Berlin-EvakuierungNawalny kann nicht ausgeflogen werden – Polizei findet Gift
DPA/phi
21.8.2020 - 09:15
Der bekannte russische Regierungskritiker Alexej Nawalny soll wegen einer möglichen Vergiftung in Deutschland behandelt werden. Noch ist er aber nicht stabil genug für eine Verlegung.
Ein Spezialflugzeug, das den 44-Jährigen aus dem russischen Omsk nach Berlin holen soll, war am frühen Freitagmorgen aus Deutschland gestartet, wie der Filmproduzent Jaka Bizilj der «Deutschen Presse-Agentur» sagte. Demnach befand sich auch ein Team von Medizinern an Bord der Maschine.
Zuvor seien alle nötigen Genehmigungen zu einer Verlegung aus Russland erteilt worden. Nawalny könne noch am Freitag in Berlin ankommen, wo er in der Charité behandelt werden soll. Kosten für Flug und Behandlung würden von Privatleuten bezahlt, sagte Filmproduzent Bizilj.
Update: Nawalnys behandelnde Ärzte haben am Freitagmorgen eine Verlegung des Patienten abgelehnt, weil er noch nicht stabil genug sei, um verlegt zu werden.
Der Kremlkritiker war am Donnerstag zunächst in ein Krankenhaus in der sibirischen Grosstadt Omsk gebracht worden und lag nach Angaben der Ärzte im Koma. Seine Sprecherin Kira Jarmysch war überzeugt, dass der Oppositionelle «absichtlich vergiftet wurde».
Update: Im Organismus des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny ist nach Angaben seines Teams ein vermutlich «tödliches Mittel» gefunden worden. Die Polizei habe den Ärzten mitgeteilt, dass sie diesen gefährlichen Stoff gefunden hätten, sagte der Chef von Nawalnys Anti-Korruptions-Fonds, Iwan Schdanow in Omsk.
Das Gift sei demnach nicht nur gefährlich für Nawalny, sondern auch für die Umgebung, weshalb das Tragen von Schutzanzügen angewiesen worden sei, sagte er. Nawalnys Team veröffentlichte den Auftritt Schdanows und der Frau des Politikers als Video. Ärzte der Klinik teilten am Freitagmorgen mit, dass sich der Zustand von Nawalny verbessert habe.
Wegen der laufenden Ermittlungen sei nicht mitgeteilt worden, um welchen Stoff es sich handele, sagte Schdanow. Unklar war, wo die Polizei das Mittel gefunden habe. Aber ein Polizist habe es dem Chefarzt auf seinem Mobiltelefon gezeigt.
Sicherheitsbedenken
Nawalny wurde künstlich beatmet. Seine Sprecherin begründete eine Verlegung mit der nicht ausreichenden Ausstattung der Klinik und machte Sicherheitsbedenken geltend. Unklar war zunächst aber, wann Nawalny überhaupt transportfähig ist. Die Stadt Omsk liegt etwa 3'700 Kilometer von Berlin entfernt.
Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel angeboten, dass der 44-Jährige auch in deutschen Krankenhäusern behandelt werden könnte. «Was jetzt ganz, ganz wichtig ist, ist, dass dringend aufgeklärt wird», sagte sei bei einem Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
Vor zwei Jahren war bereits der Aktivist Pjotr Wersilow, Mitglied der russischen Polit-Punk-Gruppe Pussy Riot, aus Moskau zur Behandlung nach Berlin geholt worden. Wersilow verdächtigte den russischen Geheimdienst, ihn vergiftet zu haben. Pussy Riot ist mit Aktionen gegen Justizwillkür und Korruption international bekannt.
Kreml signalisiert Unterstützung
Der Kreml hatte im Fall einer Verlegung von Nawalny ins Ausland bereits Unterstützung zugesichert und erklärt, es werde Untersuchungen durch die Polizei geben, sollte sich der Verdacht auf eine Vergiftung bestätigen. Nawalny war zuvor in Sibirien zu Recherchen unterwegs.
Nach Angaben seiner Sprecherin ging es dem Kremlkritiker vor dem Abflug nach Moskau noch gut. Am Flughafen in Tomsk habe er noch eine Tasse schwarzen Tee getrunken. Während des Flugs habe er sich dann unwohl gefühlt und noch an Bord das Bewusstsein verloren. Das Flugzeug landete ausserplanmässig in Omsk. Nawalny kam dort ins Krankenhaus.
Nawalny ist der führende Kopf der liberalen Opposition. Er hat auch viele Feinde im Machtapparat. Der studierte Jurist wirft der Regierung und Oligarchen regelmässig Korruption und Machtmissbrauch vor. Auf den prominenten Kämpfer gegen Korruption hatte es in der Vergangenheit mehrfach Anschläge gegeben. Vor einem Jahr musste er während seiner Haftstrafe in einem Krankenhaus angeblich wegen eines Allergieschocks behandelt werden. Nawalny betonte damals, dass er vergiftet worden sein könnte.
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