Armeen in der Coronakrise Kampf gegen einen unsichtbaren Feind

dpa/uri

20.3.2020

Im Kampf gegen das Coronavirus kommt in vielen Ländern bereits das Militär zum Einsatz. Wofür steht die Armee in welchem Land im Einsatz?

In der SCHWEIZ findet Verteidigungsministerin Viola Amherd zufolge die grösste Mobilmachung seit dem Zweiten Weltkrieg statt: Hunderte Soldatinnen und Soldaten rückten zur Unterstützung der Krankenhäuser ein. Insgesamt will die Armee zunächst bis Ende Juni 8'000 Männer und Frauen zur Verfügung stellen. Sie sollen in der Patientenpflege, aber auch der Logistik, etwa dem Transport von Kranken, eingesetzt werden.

Auch ÖSTERREICHS Bundesheer mobilisiert Reservisten. «Wir gehen davon aus, dass wir mit Mai rund 3'000 Milizsoldaten in den Dienst stellen werden», sagte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. In der Alpenrepublik ist es üblich, dass das Militär etwa bei einem starken Wintereinbruch in den Alpen oder bei Naturkatastrophen hilft. Derzeit werden Soldaten und Zivilbedienstete etwa in Lebensmittellagern grosser Handelsketten eingesetzt. Zudem soll das Bundesheer den Schutz von Botschaften übernehmen und damit Polizei entlasten.

DEUTSCHLAND: Die Bundeswehr wird derzeit auf eine grössere Mobilisierung ihrer Reserven vorbereitet. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sprach in einem Tagesbefehl von «unschätzbaren Fähigkeiten» der Reservisten, die nun sinnvoll genutzt werden sollten. Derzeit hilft die Armee bereits als Amtshilfe im Rahmen laufender Einsätze bei der Bereitstellung von Quarantäne-Unterkünften oder beim Ausfliegen deutscher Staatsbürger aus China. Künftig soll die Bundeswehr über das Sanitätswesen hinaus nützliche Strukturen schaffen – zumal, wenn die Krise länger dauern sollte. Darunter fasste die Verteidigungsministerin auch Einsätze zur «Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung».

ITALIEN: Das Verteidigungsministerium in Rom hat früh mit der Unterstützung begonnen. Kräfte des Militärs halfen an den Checkpoints in den ersten Sperrzonen in der Lombardei. Verteidigungsminister Lorenzo Guerini kündigte an, dass Versorgungsbetriebe des Militärs ihre Produktion für zunächst vier Monate teils umstellen würden, um dringend benötigte Geräte für die Intensivmedizin herzustellen. Das Ministerium lässt in einer Fabrik Hunderte Liter Desinfektionsmittel pro Tag herstellen. Militärärzte und Schwestern unterstützen überfüllte Krankenhäuser im Norden. Weitere Krankentransportwagen und Feldlazarette wurden zugesagt. Ausserdem stellt das Militär Fluggerät und Lastwagen für Material- und Sarg-Transporte zur Verfügung.

In FRANKREICH hilft die Armee im Elsass mit zusätzlichem medizinischem Personal und Krankentransporten. Im «Krieg» gegen das Virus, wie Staatschef Emmanuel Macron es kürzlich ausgedrückt hatte, wird im schwer betroffenen Département Haut-Rhin ein Armeekrankenhaus eingerichtet. Die Vorbereitungen für die mobile Intensivstation mit 30 Betten in Mülhausen (Mulhouse) laufen. Zudem fliegt das Militär schwer Erkrankte von dort in andere Landesteile aus.

Mobilisierung der Schweizer Armee für den Coronavirus-Notfall am 17. März 2020 in Ambri. Der Bundesrat bietet einen Grossteil aller Truppen auf, die innert Stunden verfügbar sind. Darunter alle vier Spitalbataillone. 
Mobilisierung der Schweizer Armee für den Coronavirus-Notfall am 17. März 2020 in Ambri. Der Bundesrat bietet einen Grossteil aller Truppen auf, die innert Stunden verfügbar sind. Darunter alle vier Spitalbataillone. 
Bild: Keystone

Die Zahl der SPANISCHEN Soldaten im Kampf gegen das Virus wächst von Tag zu Tag – zuletzt rund 2'600 in 48 Städten. Seit Mittwoch unterstützt auch die Luftwaffe. Seit Tagen sind die Militärische Nothilfeeinheit UME, Heer und Marine überall im Einsatz. Die Soldaten helfen etwa, die Ausgangssperre zu überwachen, Menschenaufläufe etwa an Bahnhöfen zu verhindern und öffentliche Einrichtungen zu desinfizieren. Die UME errichtete im Madrider Messezentrum eine Notunterkunft für Obdachlose. Interessant: Die Soldaten werden bisher nicht in den stark nationalistischen Regionen Katalonien und Baskenland eingesetzt. Medien vermuten, Madrid wolle keine Empfindlichkeiten verletzen. Stabschef Miguel Ángel Villarroya wies das zurück.

