Unweit der Front hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Saporischschja bei einem Treffen mit dem niederländischen Regierungschef Dick Schoof erneut reichweitenstarke Waffen gefordert. Nötig sei nicht nur die Freigabe von Waffen für Schläge gegen Ziele im russischen Hinterland, sondern auch die Lieferung dieser Raketen, sagte Selenskyj nur einige Dutzend Kilometer von der Front im Süden der Ukraine entfernt. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) reist an diesem Dienstag erneut nach Kiew und will auch das russisch besetzte Atomkraftwerk Saporischschja besuchen. Derweil setzt Kremlchef Wladimir Putin einen brisanten Besuch fort.
Keystone-SDA
03.09.2024, 05:12
SDA
Russland hat das Gebiet Saporischschja teils besetzt, nicht aber die gleichnamige Gebietshauptstadt, in der sich Schoof über den ukrainischen Verteidigungskampf informierte. Der Niederländer sicherte weitere Hilfe für die Ukraine zu.
Gesprochen worden sei über Wege, die Verteidigungskraft des Landes zu stärken, um einen gerechten Frieden zu erreichen, teilte Selenskyj mit. Dabei gehe es um Flugabwehr wie neue Patriot-Systeme, um die Stärkung der Luftwaffe mit von Partnern gelieferten F-16-Kampfjets, um mehr Munition und Ausrüstung sowie um weitere Sanktionen gegen Russland. «All diese Massnahmen sind wichtig, um zu verhindern, dass Russland in der Ukraine neue Fronten eröffnet», sagte Selenskyj. Er machte deutlich, dass er auf eine Freigabe reichweitenstarker Waffen hoffe und nannte dabei die Länder USA, Grossbritannien, Frankreich und Deutschland.
Kiew: Niederlande sollen bei Wiederaufbau helfen
«Wir haben auch die Möglichkeit erörtert, dass die Niederlande eine Schirmherrschaft über Saporischschja übernehmen, was die Unterstützung der Infrastruktur, den Schutz des normalen Lebens und die Lösung humanitärer Fragen einschliessen würde», teilte Selenskyj über das soziale Netzwerk X mit. So könne erreicht werden, dass noch mehr Menschen in die Stadt zurückkehrten.
Selenskyj besichtigte dort auch ein nach einem Raketenschlag im Oktober 2022 wiederaufgebautes Wohnhaus. «Schritt für Schritt werden wir alles, was zerstört wurde, wieder aufbauen. Wir werden unser Bestes tun, um sicherzustellen, dass alle unsere Städte und Gemeinden wiederbelebt werden», sagte er.
IAEA-Chef reist nach Kiew und Saporischschja
Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als zweieinhalb Jahren mit westlicher Hilfe gegen den russischen Angriffskrieg. Im Gebiet Saporischschja liegt auch Europas grösstes Atomkraftwerk, das von russischen Truppen besetzt ist. Die internationale Sorge um die Sicherheit des AKW in dem umkämpften Gebiet ist gross, der erneute Besuch des Chefs der Internationalen Atomenergiebehörde eine direkte Folge. Das Atomkraftwerk ist immer wieder Ziel von Angriffen und Sabotageakten, für die sich Moskau und Kiew gegenseitig die Schuld geben.
Mitte August hatten Kontrolleure berichtet, dass sich die Lage zugespitzt habe. In unmittelbarer Nähe der Sicherheitszone habe es eine Explosion gegeben, die nach Einschätzung von IAEA-Experten vor Ort von einer Drohne mit Sprengladung verursacht worden sei.
Gefahr für Atomkraftwerke im Kriegsgebiet
IAEA-Chef Rafael Grossi erklärte vorige Woche in Russland, dass Kiew um eine Ausweitung der Präsenz seiner Behörde in der Ukraine gebeten habe. Er hat das AKW Saporischschja bereits mehrfach besucht und dort ein Team aus IAEA-Experten stationiert. Die ständige Präsenz der internationalen Fachleute dient nicht nur der Beobachtung der Lage, sondern auch zum Abschrecken von Kampfhandlungen, die einen Atomunfall auslösen könnten.
Bei den Gesprächen in der Ukraine dürfte Grossi auch von seinem Besuch im russischen Atomkraftwerk Kursk in der vergangenen Woche berichten. Nach dem Einmarsch ukrainischer Truppen in der Region Kursk hatte der IAEA-Chef vor der Gefahr eines atomaren Zwischenfalls gewarnt und die Kriegsparteien aufgerufen, sich an die Regeln der nuklearen Sicherheit zu halten.
Die Kampfhandlungen in dem Gebiet riefen ernsthafte Besorgnis hervor, hatte Grossi gesagt. Die Reaktoren des AKW in der Stadt Kurtschatow hätten keine Schutzhülle, was sie besonders anfällig mache für Drohnenangriffe oder Artilleriebeschuss. Bislang laufe der Betrieb aber nahezu normal, sagte Grossi. Bei Kremlchef Putin bedankte er sich für die Einladung und die Möglichkeit, die Anlage zu besichtigen.
Putin in der Mongolei – Ukraine fordert seine Festnahme
Putin traf am Montagabend in der Mongolei ein und besucht damit erstmals seit Kriegsbeginn ein Land, das den Internationalen Strafgerichtshof anerkennt. Dieser hatte im März vergangenen Jahres im Zusammenhang mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine einen Haftbefehl gegen Putin erlassen – weshalb die mongolischen Strafverfolgungsbehörden den Kremlchef bei dessen Aufenthalt in der Hauptstadt Ulan Bator eigentlich festnehmen müssten. Moskau sieht wegen der freundschaftlichen Beziehungen beider Länder indes keine Gefahr für Putin, wie Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärt hatte.
Die ukrainische Regierung fordert die Festnahme des russischen Präsidenten und warf der Mongolei vor, ihm dabei zu helfen, sich seiner gerechten Strafe zu entziehen. Damit mache sich das Land mitverantwortlich für Putins Kriegsverbrechen, teilte ein Sprecher des Aussenministeriums in Kiew mit. Das Versäumnis der mongolischen Regierung, den verbindlichen Haftbefehl gegen Putin zu vollstrecken, sei ein schwerer Schlag für das internationale Strafrechtssystem und werde Konsequenzen haben.
Der Kremlchef will heute den mongolischen Präsidenten Uchnaagiin Chürelsüch treffen, auf dessen Einladung er in dem Land ist. Sein Besuch dient nicht nur dem Ausbau der Zusammenarbeit beider Nachbarstaaten. Putin will mit seiner Reise auch zeigen, dass er trotz des Krieges auf internationaler Bühne nicht isoliert ist.
Deutsche Ministerin will in Kiew Winterhilfe übergeben
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ist zu einem neuen Besuch in der Ukraine eingetroffen. Russlands Ziel sei es, die Energieversorgung zu treffen, damit die Menschen in der Kälte in der Dunkelheit sitzen.
«Deswegen haben wir hier noch einmal zusätzliche Mittel mobilisiert, die helfen, die Energieversorgung hier jetzt wieder aufzubauen»
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