G20-Gipfel Kronprinz Salman: Kumpelhafte Begrüssung durch Putin

dpa

30.11.2018

Angela Merkel fehlt erstmal  beim G20-Gipfel dominiert zum Start ein sehr umstrittener Gast die Runde. Es ist ausnahmsweise nicht Donald Trump. Saudi-Arabiens Kronprinz Salman will die Bühne zur Imagekorrektur nutzen. Und bekommt Hilfe von Wladimir Putin.

Das grösste Interesse zu Beginn des Treffens der G20-Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Wirtschaftsnationen erregte einer, der weder Staats- noch Regierungschef ist. Als Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman in den Saal des Konferenzzentrums in Argentiniens Metropole schritt, ging ein Raunen durch die Schar der Beobachter.

Einer, an dessen Händen mutmasslich Blut klebt, auf der Weltbühne? Im Raum steht der Vorwurf, dass der Befehl zur Tötung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul von ganz oben kam. Der Kronprinz steuerte in Buenos Aires direkt auf den russischen Staatschef Wladimir Putin zu. Ein demonstrativ kumpelhafter Handschlag, ein Lächeln, intensiver Small-Talk. Eine Szene, die fast mehr über den Zustand der Welt sagt, als viele Worte.

Als wollten die beiden der Welt zeigen, dass es für sie Wichtigeres gibt als eine Diskussion um Moral und Werteverständnis im internationalen Umgang. Ist das G20-Format, die einstige Bastion des Multilateralismus, zur Bühne für Staatenlenker mit fragwürdiger Legitimierung geworden?

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (links) und Russlands Staatschef Wladimir Putin wirkten sehr vertraut beim G20-Gipfel.
Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (links) und Russlands Staatschef Wladimir Putin wirkten sehr vertraut beim G20-Gipfel.
Bild: Keystone/AP Photo/Natacha Pisarenko

Trump in der Nebenrolle

Mit Salman und Putin trafen sich die derzeit wohl umstrittensten, wenngleich neben US-Präsident Donald Trump zwei der wichtigsten Staatenlenker im Kreise der G20. Trump ist innenpolitisch erneut stark unter Beschuss gekommen und liess ein Treffen mit Putin beim G20-Gipfel sausen – offiziell wegen Russlands Verschärfung der Ukraine-Krise. Öffentlich spielte er zum Auftakt des Treffens - gewollt oder ungewollt - ausnahmsweise nur eine Nebenrolle.

Seinen grossen Auftritt plant Trump für Samstag, wenn der Gipfel eigentlich schon vorbei ist. Aus US-Kreisen heisst es, ein Erfolg des Abendessens mit Chinas Staatschef Xi Jinping sei nicht unwahrscheinlich – wie immer Erfolg in einem laufenden Handelskrieg auch definiert sein mag.

Merkels Verspätung sorgt für Spott

Gar keine Rolle spielte zunächst einmal Bundeskanzlerin Angela Merkel – obwohl sie gerade beim dritten grossen Gipfelthema, dem neuen Ukraine-Russland-Konflikt als Krisenamangerin gefragt ist. Das Thema G20 scheint Merkel irgendwie kein Glück zu bringen: Erst der in Gewalt und Chaos versunkene Gipfel mit ihr als Gastgeberin in Hamburg, der der Welt vor Augen führte, dass die deutschen Behörden in Sachen Recht und Ordnung nicht alles im Griff haben.

Und nun schafft es die Kanzlerin des Hochtechnologielandes Deutschland nicht mit ihrem Regierungsflieger nach Buenos Aires – der Zwischenfall mit Elektronikausfall wurde mit Verwunderung bis Entsetzen zur Kenntnis genommen – und brachte so manchen Zeitplan durcheinander. Man will sich nicht ausmalen, wie Trump oder Putin das ihr gegenüber mit spöttischem Lächeln kommentieren – in Buenos Aires war schnell vom G19-Gipfel die Rede.

Während Merkel umplanen und nach Madrid fliegen musste und dort zum Iberia-Linienflug mit Hunderten anderen Fluggästen eincheckte, um zumindest bis zum Abenddinner da zu sein, kam Putin als letzter der anderen Staats- und Regierungschefs im südamerikanischen Frühling an.

