«Last Week Tonight»«Jetzt weiss ich, dass du ein fucking Lügner bist»
Philipp Dahm
15.10.2018
Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus – geschenkt. Aber so hörig, wie Donald Trump beim bösen kleinen Prinzen aus Riad ist, fällt selbst ein Zyniker wie John Oliver vom Glauben ab.
«Es ist absolut erschreckend», beginnt der Gastgeber von «Last Week Tonight with John Oliver». Er fügt hinzu: «Und die Saudis dementieren, dass es überhaupt passiert ist.» Worum es geht, ist somit klar: Das Verschwinden von Jamal Khashoggi.
Der saudische Journalist im Dienste der «Washington Post» hat am 2. Oktober die Botschaft seines Heimatlandes in Istanbul besucht, um Dokumente für seine Hochzeit abzuholen, und ist nie wieder aufgetaucht. Der Regimekritiker könnte von einem 15-köpfigen Killerkommando aus dem Weg geräumt worden sein, wie es heisst, seine Leiche sei demnach mit einer Knochensäge zerteilt und abtransportiert worden.
Durchgeknallte Istanbul-Ferien
Riads Interpretation, bei diesen 15 Herren handele es sich um gewöhnliche Touristen, zerreisst Oliver in der Luft: Aufzeichnungen zeigten, dass der Grossteil der Gruppe um 3.13 Uhr morgens im Privatjet in Istanbul ankam – und dass alle Mann die Türkei noch am selben Tag verliessen. «Das sind ziemlich durchgeknallte Ferien, oder?», fragt der Brite süffisant. «Ich will Istanbul sehen, aber nur für ein paar Stunden, überwiegend bei Nacht, und ich muss meine Knochensäge mitnehmen.»
Das kennen wir aber schon, legt der Moderator nach: Russlands Schergen im Fall Skripal wollten ja auch bloss Grossbritannien als Touristen entdecken, sagen die beiden Verdächtigen in einem Interview-Ausschnitt. «Ich mag, wie die Reporterin gleich misstrauisch wird, als [die beiden Russen] Salisbury eine wunderschöne Stadt nennen. Sie weiss, was los ist: Es ist, als würde man Sellerie köstliche Beilage nennen.»
Das lässt keine Frage offen: «Jetzt weiss ich definitiv, dass du ein fucking Lügner bist.» Der Wahl-Amerikaner dagegen ist ehrlich: «Wir haben eine lange und moralisch fragwürdige Geschichte mit Saudi-Arabien», erklärt er. «Kurz gesagt waren strategische Interessen über Jahrzehnte die Basis unsere Beziehung – und nicht gemeinsame Werte.»
Das Märchen vom Reformer
Prinz Mohammed bin Salman (MbS), der seit einem Jahr de facto das Land regiert, habe zwar versucht, den Einfluss einiger religiöser Hardliner zurückzudrängen und zugestimmt, Frauen das Autofahren zu erlauben. Und er habe nach 35 Jahren wieder Kinos öffnen lassen, erklärt der Gastgeber («einer der ersten Filme, die gezeigt wurden: The Emoji Movie.») – was man eben so alles für die «Vision 2030», die aus dem Öl- einen Technologie-Staat machen soll, tut.
Doch «die Wahrheit über die «Charme-Offensive» sei: «MbS ist alles andere als der Reformer, als der er uns präsentiert wird. Unter jeder positiven Geschichte über ihn steckt etwas Bitteres.» Klar, er habe Frauen das Lenken erlaubt, aber: «Noch wenige Wochen zuvor haben die Behörden zwölf Aktivistinnen verhaftet, die sich für das Rechts aufs Fahren eingesetzt haben.»
Auch die saudische Future Investment Initiative hat so einen Nachgeschmack: Eine Woche nach der Premiere dieser Technologie-Konferenz verwandelte sich der Austragungsort in einen Knast. «Es ist wahr: MbS hat das Ritz-Carlton benutzt, um Hunderte Geschäftsleute und Mitglieder der königlichen Familie einzusperren – in einer sogenannten Anti-Korruptionsaktion.» 17 Insassen landeten nach körperlichen Misshandlungen im Spital, ein Offizier starb sogar in Gefangenschaft.
