DemokratieKandidaten wider Willen am Urnengang in Appenzell Innerrhoden
gn, sda
16.3.2021 - 14:34
Die Landsgemeinde als Urform der Demokratie findet wegen der Corona-Pandemie nicht statt. Der ausserordentliche Urnengang schlägt in Appenzell Innerrhoden hohe Wellen. Für die Bestätigungswahlen von Regierung und Gericht sind 20 Gegenvorschläge eingegangen.
Keystone-SDA, gn, sda
16.03.2021, 14:34
SDA
Am letzten Sonntag im April versammeln sich die Innerrhoder Stimmberechtigten seit Jahrhunderten auf dem Landsgemeindeplatz in Appenzell zur Wahl der obersten Behörden und zur Beschlussfassung über wichtige Sachgeschäfte. Bei den Vorlagen haben die Innerrhoderinnen und Innerrhoder die Möglichkeit, das Wort zu ergreifen und für oder gegen eine Sache zu argumentieren. Bei der Wahl der Mitglieder der Behörden können im Ring spontan Namen von möglichen Kandidatinnen oder Kandidaten gerufen werden.
Wegen der Corona-Pandemie müssen die sieben Mitglieder der Standeskommission (Regierung) und die dreizehn Mitglieder des Kantonsgerichts in diesem Jahr an der Urne bestätigt werden. Gilt eine Person für ein bestimmtes Amt als vorgeschlagen und wird kein gültiger Gegenvorschlag eingereicht, ist sie in dieses Amt gewählt – ausser der regierende Landammann. Für ihn ist in der Verordnung immer ein Urnengang vorgesehen.
Kandidaten nicht angefragt
Damit es nicht zu einer stillen Wahl kommt, haben die Stimmberechtigten die Möglichkeit, Gegenvorschläge einzubringen. Vor einem Jahr, als schon einmal ein coronabedingter Urnengang stattfand, waren noch zehn Unterschriften für einen Vorschlag nötig. «In der Februarsession hat der Grosse Rat entschieden, dass ein Gegenvorschlag von einer einzigen Person eingereicht werden kann», erklärt der Innerrhoder Ratsschreiber Markus Dörig auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Am Dienstag wurden die Gegenvorschläge von der Ratskanzlei im «Appenzeller Volksfreund» publiziert. Für 13 Amtsträgerinnen und Amtsträger – darunter vier Mitglieder der Regierung – gingen 20 Gegenvorschläge ein.
In einem Inserat im Lokalblatt distanzieren sich acht der Genannten vom Vorgehen. «Niemand wurde angefragt, alle die hier genannten Männer und Frauen hätten eine Kandidatur weit von sich gewiesen», heisst es in der Stellungnahme. Um künftig ein solches Vorgehen durch «unzufriedene Mitbürger» verhindern zu können, fordert einer der Betroffenen eine Revision der Verordnung über ausserordentliche Urnenabstimmungen.
Amtszwang
Betroffen von der Aktion ist auch Fefi Sutter. Der ehemalige Grossrat war bereits zweimal – 2005 und 2017 – für das Amt des Bauherren vorgeschlagen worden. Er wurde beide Male nicht gewählt. Letzte Woche erschien in der Lokalzeitung ein Inserat, auf welchem er als Gegenkandidat für den amtierenden Bauherren Ruedi Ulmann aufgeführt war. «Ich werde nicht antreten», sagt Fefi Sutter zu Keystone-SDA. Die Frist bis zum Wahlsonntag am 9. Mai sei viel zu kurz, so der 57-Jährige, der an einem Immobilienunternehmen beteiligt ist.
Auch die Innerrhoder Grossrätin Angela Koller, die ebenfalls als Gegenkandidatin ins Spiel gebracht wurde, will nicht in die Standeskommission gewählt werden. Angela Koller und Fefi Sutter hatten als langjährige Behördenmitglieder drei Tage Zeit, dem Kanton den Verzicht auf die Kandidatur zu melden.
Anders sieht die Situation für andere Gegenkandidatinnen und -kandidaten aus. In Appenzell Innerrhoden besteht Amtszwang. Wer in ein Amt gewählt wird, muss dieses antreten. Bis 1994 konnten Einheimische dazu gezwungen werden, sich bis zu 20 Jahre lang für einen Dienst in der Öffentlichkeit einsetzen zu müssen.
Seit der Verfassungsreform bestehe nach acht Jahren Behördentätigkeit oder vier Jahren in Folge sowie für über 65-Jährige kein Zwang mehr, ein Amt anzutreten, erklärt der Innerrhoder Ratsschreiber. Die Regierung wird jeweils für ein Amtsjahr bestätigt. Neugewählte müssen ihr Amt bereits am nächsten Tag antreten.
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