Zeitplan durcheinander gewürfelt

Normalerweise nimmt sich der russische Präsident Putin das Privileg heraus, kurz vor knapp anzukommen. Er und Merkel nächtigen aber im selben Hotel, für Merkel wird nun der zweite Gipfeltag zum Speed-Dating, ein Treffen mit Putin, sowie mit dem indischen und dem australischen Regierungschef waren geplant. Und fieberhaft wurde dann auch noch ein am Freitag wegen der Panne verpasstes Treffen mit Trump in den Terminplan am Samstag reingequetscht – denn Trump denkt schon wieder über Strafzölle auch für europäische Autobauer an.

Gerade als Mittlerin im Ukraine-Russland-Konflikt fehlt Merkel natürlich. «Let's get Angela involved» hatte Donald Trump noch vor wenigen Tagen hilfesuchend gesagt – «lasst uns Angela (Merkel) ins Spiel bringen» – wohlwissend, dass die Kanzlerin 2014 schon einmal eine der wenigen war, die in der Ukraine-Frage überhaupt noch einen Draht zu Putin gefunden hatte.

Vertreten wurde Merkel im Kreis der Mächtigen zunächst von ihrem Wirtschaftsberater Lars-Hendrik Röller. Da der mit Merkel mitreisende Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) ebenfalls per Linie flog, musste auch dessen Finanz-Staatsekretär Wolfgang Schmidt Deutschland auf der ganz grossen Bühne vertreten. Statt Gespräche im Hintergrund zu führen, sass Röller fast auf Augenhöhe mit und zeitweise neben Trump. «Röller muss jetzt quasi Kanzler spielen», meinte ein Delegationsmitglied – und seine Chefin dann informieren.

Krise des Multilateralismus

Etwa ob der Handelskonflikt in Buenos Aires entschärft werden kann? Oder wo bewegt sich Putin? Und kann man sich zumindest auf den Kompromiss von Hamburg noch einigen, die Märkte offenzuhalten und Protektionismus zu bekämpfen? Merkel ist in grosser Sorge ob der tiefen Krise des Multilateralismus – wo viele zuerst an sich denken und immer öfter Gipfel im Streit und ohne Erklärungen enden.

Auf Begegnungen mit einem lächelnden Kronprinzen kann sie sicher momentan verzichten. Auch wenn im Umgang mit dem Saudi andere nicht so eine grosse Bühne wählten wie Putin: Aber auch für den Rest des Gremiums zählten im Umgang mit dem Kronprinzen Bauchschmerzen und Stirnzrunzeln in Buenos Aires erst einmal wenig. Zu wichtig ist Saudi-Arabien für die Lösung der Probleme im Nahen Osten. Vor allem die Amerikaner brauchen die Saudis als entscheidenden Pfeiler auf einer Achse mit Israel gegen den Iran – nicht nur politisch. Trump kämpft zu Hause gegen den Kongress, der den Kuschelkurs des Präsidenten nicht so einfach mitgehen will.

Öl als wichtiges Nebenthema

Trump setzt jedoch darauf, dass die Saudis als grösstes Opec-Land die Ölmenge ausgleichen, die dem Weltmarkt durch US-Sanktionen gegen den Iran verloren geht – und somit den Preis nicht nach oben gehen lassen. Das Thema Öl dürfte auch eine Rolle gespielt haben, als Indiens Premierminister Narendra Modi als erster aus dem G20-Kreis auf Salman zuging. Indien ist einer der grössten Abnehmer iranischen Öls und auf Zeit von den US-Sanktionen ausgenommen. Eine Lösung muss bald her, will das aufstrebende Riesenland Indien nicht in Versorgungsengpässe kommen – und Trump in Erklärungsnöte.

Auch Grossbritanniens Premierministerin Theresa May und Frankreichs Staatschefs Emmanuel Macron planten im Gegensatz zu Merkel Treffen mit Salman. Ähnlich wie die Amerikaner haben Franzosen und Briten massive Interessen an Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien - Merkel hat die deutschen Rüstungsexporte erstmal auf Eis legen lassen. Auch Gipfel-Gastgeber Mauricio Macri begrüsste den Gast aus dem Morgenland mit einem Lächeln – von «Isolation» konnte in Buenos Aires jedenfalls keine Rede sein.

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