Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat angesichts der ständigen russischen Raketen- und Drohnenangriffe auf Kiew erneut Probleme mit den Schutzbunkern in der Hauptstadt beklagt. Bürger beschwerten sich darüber, dass es zu wenige Bunker gebe und einige obendrein verschlossen seien, kritisierte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft am Freitag. In einigen Stadtteilen gebe es keinerlei Notunterkünfte. In den vergangenen Nächten war in der Ukraine immer wieder Luftalarm ausgelöst worden.
Keystone-SDA
03.06.2023, 05:52
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«Dieses Ausmass an Nachlässigkeit in der Stadt kann nicht durch irgendwelche Rechtfertigungen gedeckt werden», sagte Selenskyj. Er wies die Regierung an, sich um eine Besserung der Lage zu kümmern. Nach allem, was zuvor passiert sei in Kiew, sei dieser Zustand untragbar. Am Donnerstag hatten einige Menschen in der Hauptstadt bei nächtlichem Luftalarm vor einem verschlossenen Schutzbunker gestanden, drei von ihnen starben durch die russischen Angriffe, darunter ein neun Jahr altes Kind.
Selenskyj hatte da bereits gefordert, dass eine ausreichende Zahl an Bunkern überall zugänglich sein müsse. Es sei die Pflicht der Kommunen, dafür zu sorgen, dass die Schutzräume rund um die Uhr geöffnet seien. In Kiew hatte Bürgermeister Vitali Klitschko die Öffnung der Bunker sowie Kontrollen nach der Panne am Donnerstag angeordnet. Laut Selenskyj gab es aber neue Probleme.
Wagner-Chef: Truppen zu 99 Prozent aus Bachmut abgezogen
Die russische Privatarmee Wagner hat nach Angaben ihres Chefs Jewgeni Prigoschin ihren angekündigten Abzug aus der eroberten ostukrainischen Stadt Bachmut fast abgeschlossen. 99 Prozent der Einheiten hätten die Stadt verlassen, teilte Prigoschin am Freitagabend mit. «Alle Positionen sind in der entsprechenden Ordnung dem (russischen) Verteidigungsministerium übergeben worden.» Es habe auch keine «Provokationen» mehr seitens der ukrainischen Streitkräfte gegeben, sagte Prigoschin.
Zugleich warf er dem russischen Verteidigungsministerium vor, den Rückzugsweg, den die Wagner-Truppen benutzten, vermint zu haben. Das sei eine «Überraschung» gewesen. Der Wagner-Chef hat dem Ministerium in Moskau immer wieder vorgeworfen, die Arbeit der Privatarmee faktisch zu sabotieren. In der Regel ignoriert das Ministerium aber die Anschuldigungen Prigoschins.
Um Bachmut wurde monatelang erbittert und verlustreich gekämpft. In der Schlacht um die inzwischen völlig zerstörte Stadt, die einst 70 000 Einwohner zählte, traten zudem in den vergangenen Wochen heftige Machtkämpfe innerhalb der russischen Militärführung zutage. So warf Prigoschin Verteidigungsminister Sergej Schoigu immer wieder vor, seine Wagner-Kämpfer nicht ausreichend mit Munition zu versorgen.
Russische Behörden melden Tote in Grenzregion Belgorod nach Beschuss
In der russischen Grenzregion Belgorod wurden bei massivem Beschuss von ukrainischer Seite nach Behördenangaben zwei Menschen getötet und sechs weitere verletzt. Nahe der Grenzstadt Waluiki seien in einem Dorf schwere Geschosse auf einem Privatgrundstück eingeschlagen, teilte Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow am Freitagabend mit. Unter den Verletzten seien zwei Kinder. Er veröffentlichte zudem ein Foto von einem brennenden Grundstück. Gladkow sprach von einer unsicheren Lage in der Region durch den seit Tagen andauernden Beschuss. Die Angaben beider Kriegsparteien sind in der Regel kaum zu überprüfen.
Besonders betroffen von dem Artilleriefeuer war die Grenzstadt Schebekino, aus der viele Menschen flohen. Es sei weiter nicht sicher, dorthin zurückzukehren, sagte Gladkow. Die Region steht besonders seit Montag vergangener Woche schwer unter Beschuss. Das russische Verteidigungsministerium hatte mitgeteilt, dort seien bereits mehr als 120 ukrainische «Terroristen» und «Saboteure» «vernichtet» worden. Die Ukraine hat eine direkte Verantwortung für die Angriffe zurückgewiesen. Russland greift das Nachbarland auch von Belgorod aus seit mehr als 15 Monaten an.
Drohnenattacken und Explosionen waren zuvor auch aus den Regionen Kursk, Brjansk und Smolensk gemeldet worden. Die vermehrten Angriffe auf russisches Staatsgebiet könnten der Vorbereitung der seit längerem erwarteten ukrainischen Offensive dienen. Die Attacken könnten Militärexperten zufolge dazu führen, dass die russischen Streitkräfte gezwungen sind, aus der Ukraine Soldaten abzuziehen, um die Sicherheit im eigenen Land zu gewährleisten.
IAEA: AKW Saporischschja seit drei Monaten ohne Notstromleitung
Unterdessen beklagt die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) weiter eine unsichere Lage um das von Russland besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja. Das grösste Kernkraftwerk Europas sei inzwischen seit drei Monaten ohne externe Notstromversorgung. Das mache das AKW extrem anfällig für den Fall, dass die einzige funktionierende Hauptstromleitung erneut ausfalle, hiess es in einer Mitteilung der Behörde am Freitag. Die in Wien ansässige IAEA ist besorgt, dass ein Ausfall der Kühlsysteme zur Überhitzung der Brennstäbe und des Atommülls und damit zu einer nuklearen Katastrophe führen könnte.
In der Mitteilung hiess es weiter, vergangene Woche habe das IAEA-Team vor Ort berichtet, es habe zwei Landminenexplosionen direkt vor dem AKW-Gelände gehört. Dies verdeutliche erneut die angespannte Situation in der Region, wo intensiv über bevorstehende Militäraktionen spekuliert wird. Seit längerem wird über eine ukrainische Gegenoffensive in der Südukraine gemutmasst, die auch eine Rückeroberung des Atomkraftwerks vorsieht.
IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi kündigte an, dass er das AKW bald selbst besuchen werde. «Es ist wichtig, die Entwicklungen seit meinem letzten Besuch Ende März zu beurteilen», sagte Grossi.
Was heute wichtig wird
In der russischen Region Belgorod kämpfen Sicherheitskräfte weiter gegen die schweren Angriffe von ukrainischer Seite. Im Osten der Ukraine setzen sich die Gefechte zwischen den Truppen Moskaus und Kiews fort.
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