Wichí in Argentinien verlieren Heimat Kehrseite des Soja-Erfolgs: Die Wichí in Argentinien verlieren ihre Heimat

von Florencia Martin, dpa

8.4.2018

Argentinien hat sich mit immer grösseren Anbauflächen für Soja zu einem der weltweit grössten Exporteure gemausert. Doch den Preis zahlen nicht zuletzt die Ureinwohner im Norden des Landes, die Wichí. Mit jedem gefällten Baum schrumpft ihre Lebensgrundlage.

In einem einst dichten Waldgebiet im Norden Argentiniens leben Amancio und andere Mitglieder vom Stamm der Wichí wie auf einer Insel. Sie sind mittlerweile von allen Seiten umringt von Sojafeldern, die bis auf 400 Meter an das Dorf herangerückt sind. «Früher haben wir unser Trinkwasser aus der Lagune geholt, doch jetzt werden die Tiere krank, die dort trinken, und wir sehen tote Fische», sagt Amancio und vermutet, dass auf die Felder Gift gesprüht wird. Davon geht auch die US-Umweltschutzorganisation Mighty Earth aus, die in einem aktuellen Bericht von gigantischen Waldrodungen für den Anbau von Sojabohnen in der Grenzregion Gran Chaco spricht.

In der Grenzregion zwischen Argentinien, Bolivien und Paraguay kämen «enorme Mengen an chemischem Dünger und giftigen Pestiziden wie dem Pflanzenschutzmittel Glyphosat» zum Einsatz. Noch schlimmer wiege die Rodung des Urwaldes zur Kultivierung der Nutzpflanze, die Rede ist von Tausenden Hektar Wald. Nach Angaben der Organisation werden rund drei Viertel des weltweiten Sojaanbaus zu Tiernahrung verarbeitet - Europa etwa habe 2016 etwa rund 28 Millionen Tonnen Soja aus Lateinamerika importiert.

Gute Geschäfte und schlimme Folgen für die Umwelt

Der Aufstieg Argentiniers zu einem der drei weltweit grössten Sojaproduzenten hat in Argentinien schlimme Folgen für den Wald und seine Lebewesen: Einer Liste der Welternährungsorganisation (FAO) nach nimmt das südamerikanische Land Platz neun der Staaten ein, die zwischen 2010 und 2015 den grössten Verlust an Waldflächen zeigten. Allein in der Provinz Salta wurden zwischen 2006 und 2013 etwa 653'000 Hektar Urwald abgeholzt. Das entspricht dem Plattwalzen von gut acht Städten der Grössenordnung von New York.

Auf der anderen Seite steht ein dritter Platz im weltweiten Exportgeschäft hinter den USA und Brasilien. In der Erntesaison 2016/17 fuhr das südamerikanische Land 114 Millionen Tonnen Sojabohnen ein. Und alles deutet auf eine neue Rekordernte in der Saison 2017/18 hin. Zwischen 84 und 90 Prozent der Sojaernte gehen in den Export, als Korn, Mehl, Öl und Biodiesel.

Zwar existieren seit 2009 Vorschriften, die das Abholzen grosser Flächen in Salta verbieten. Doch zugleich gab die Provinzregierung grünes Licht, 150'000 Hektar geschützte Gebiete in Bauland umzuklassifizieren - auf Wunsch von Finca-Besitzern, die dort entweder schon Land besassen oder sich einkauften. Die Justiz verbot zwar Anfang des Jahres in einem Fall das Abholzen, doch der Besitzer scherte sich einfach nicht darum. Und der Streit geht weiter.

Heute haben die Wichí keine Arbeit mehr

«Die Provinz Salta zieht Kapital an, um ein in der Pampa erfolgreiches Modell der Agrar- und Viehwirtschaft hier zu kopieren», kritisiert Hernán Giardini von der Umweltschutzorganisation Greenpeace in Argentinien. «Aber das ist ein Modell, das die Ressourcen erschöpft, sich nicht an die Umwelt anpasst und auch nicht gedacht ist, den Bewohnern zugute zu kommen». Tatsächlich seien die Provinzen, in denen sich in den vergangenen 30 Jahren die grösste Abholzung konzentriert habe, nach wie vor die Ärmsten des Landes.

Die Wichí haben den vermeintlichen Fortschritt, den der grossflächige Anbau von Soja und anderen Pflanzen auf den gerodeten Flächen bringen sollte, am eigenen Leib miterlebt. «Zuerst heuerten sie einige von uns an, um die gefällten Bäume kleinzuhacken. Danach gab es dann keine Arbeit mehr für uns», erinnert sich ein Bruder von Amancio. Die Gemeinschaft, die heute noch aus zwölf Familien bestehe, sei Jahr für Jahr geschrumpft, viele hätten das Dorf auf der Suche nach Arbeit verlassen. So war es auch bei Amancio: «Wir waren zwölf Männer in der Familie, jetzt sind nur noch mein Bruder und ich hier. Wir bleiben hier, wegen unserer Vorfahren.»

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