Matteo Salvini politisch erledigt. Im vergangenen August liess der Chef der rechten Lega und damalige italienische Innenminister die Koalition mit der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung platzen, in der Erwartung, die Neuwahlen dann zu gewinnen.

Doch das Manöver ging schief, denn es gab keine Wahl. Stattdessen bildeten die Sterne eine neue Koalition mit den Sozialdemokraten (PD), und der parteilose Giuseppe Conte blieb Ministerpräsident. Salvinis Lega hatte sich selbst aus dem Spiel genommen.

In den europäischen Hauptstädten atmete man auf. Denn Rom war in der Zeit, als Salvini dort der eigentlich starke Mann war, auf Konfrontationskurs zu Brüssel gegangen. Doch nun übernahm eine europafreundliche Regierung das Ruder.

Salvini lauert, die Sterne schwächeln

Das zweite Kabinett Conte war am Freitag genau 100 Tage im Amt. Manch einer in Italien fragt sich aber, ob es die 200 Tage noch erleben wird. Denn die Koalitionspartner sind heillos zerstritten.



Salvini lauert unterdessen auf seine Chance. Die Lega bleibt in Umfragen mit über 30 Prozent die mit Abstand stärkste Partei. Wenn heute gewählt würde, dürfte sie gemeinsam mit der Rechtsaussenpartei Fratelli d'Italia und der konservativen Forza Italia die Mehrheit der Sitze holen.

Die Vielzahl der Streitthemen im Regierungslager ist kaum überschaubar: Plastiksteuer, Zuckersteuer, Dienstwagenbesteuerung, Verjährungsfristen, Wahlrecht oder die Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) lieferten zuletzt jede Menge Zündstoff. Italienische Medien beobachteten, dass sich Conte und Sterne-Chef Luigi Di Maio schon nicht mehr grüssten.

Die Fünf Sterne, die bei der Parlamentswahl 2018 noch die stärkste Partei waren, sind in Umfragen weit zurückgefallen und leiden unter Flügelkämpfen.

Sitzen zu viele Partner am Tisch?

Die Zahl der Regierungspartner, mit denen sich Conte arrangieren muss, hat sich im Übrigen vergrössert: Kurz nach seiner erneuten Vereidigung im September hatte sich der frühere Ministerpräsident Matteo Renzi von der PD abgespalten und eine neue Partei, Italia Viva, gegründet. Zwei Minister und mehrere Dutzend Parlamentarier folgten ihm. Der eigenwillige Ex-Premier stützt zwar weiter Conte, liefert aber auch Konfliktpotenzial.



Als vierten im Bunde gibt es noch die kleine Mitte-links-Partei Liberi e Uguali (LeU). Von einer «Nicht-Allianz» sprach das italienische Magazin «L'Espresso».

«Die Regierung ist im Grund komatös und unfähig zu regieren», schreibt der Analyst Wolfango Piccoli von der Denkfabrik Teneo. «Sie wird durch einen Faktor künstlich am Leben erhalten: Die Drohung, die bei Wahlen von Matteo Salvinis Lega ausgeht.» Dieses ziemlich prekäre Gleichgewicht könne jederzeit zerbrechen.

Ähnlich sieht es Francesco Galietti von Policy Solar. «Es gibt einfach keine Harmonie. Wenn die so weitermachen, dann wächst Salvinis Popularität nur noch», sagte er. Dass Salvini bei den Italienern gut ankomme, erklärt Galietti mit einer «sehr starken Nachfrage nach Sicherheit». Hinzu komme sein persönliches Auftreten.

«Sardinen» bieten den Populisten die Stirn

Die erste Regionalwahl seit Amtsantritt der amtierenden Regierung gewann die Rechte Ende Oktober in Umbrien mit 20 Punkten Vorsprung vor Mitte-links. Ende Januar will Salvini auch die rote Hochburg Emilia-Romagna erobern.


Gallerie: Salvini, der Populist

Gegen Salvinis populistische und fremdenfeindliche Parolen regt sich aber eine neue Protestbewegung. Als der «Capitano» am 14. November in der Regionalhauptstadt Bologna auftrat, riefen junge Leute zu einer Gegenkundgebung mit dem Ziel auf, mehr Menschen zusammenzubringen als er. Die Piazza Maggiore wollten sie eng gedrängt wie Sardinen füllen, und das gelang.

Daraus entstand die Bewegung der «Sardinen», die seither in zahlreichen weiteren Städten die Plätze füllte. 25'000 Menschen waren es in Mailand, 40'000 in Florenz, am heutigen Samstag ist eine Grosskundgebung in Rom geplant.

Ob die Stimmung, die die «Sardinen» gegen Salvini machen, ihn am Ende auch Stimmen kosten wird, bleibt abzuwarten. In einer jüngsten Umfrage für die Zeitung «La Repubblica» lag die Lega erstmals seit längerem wieder knapp unter 30 Prozent. Salvinis persönliche Zustimmungswerte sind im Dezember aber gegenüber Oktober noch deutlich gestiegen.

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