Kurz vor Ablauf einer Frist zur Regierungsbildung in Israel gilt eine Koalition der Gegner des bisherigen rechtskonservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu als immer wahrscheinlicher. Naftali Bennett von der ultrarechten Jamina-Partei habe sich für ein Bündnis mit Oppositionsführer Jair Lapid von der Zukunftspartei entschieden, berichtete der israelische Rundfunk am Sonntag. Dies habe er in privaten Gesprächen bestätigt, es werde in Kürze mit einer offiziellen Mitteilung gerechnet.
30.05.2021, 10:11
sda/toko
Am Sonntagvormittag wollte Bennett den Berichten zufolge seine Parteimitglieder informieren. Demnach einigte er sich mit Lapid auf eine Rotation im Amt des Regierungschefs. Bennett solle als erster für zwei Jahre Ministerpräsident werden und Lapid ihn anschliessend ablösen.
Bei der Wahl am 23. März war Lapids in der politischen Mitte angesiedelte Zukunftspartei zweitstärkste Kraft hinter Netanjahus Likud geworden. Die vierte Parlamentswahl binnen zwei Jahren hatte erneut keine klaren Mehrheitsverhältnisse ergeben. Netanjahu war mit der Bildung einer Regierung gescheitert, am 5. Mai beauftragte Staatspräsident Reuven Rivlin daher Lapid damit.
Lapids Zukunftspartei wollte am Sonntag Koalitionsgespräche mit der rechtsorientierten Tikva Chadascha (Neue Hoffnung) von Gideon Saar fortsetzen. Sie hat bereits Vereinbarungen mit der linksliberalen Meretz-Partei, der Arbeitspartei sowie der ultrarechten Partei Israel Beitenu von Ex-Aussenminister Avigdor Lieberman getroffen.
Lapid will mehrere kleine Parteien hinter sich versammeln, die im politischen Spektrum weit auseinander liegen. Es würde sich dabei um eine Minderheitsregierung handeln, die von arabischen Abgeordneten geduldet wird. Sie eint vor allem die Ablehnung Netanjahus, gegen den ein Korruptionsprozess läuft. Ihre politischen Ziele klaffen jedoch weit auseinander.
Lapids Mandat zur Regierungsbildung gilt noch bis kommenden Mittwoch um Mitternacht. Sollte der 57-Jährige Erfolg haben, wäre die Ära Netanjahu vorerst beendet. Netanjahu war bereits von 1996 bis 1999 Ministerpräsident und danach seit 2009 durchgängig im Amt.