International Kiew: «Angebliche Feuerpause» gescheitert – Die Nacht im Überblick

SDA

8.1.2023 - 05:14

dpatopbilder - Eine zerstörte Kuppel liegt auf dem Boden vor der orthodoxen Kirche. Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa
dpatopbilder - Eine zerstörte Kuppel liegt auf dem Boden vor der orthodoxen Kirche. Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa
Keystone

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die von Kremlchef Wladimir Putin über das orthodoxe Weihnachtsfest deklarierte Feuerpause für gescheitert erklärt. «Die Welt konnte einmal mehr sehen, wie falsch Aussagen aus Moskau auf jeder Ebene sind», sagte der 44-Jährige in seiner Videobotschaft am Samstagabend.

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«Sie haben irgendetwas von einer angeblichen Feuerpause gesagt, doch die Realität ist, dass russische Geschosse erneut Bachmut und andere ukrainische Positionen getroffen haben», sagte Selenskyj weiter. Auch der ukrainische Generalstab sprach von andauernden russischen Angriffen mit Panzern, Artillerie und Raketen.

Kurz nach dem Ende des von Putin für die Feuerpause genannten Zeitraums um 22.00 Uhr MEZ meldete zudem das ostukrainische Gebiet Charkiw Explosionen.

Selenskyj erklärt von Putin deklarierte Waffenruhe für gescheitert

Selenskyj betonte: «Wieder einmal hat sich bestätigt: Nur die Vertreibung der russischen Besatzer von ukrainischem Land und die Beseitigung aller Möglichkeiten Russlands, Druck auf die Ukraine und ganz Europa auszuüben, wird die Wiederherstellung von Waffenstillstand, Sicherheit und Frieden bedeuten.» Ukrainischen Angaben zufolge starben durch russischen Beschuss während der Weihnachtstage in Bachmut im östlichen Gebiet Donezk zwei Zivilisten.

Putin hatte am Donnerstag einseitig eine 36-stündige Feuerpause angeordnet und als Begründung das Weihnachtsfest genannt, das viele orthodoxe Christen am 7. Januar feiern. Kiew lehnte den russischen Vorstoss von Anfang an als Heuchelei ab und auch viele internationale Beobachter sprachen von einer reinen Propaganda-Geste.

Nach Ablauf der deklarierten Frist: Charkiw meldet Explosionen

Kurz nach dem offiziellen Ende des von Putin bestimmten Zeitraums meldeten die Behörden der Region rund um die ostukrainische Stadt Charkiw direkt mehrere Explosionen. «Achtung an die Einwohner von Charkiw und der Region: Bleiben Sie in den Schutzräumen. Die Besatzer schlagen wieder zu!», schrieb Gouverneur Oleh Synehubow am Samstagabend auf Telegram. Ersten Informationen zufolge gebe es ein Todesopfer, hiess es von Synehubow weiter. Auch in den Gebieten Poltawa, Dnipropetrowsk, Saporischschja, Luhansk sowie auf der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim wurde fast unmittelbar nach 22.00 Uhr MEZ Luftalarm ausgerufen.

Moskau: Ukrainische Angriffe trotz angekündigter Waffenruhe erwidert

Noch während die Waffenruhe offiziell in Kraft war, räumte Moskau am Nachmittag ein, ukrainische Angriffe weiter zu erwidern. «Alle Positionen der ukrainischen Armee, von denen aus Beschuss erfolgte, wurden von den russischen Streitkräften durch Erwiderung des Feuers niedergeschlagen», sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Kampfhandlungen gab es demnach in den Gebieten Donezk, Cherson und Saporischschja. Ungeachtet dessen behauptete Konaschenkow, Russland halte sich an die selbst auferlegte 36-stündige Feuerpause.

Ministerpräsident: Ukraine hat grösstes Minenfeld weltweit

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat nach Angaben des ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal ein 250 000 Quadratkilometer grosses Minenfeld in seinem Land geschaffen. «Es ist derzeit das grösste Minenfeld weltweit», sagte Schmyhal in einem am Samstag veröffentlichten Interview der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap. Das laut Schmyhal verminte Gebiet entspricht mehr als 40 Prozent der gesamten Landfläche der Ukraine. «Das macht es nicht nur schwer für Menschen zu reisen, sondern es verursacht auch grössere Störungen in der Landwirtschaft, die eine unserer Hauptwirtschaftszweige ist», so der Ministerpräsident.

Umfrage: Bürger sehen Panzer-Lieferungen mehrheitlich skeptisch

Die Entscheidung der Bundesregierung, Marder-Schützenpanzer an die Ukraine zu liefern, stösst bei den Menschen in Deutschland einer Umfrage zufolge auf ein geteiltes Echo. In einer Befragung des Meinungsforschungsinstitutes Insa für die «Bild am Sonntag» finden 49 Prozent die Entscheidung eher falsch und 40 Prozent eher richtig. Die Lieferung von Kampfpanzern lehnen 50 Prozent ab, 38 Prozent sind dafür.

Die Bundesregierung hatte ihre Entscheidung, rund 40 Marder-Schützenpanzer an die Ukraine zu liefern, am Donnerstag öffentlich gemacht. Union und Teile der Regierungsparteien FDP und Grüne fordern auch, dem von Russland angegriffenen Land Kampfpanzer zu schicken.

Ukraine setzt Dutzende russische Künstler auf Sanktionsliste

Die Ukraine setzte unterdessen Dutzende russische Künstler und andere Personen des öffentlichen Lebens auf eine Sanktionsliste. Einer der international wohl bekanntesten Namen in dem vom Präsidialamt in Kiew veröffentlichten Dekret ist die in Wien lebende und als kremlnah in die Kritik geratene Opernsängerin Anna Netrebko. Ihr sowie 118 weiteren Personen – darunter auch drei ukrainischen Staatsangehörigen – wird etwa, sofern vorhanden, Vermögen in der Ukraine gesperrt. Auf der Sanktionsliste stehen zudem unter anderem der bekannte russische Musiker Filip Kirkorow sowie Schauspieler und Regisseur Nikita Michalkow.

Ukrainische Medien berichteten darüber hinaus, Präsident Wolodymyr Selenskyj habe bereits Ende Dezember 13 Geistlichen der ukrainisch-orthodoxen Kirche die Staatsbürgerschaft entziehen lassen.

Die ukrainisch-orthodoxe Kirche ist traditionell eng mit Russland verbunden und hatte sich erst mit dem russischen Einmarsch vom vergangenen Februar ganz von Moskau losgesagt. Zuletzt wurden etwa die Nutzungsverträge für zwei Hauptkirchen des unter Unesco-Weltkulturerbe stehenden Kiewer Höhlenklosters nicht mehr verlängert. Erstmals feierte dort am Wochenende die neue Orthodoxe Kirche der Ukraine einen Weihnachtsgottesdienst.