Energie Klagen von Energiekonzernen könnte Energiewende verteuern

bs, sda

7.3.2021 - 14:10

Abluft steigt aus den Schornsteinen des Kohlekraftwerks Moorburg in den Himmel. Der Energiekonzern Vattenfall betreibt in Hamburg-Moorburg eines der grössten Kohlekraftwerke Europas. (Symbolbild)
Abluft steigt aus den Schornsteinen des Kohlekraftwerks Moorburg in den Himmel. Der Energiekonzern Vattenfall betreibt in Hamburg-Moorburg eines der grössten Kohlekraftwerke Europas. (Symbolbild)
Bild: Keystone

Der Energiecharta-Vertrag könnte für die EU zum Stolperstein bei der Umwandlung ihrer Energiewirtschaft hin zu einer grüneren Wirtschaft werden. Daher hat sie vor ein paar Tagen ihre Reformvorschläge vorgelegt. Auch die Schweiz hat die Energiecharta unterzeichnet und setzt sich für Reformen ein.

Ziel des aus den 1990er Jahren stammenden Vertrags ist es, Rechtssicherheit für Unternehmen zu schaffen. Gestützt auf die Charta können Energiekonzerne gegen nachteilige staatliche Entscheidungen klagen. Konkret ging es damals darum, westeuropäische Unternehmen in Osteuropa vor Enteignung und unfairere Behandlung zu schützen.

Doch heutzutage wird dieser Investitionsschutz auch gegen Staaten verwendet, die ihre Energiewirtschaft auf grün trimmen wollen. So wurde Deutschland 2012 im Zuge des beschlossenen Atomausstiegs vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall verklagt – vor dem Bundesverfassungsgericht und mit Berufung auf die Energiecharta vor einem Schiedsgericht. Am Freitag wurde bekannt, dass sich Vattenfall und Berlin geeinigt haben: Der Energiekonzern erhält 1,43 Milliarden Euro.

Anfang Februar diesen Jahres verklagte der deutsche Energiekonzern RWE die Niederlanden ebenfalls in Milliardenhöhe wegen des geplanten Kohleausstiegs mit der Begründung, es handle sich dabei um einen Eingriff in das Eigentum des Unternehmens.

Mehrere EU-Staaten befürchten nun, dass der Energiecharta-Vertrag die Energiewende und damit das Pariser Klimaabkommen gefährdet. Denn soll die Energiewende gelingen, müssen einschneidende Entscheide gefällt werden – etwa Kraftwerklaufzeiten verkürzt oder Bergwerke geschlossen werden.

Alle müssen zustimmen

Vor einigen Tagen reichte daher die EU ihren Vorschlag zur Modernisierung des Energiecharta-Vertrags ein – ein Prozess, der seit 2020 läuft.

Darin fordert sie etwa, dass sich Unternehmen bei neuen Investitionen in fossile Energien nicht mehr auf den Investitionsschutz berufen dürfen sollen. Ausserdem möchte die EU den Investitionsschutz für bestehende Investitionen, sofern diese nicht für Erneuerbare oder grünen Wasserstoff nachgerüstet werden, spätestens bis 2040 abschaffen.

Damit das Regelwerk jedoch überhaupt reformiert werden kann, müssen alle 51 Mitgliedstaaten zustimmen. Frankreich und Spanien drohen mit dem Ausstieg aus dem Vertrag, wenn die Reform nicht gelingt. Doch Staaten wie Japan und Kasachstan lehnen bis jetzt Änderungen ab.

Schweiz verfolgt Diskussionen

Die Schweiz verfolge die Diskussionen und Entwicklungen im Rahmen des Energiecharta-Vertrag, schreibt das Bundesamt für Energie (BFE) auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Die Kritik an der Charta, sie «verhindere eine mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbare Entwicklung des Energiesektors» sei übertrieben. Denn die Charta schützt laut BFE bereits jetzt schon Investitionen in erneuerbare Energien.

Trotzdem setzt sich die Schweiz dafür ein, «dass die Energiecharta mit Begriffen und Technologien, die im heutigen Energiesektor und für die Dekarbonisierung wesentlich sind, ergänzt wird».

Ausserdem «soll das Regulierungsrecht von Staaten in Umwelt-, Gesundheits- und Arbeitsschutzbereichen gestärkt werden», heisst es weiter. Obwohl selber noch nie verklagt, setzt sich die Schweiz auch für mehr Transparenz bei den im Vertrag vorgesehenen internationalen Schiedsgerichten ein.

Schiedsgerichte in der Kritik

Diese sind heutzutage besonders in der Kritik. Es handelt sich dabei um Adhoc-Gerichte, die jeweils aus drei Anwälten zusammengesetzt ist. Ausserdem tagen sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Währen diese Schiedsgerichte in den 1990er Jahren in erster Linie dafür gedacht waren, in Osteuropa rechtsstaatliche Verfahren sicherstellen, werden sie heute aufgrund ihrer Intransparenz von vielen Menschen angelehnt – zumal es in neueren Handelsverträgen wie etwa dem Handels- und Investitionsabkommen EU-Kanada CETA deutliche höhere Standards gibt.

Es gibt jedoch Stimmen, die davor warnen, diese Schiedsgerichte zu verteufeln. Denn Europa setzt bei der Energiewende vor allem auf Wasserstoff. Doch aktuell gehen Experten davon aus, dass lediglich 20 bis 25 Prozent des Wasserstoffs überhaupt in Europa hergestellt werden kann, der Rest müsste ausserhalb produziert werden – beispielsweise mit Hilfe von Sonnenenergie in Afrika. Gut möglich, dass dann europäische Energiekonzerne auf Schiedsgerichte angewiesen sind.

bs, sda