Die Jemen-Bombe
Auch aussenpolitisch sei das Königshaus nicht zimperlich, was sich im Umgang mit Katar, aber vor allem im «absolut brutalen Krieg im Jemen» zeige, wo bisher über 16'000 Menschen getötet wurden, davon über 1'200 Kinder.
«Die Luftangriffe waren katastrophal», sagt Oliver mit Blick auf einen Clip, in dem ein Coiffeur aus dem Jemen verzweifelt, weil er bereits 27 Angehörige verloren habe. «Fürs Protokoll: Es gibt keinen Grund für Gewalt gegen einen Coiffeur. Und das kommt von mir: Wenn jemand einen Grund für [Blutrache] an einem Friseur hat, [bin ich es] – für das, was sie mir angetan haben.»
Und Donald Trump? Twittert über so etwas den Ritz-Carlton-Knast bloss:
....Some of those they are harshly treating have been “milking” their country for years!
«Nur weil sie wissen, was sie tun, heisst das nicht, dass es gut ist, was sie tun», hält John Oliver trefflich fest.
Money, Money, Money
Doch der US-Präsident besucht nach der Amtsübernahme zuerst: Riad. «Es kann niemanden überraschen, dass sich Trump derart enthusiastisch um die saudische Familie bemüht. Sie haben die beiden Qualitäten, die er am meisten bewundert: viel Geld besitzen und es ihm geben. Das hat er im Prinzip auch in seinem Wahlkampf gesagt.»
Im Clip bestätigt der Republikaner: «Sie kaufen Apartments von mir, sie geben 40, 50 Millionen aus. Soll ich sie nicht mögen? Ich mag sie sehr!» Oder wie Oliver es ausdrückt: «Er ist ein simpler Mann mit simplen Geschmack.» Das zeigt nicht zuletzt die Szene, in der Trump aufzählt, wie viele Milliarden Riad für US-Waffen ausgibt. «Das sind Peanuts für euch», staunt er dabei.
Fehlt bloss der Sabber in Trumps Mundwinkel: Wenn Milliarden von Dollar bloss Peanuts sind.
«Schaut euch Salmans Gesicht an, wie er abgeht, als er merkt, wie sehr Trump Geld liebt: ‹Nimm alles und halt dein verdammtes Maul›», ätzt der TV-Star. «Vor zwei Monaten haben sie eine in den USA gebaute Bombe auf einen Schulbus mit 40 Kindern geworfen, aber nur einen Monat später sagt Trumps Verteidigungsminister, Saudi-Arabien unternehme alles, um das Risiko für Zivilisten zu minimieren.»
Kushner im Sack, Khashoggi unter der Erde
Tatsächlich haben die USA nicht mal einen Botschafter in dem Land: «Unsere Beziehungen werden von Jared [Kushner], Ivanka Trumps Real Doll, persönlich gemanagt. Und die Saudis sind damit verständlicherweise ziemlich glücklich»: MbS soll im Kreis seiner Vertrauten geprahlt haben, Kushner habe er im Sack.
Das Fazit: Es sei nicht neu, dass ein US-Präsident in Sachen Saudis es mit der Moral nicht so genau nimmt. «Das Ausmass, in dem Trump Geld über alles andere stellt, ist wirklich gefährlich. Solcher Scheiss hat Konsequenzen.» Etwa das Verschwinden des Journalisten Khashoggi, der beklagt hatte, in seiner Heimat hätten immer mehr Angst.
Da nützt es nichts, dass Trump nun mit «schwerer Bestrafung» droht: «Glaubt irgendjemand, dass das seine ehrliche Absicht ist?», so die rhetorische Frage, bevor Trump bekundet, er wolle nicht 110 Rüstungsmilliarden anderswo ausgegeben sehen. Während US-Firmen reihenweise ihre Teilnahme am zweiten Future Investment Initiative absagen, bleibt der US-Finanzminister unbeirrt bei seiner Zusage.
Spätestens jetzt weiss das Königshaus: Mit der Rückendeckung aus dem Weissen Haus kommen wir mit allem durch. Sogar mit einem Mord an einem Journalisten?
Fernsehen bildet: Für seine Kolumne «Amerika verstehen» schaut Philipp Dahm regelmässig die besten US-Late-Night-Shows.
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