«Kreativer» Umgang mit dem Material Kiews überraschende Luftangriffe

uri

10.5.2022

Ukrainisches Kampfflugzeug vom Typ Suchoi Su-27. (Archiv)
Ukrainisches Kampfflugzeug vom Typ Suchoi Su-27. (Archiv)
Bild: CC-BY-2.0/wallycacsabre

Moskaus Armee ist derjenigen Kiews zahlenmässig weit überlegen: Trotzdem gelingen den ukrainischen Luftstreitkräften immer wieder erfolgreiche Angriffe.

uri

Die Schlangeninsel im Schwarzen Meer wurde durch dort stationierten ukrainischen Soldaten bekannt, die sich partout nicht den vor der Insel kreuzenden Schiffen «Moskwa» und der «Wassili Bykow» ergeben wollten und stattdessen ein trotziges «Russisches Kriegsschiff, f*ck dich!» entgegenschleuderten. Russland nahm das strategisch wichtige Eiland trotzdem ein und verstärkte es mit Waffen und Einheiten.

Nichtsdestotrotz gelangen Kiew hier zuletzt offenbar Erfolge: Wie das ukrainische Oberkommando bekannt gab, attackierten ukrainische Luftstreitkräfte die Schlangeninsel Ende April zunächst mit türkischen Drohnen vom Typ Bayraktar TB-2. Dabei setzten sie offenbar russische Luftabwehrsysteme ausser Gefecht, wie der «Spiegel» berichtet.

Bemerkenswerter Anflug auf die Schlangeninsel

Nachdem vor Ort auch die russische S-300-Luftabwehr der «Moskwa» durch deren Versenkung ausfiel, habe Russland zwar versucht, weitere Luftabwehrsysteme auf das Eiland zu bringen. Doch auch diese seien den ukrainischen Drohnen zum Opfer gefallen – ebenso wie ein hierfür eingesetztes russisches Landungsboot der Serna-Klasse, zwei russische Patrouillenboote und ein Transporthelikopter. 

Gemäss Videobildern ukrainischer Drohnen soll die Ukraine am vergangenen Samstag mittels Kampfflugzeugen zudem nachgelegt haben: Die nicht verifizierten Aufnahmen sollen zwei ukrainische Su-27-Jets zeigen, die russische Stellungen auf der Insel beschiessen. Bemerkenswert sei dabei aber nicht zuletzt der Anflug der Maschinen, schreibt der «Spiegel».

Das Satellitenbild von Planet Labs PBC zeigt zerstörte Gebäude und eine Rauchsäule über der Schlangeninsel. 
Das Satellitenbild von Planet Labs PBC zeigt zerstörte Gebäude und eine Rauchsäule über der Schlangeninsel. 
Bild: Keystone

Sie würden ihre Ziele nämlich scheinbar aus Süden ansteuern. Demnach seien sie nicht, wie zu erwarten, aus Richtung Ukraine gekommen. Ebenfalls seien die Maschinen «extrem niedrig unterwegs» gewesen, «wohl um die Radarsysteme zu unterfliegen».

Von der Nachrichtenagentur AP analysierte Satellitenaufnahmen vom Sonntag belegen schwere Zerstörungen auf der Schlangeninsel. Sie zeigen Rauch über zwei Stellen. Auch ein Brand war zu erkennen. Satellitenbilder des Unternehmens Planet Labs vom Samstag zeigten zudem, dass die meisten Gebäude auf der Insel zerstört waren.

Kiews Luftwaffe ist kreativ

Wie Justin Bronk, Experte für Luftkrieg am Royal United Services Institute (Rusi) in London, dem Nachrichtenmagazin erklärte, geht die Ukraine geschickt mit ihren Möglichkeiten um. Kiews Luftwaffe zeige sich «kreativ» im Nutzen ihrer Möglichkeiten. Auch zeigten die Ukrainer weiterhin «eine erhebliche Bereitschaft, Risiken einzugehen». Luftangriffe wie auf der Schlangeninsel könnten eine grosse Wirkung haben, so der Luftwaffenexperte.

Er schränkte jedoch auch ein, dass die Ukrainer so etwas nicht «ständig tun» könnten. Dafür würden dann doch die Kapazitäten fehlen. Laut Bronk hat Russlands Luftwaffe zudem im derzeitigen Kampf um den Donbass mehr Freiheiten als noch in der Schlacht um Kiew. Denn nun sei die Koordination zwischen den Einheiten am Boden verbessert. Ebenfalls mache es der russische Einsatz von Kurz- und Mittelstreckenflugabwehr hier für die ukrainischen Luftstreitkräfte sehr viel riskanter.

Selenskyj – Wir werden siegen

Selenskyj – Wir werden siegen

Dieses Video wurde am Montag vom Büro des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj veröffentlicht. Zu sehen ist, wie er allein durch die leeren Strassen der Hauptstadt Kiew läuft. Der Auftritt kann als bewusster Kontrast zu den Bildern der gewaltigen Parade in der russischen Hauptstadt Moskau gesehen werden.

11.05.2022

In direkter Nähe zur Frontlinie habe Russland die «lokale Luftüberlegenheit», so der Experte. Ein weiteres Problem für die Ukraine resultiert laut dem «Spiegel» aus dem Nachschub an Kampfflugzeugen aus dem Westen. Bislang sei es hier vor allem um sowjetische Modelle, etwa aus polnischen Beständen, gegangen, «um die Eingewöhnung für die Piloten so simpel wie möglich» zu halten.

Im Fall von US-Modellen muss laut Experte Bronk aber nicht nur das Fliegen der Systeme erlernt werden, sondern auch deren effektiver Einsatz im Kampf. Da die US-Maschinen hier komplett andere Voraussetzungen als die Sowjet-Modelle hätten, würden die Ukrainer mehrere Monate Vorbereitung benötigen.