Keine Regierung in Sicht Israel muss zum dritten Mal in einem Jahr wählen

dpa/tafi

11.12.2019

Beide hätten nach der Wahl am 17. September Regierungschef werden können: Aber weder dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu (links) noch seinem Herausforderer Benny Gantz gelang es, eine tragfähige Mehrheit zu finden.
Beide hätten nach der Wahl am 17. September Regierungschef werden können: Aber weder dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu (links) noch seinem Herausforderer Benny Gantz gelang es, eine tragfähige Mehrheit zu finden.
KEYSTONE/EPA/ABIR SULTAN

Was als undenkbar galt, scheint in Israel Realität zu werden: Um Mitternacht endet die letzte Möglichkeit für die Abgeordneten, eine Regierung zu bilden. Dann steht die nächste Wahl an – die dritte innert eines Jahres.

Kurz vor Ablauf einer letzten Frist zur Regierungsbildung in Israel ist weiter kein Ausweg aus der festgefahrenen Situation zu erkennen. Um Mitternacht (23 Uhr MEZ) löst sich das Parlament in Jerusalem automatisch auf – wenn es vorher nicht doch noch zu einer Einigung für eine Koalition kommt. Ohne Einigung steht Israel die dritte Wahl in weniger als einem Jahr bevor, nach derzeitigem Stand am 2. März 2020.

Darauf hatte sich das Parlament bereits geeinigt. 50 Abgeordnete hätten in einer Vorabstimmung dafür gestimmt, es habe keine Gegenstimmen und keine Enthaltungen gegeben, teilte die Knesset (Parlament) in Jerusalem am Mittwoch mit. Parlamentspräsident Juli Edelstein sagte, man werde am Mittwoch ein Gesetz über eine vorgezogene Wahl für diesen Termin erlassen, sollte es bis dahin keine Einigung geben.



Schon zweimal wurde in diesem Jahr in Israel ein neues Parlament gewählt, wegen einer Pattsituation zwischen dem rechts-religiösen und dem Mitte-Links-Lager gelang jedoch keine Regierungsbildung. Bemühungen um die Bildung einer grossen Koalition zwischen Blau-Weiss und dem rechtskonservativen Likud des bisherigen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu sind nach der Wahl am 17. September ebenfalls gescheitert.

Erneutes Patt wahrscheinlich

Netanjahu war es auch nach der vorangegangenen Wahl im April nicht gelungen, eine Koalition zu formen. Er ist seit 2009 durchgängig im Amt.
Jüngste Meinungsumfragen sehen allerdings auch bei einer dritten Wahl ein ähnliches Ergebnis wie zuvor. Nach einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage der Nachrichtenseite Walla käme Blau-Weiss auf 35 Mandate, der Likud auf 33. Das Mitte-Links-Lager könnte demnach mit 57 Sitzen und das rechts-religiöse Lager mit 55 Sitzen rechnen – damit gäbe es wieder eine Pattsituation. Liebermans Beitenu bliebe mit acht Mandaten das Zünglein an der Waage.

Der Regierungschef bestand nach der Wahl im September darauf, mit einem ganzen Block rechter und religiöser Parteien in das Bündnis einzutreten. Sein Herausforderer Benny Gantz hatte sich zur Bildung einer liberalen, säkularen Koalition verpflichtet und lehnte auch ein Bündnis mit Netanjahu als Regierungschef wegen der Korruptionsvorwürfe ab.

Blau-Weiss war zwar mit 33 von 120 Mandaten als stärkste Kraft aus der Wahl hervorgegangen. Der Likud kam auf 32 Mandate. Netanjahu erhielt allerdings 55 Empfehlungen von Abgeordneten für das Amt des Ministerpräsidenten, Gantz eine Stimme weniger. Avigdor Lieberman von der ultrarechten Partei Israel Beitenu galt als Königsmacher. Er machte sich für eine grosse Koalition von Netanjahus Likud und Blau-Weiss stark.

Netanjahu unter Druck

Netanjahu steht aktuell massiv unter Druck, weil Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit ihn wegen Korruption anklagen will. Bei den Vorwürfen geht es um den Verdacht der Beeinflussung von Medien, angebliche krumme Deals mit Unternehmen und Luxusgeschenke befreundeter Geschäftsleute im Gegenzug für politische Gefälligkeiten. Netanjahu hat noch bis zum 1. Januar Zeit, beim Parlament Immunität gegen Strafverfolgung zu beantragen.

Seine Likud-Partei wird zudem am 26. Dezember einen neuen Vorsitzenden wählen, wie die Partei am Mittwoch bestätigte. Der 70 Jahre alte Netanjahu will bei der Wahl trotz einer Korruptionsanklage wieder antreten. Netanjahus einflussreicher Rivale, Ex-Erziehungsminister und -Innenminister Gideon Saar, will ebenfalls den Parteivorsitz übernehmen und Ministerpräsident werden.

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