USA Kampf um die Zukunft der Republikaner – «Der Trump-Kult lebt weiter»

SDA

31.1.2021 - 09:55

ARCHIV - Die frisch gewählte republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene während einer Wahlkampfkundgebung. Foto: Troy Stolt/Chattanooga Times Free Press/AP/dpa
ARCHIV - Die frisch gewählte republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene während einer Wahlkampfkundgebung. Foto: Troy Stolt/Chattanooga Times Free Press/AP/dpa
Keystone

Kurz schien es, als würde Donald Trump die Kontrolle über die republikanische Partei entgleiten. Nach der Erstürmung des Kapitols am 6. Januar durch Anhänger des damaligen US-Präsidenten wagten auch republikanische Senatoren und Kongressabgeordnete offene Kritik an Trump.

Inzwischen ist diese Kritik verhaltener geworden, und der Einfluss des 74-Jährigen auf die Partei aus seinem Club-Resort Mar-a-Lago im fernen Florida heraus ist unübersehbar. «Trump ist weg. Der Trump-Kult lebt weiter», schrieb die «Washington Post» kürzlich. Ganz vorne mit dabei: die neue Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene.

Greene (46) ist nicht nur eine glühende Trump-Verfechterin, sondern auch Anhängerin der QAnon-Verschwörungstheorien. Diese kruden Vorstellungen gehen auf kryptische Internet-Botschaften eines angeblichen Insiders ("Q") der Trump-Regierung zurück. QAnon-Anhänger glauben beispielsweise, dass Trump systematischen Kindesmissbrauch durch satanistische Politiker der US-Demokraten aufzudecken versuchte.

«"Q» versucht, den Menschen die Wahrheit zu sagen», beteuerte Greene in einem Youtube Video im November 2017. «Es gibt eine einmalige Gelegenheit, diesen weltweiten Ring von Satan anbetenden Pädophilen auszuheben. Und ich denke, wir haben den Präsidenten, der das tun kann.» Trotz solcher Äusserungen konnte Greene sich nicht nur im Rennen um die Kandidatur der Republikaner in ihrem Wahlbezirk in Georgia gegen vier Mitbewerber durchsetzen. Sie gewann den Sitz bei der Kongresswahl im November letztlich sogar mit fast 75 Prozent der Stimmen.

Die stramm rechte Republikanerin ist nicht nur wegen ihrer QAnon-Sympathien umstritten. Die Wahl mehrerer muslimischer Abgeordneter der Demokraten ins Repräsentantenhaus vor gut zwei Jahren nannte sie in einem Video «eine islamische Invasion». US-Medien berichten unter Berufung auf inzwischen meist gelöschte Beiträge in sozialen Medien aus den vergangenen Jahren, Green habe im Januar 2019 einen Facebook-Post mit einem «Like» versehen, in dem ein User vorschlug, der Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, der Demokratin Nancy Pelosi, «eine Kugel in den Kopf» zu schiessen.

Eine Verschwörungstheorie, wonach das Schulmassaker in Parkland 2018 inszeniert war, habe Greene mit «Genau!» kommentiert, heisst es in den Berichten weiter. Auf Facebook habe sie 2018 verbreitet, dass Pelosi weitere Schulmassaker wolle, um die US-Waffengesetze zu verschärfen. Führende Republikaner im Repräsentantenhaus ernannten Greene vor wenigen Tagen ausgerechnet zum Mitglied des Bildungsausschusses. «Was könnten sie sich dabei gedacht haben?», fragte Pelosi. «Oder ist denken dafür ein zu grosszügiges Wort? Es ist absolut entsetzlich.»

Der Demokrat Jimmy Gomez kündigte eine Resolution an, um Greene aus dem Repräsentantenhaus auszuschliessen. Der oberste Republikaner in der Kammer, Kevin McCarthy, liess ausrichten, er werde in den kommenden Tagen das Gespräch mit seiner Parteikollegin suchen. Greene profiliert sich indes als enge Verbündete Trumps, der sie im August auf seinem – inzwischen gesperrten – Twitter-Account als «zukünftigen republikanischen Star» und «eine echte Gewinnerin» geadelt hatte.

In einer ganzen Serie von Tweets schrieb Greene am Samstag, sie habe ein «grossartiges Telefonat» mit Trump geführt. «Ich bin so dankbar für seine Unterstützung, und was noch wichtiger ist, die Menschen in diesem Land sind absolut hundert Prozent loyal zu ihm.» Greene geriert sich – wie ihr Idol – als Opfer: «Die blutrünstigen Medien und die sozialistischen, amerikahassenden Demokraten greifen mich an, genau so, wie sie immer Präsident Trump angreifen.» Auch Greenes folgende Worte klingen ganz nach Trumps Rhetorik: «Ich werde niemals nachgeben. Ich werde mich niemals entschuldigen. Und ich werde immer weiter für die Menschen kämpfen. Für mich heisst es: America First!!!»

In dem Schock, den der Sturm aufs Kapitol auslöste, sahen Trump-Kritiker eine Chance für die Republikaner, den Befreiungsschlag zu wagen. Dass ihnen das gelingt, erscheint aber zunehmend zweifelhaft. 45 der 50 Republikaner im Senat machten in der vergangenen Woche bei einer Abstimmung deutlich, dass sie das bevorstehende Amtsenthebungsverfahren gegen den Ex-Präsidenten ablehnen, an dessen Ende nach dem Willen der Demokraten eine lebenslange Ämtersperre stehen soll.

McCarthy – der Top-Republikaner im Repräsentantenhaus – hatte Trump eine Woche nach dem Sturm auf das Kapitol noch eine Mitverantwortung daran zugeschrieben. Danach ruderte er zurück, am vergangenen Donnerstag machte er Trump schliesslich seine Aufwartung in Florida. Trumps Team teilte im Anschluss mit, die beiden Politiker hätten vereinbart zusammenzuarbeiten, um bei der Kongresswahl 2022 die Mehrheit im Repräsentantenhaus für die Republikaner zurückzuerobern. McCarthy könnte dann womöglich Pelosi als Vorsitzende der Kammer ablösen.

Das Trump-Team prahlte, die Unterstützung des Ex-Präsidenten für bestimmte Kandidaten bedeute heute mehr als je zuvor. Das mag zwar angesichts der miserablen Zustimmungswerte zum Ende seiner Amtszeit übertrieben sein. Unbedeutend ist Trumps Urteil aber keineswegs – schliesslich haben ihm bei der Wahl im November mehr als 74 Millionen Amerikaner ihre Stimme gegeben. Als Drohung dürften die Republikaner auch empfinden, dass Trump nach einem Bericht des «Wall Street Journal» vor seinem Abschied aus dem Weissen Haus mit der Idee spielte, eine eigene Partei zu gründen.

Der Sender CNN berichtete nach McCarthys Florida-Reise, Trump mache hinter den Kulissen bereits Front gegen parteiinterne Kritiker wie die prominente Kongressabgeordnete Liz Cheney. Cheney gehörte zu zehn Republikanern, die im Repräsentantenhaus mit den Demokraten für das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump stimmten. Teil dieser Gruppe war auch Adam Kinzinger. Er sagte der «Washington Post» kürzlich: «Ich denke, wir werden in den nächsten sechs Monaten einen epischen Kampf um die Definition dieser Partei führen.» Seiner Kollegin Greene warf Kinzinger auf Twitter vor, mit den Grundwerten der Partei nichts gemein zu haben. «Sie ist keine Republikanerin.»

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