GROSSBRITANNIENS Verteidigungsministerium unterstützt mit einer Spezialtruppe den Kampf gegen die Pandemie. Die für zivile Notfälle bereitstehenden Truppen werden hierfür auf 20'000 Mitglieder verdoppelt, wie Verteidigungsminister Ben Wallace ankündigte. Auch Reservisten könnten dazugehören und beispielsweise als Techniker, Ingenieure oder Ärzte arbeiten. Sein Ministerium stelle auch hochqualizierte Wissenschaftler für die Corona-Forschung und Fahrer für den Transport von Sauerstoff zur Verfügung, so Wallace.

POLEN: In Polen sind nach Angaben von Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak 2'100 Soldaten im Kampf gegen das Coronavirus im Einsatz. Zu ihren Aufgaben zählt, Ältere und Menschen in Quarantäne zu versorgen. Zudem transportieren sie Medikamente in Kliniken. Psychologen der Streitkräfte beraten über eine Hotline Menschen, die wegen Quarantäne oder einer Corona-Erkrankung in eine psychische Krise geraten sind.

In UNGARN sollten ab Donnerstag in 140 strategisch wichtigen Unternehmen etwa der Energieversorgung, des Verkehrs und des Gesundheitssektors sogenannte Militärlenkungsgruppen aktiv werden. Diese bestehen aus Militärs, Polizisten und Katastrophenschützern. «Die Lenkungsgruppen beobachten und koordinieren die Arbeit dieser Unternehmen», sagte Verteidigungsminister Tibor Benkö. Sie sollen die Sicherheit und die Arbeitsfähigkeit der Unternehmen gewährleisten.

In TSCHECHIEN wurden 941 Soldaten an die Grenzen geschickt, um bei der Kontrolle des Einreise- und Ausreisestopps zu helfen. Die Regierung in Prag kündigte bereits den Einsatz von doppelt so vielen Soldaten an. Die Armee hilft derzeit auch beim Transport von medizinischen Gütern, wie dem Einfliegen von Schutzkleidung aus China. In SERBIENS Hauptstadt Belgrad sind etwa seit der Verschärfung der Ausgangsbestimmungen – es herrscht abends und nachts ein Ausgangsverbot – in den Strassen zwei- bis dreiköpfige bewaffnete Militärpatrouillen unterwegs.

Auch NORWEGEN hat Reservisten an die Grenzen einberufen. Sie sind unbewaffnet, haben aber begrenzte Polizeibefugnisse. Auch am Osloer Flughafen Gardermoen wurden Soldaten eingesetzt. In ESTLAND werden bis zu 150 Mitglieder der Freiwilligenarmee Kaitseliit (Verteidigungsbund) eingesetzt. Die Hobbysoldaten unterstützen die Polizei- und Grenzschutzbehörde bei der Grenzsicherung.

ISRAEL hat bisher rund 4'500 Reservisten eingezogen. Die Armee soll unter anderem für den Betrieb von zuvor leerstehenden Hotels zuständig sein, in denen leicht Erkrankte genesen sollen.

In den USA sollen zwei Lazarettschiffe mit jeweils rund 1'000 Betten in Kürze auslaufen. Das Militär will die zivilen Behörden mit bis zu fünf Millionen Atemmasken und rund 2'000 mobilen Beatmungsgeräten aus der «strategischen Reserve» unterstützen, wie Verteidigungsminister Mark Esper erklärte. Zudem waren am Mittwochmorgen bereits rund 2'000 Soldaten der Nationalgarde in 23 Bundesstaaten zur Unterstützung der zivilen Behörden im Einsatz. Die Luftwaffe flog am Dienstag laut Ministerium rund 500'000 Abstriche aus Italien ein, mit denen in Arztpraxen auf das Virus getestet werden kann. Zudem würden in 14 Militärlaboren Tests durchgeführt, hiess es.

Auch in HONDURAS, ECUADOR oder auf den PHILIPPINEN überwachen Soldaten etwa Ausgangssperren. PERUS Soldaten riegeln zudem unter anderem die Zufahrtswege in die Hauptstadt Lima ab. CHILES Streitkräfte sollen in bestimmten Gegenden die Polizei unterstützen und auch im Gesundheitsbereich helfen. Militärs übernehmen auch die Kontrolle der öffentlichen Sicherheit. In EL SALVADOR sollen 2'000 Soldaten dafür sorgen, dass die Grenzen dicht bleiben. Das Land riegelte sich früh ab. Bisher wurden dort keine Infektionen mit dem Coronavirus bestätigt. In THAILAND helfen Soldaten dabei, mit Desinfektionsmitteln die Strassen von Bangkok zu reinigen.

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