Beirut ein Jahr nach der Explosion«Wir haben keine Regierung»
Von Gil Bieler
3.8.2021
Tote und Verletzte nach schwerer Explosion in Beirut
Beirut, ein Jahr nach der Katastrophe: Die Aufräumarbeiten im Hafen kommen nur schleppend voran. Für die Opfer der verheerenden Explosion ist ein Mahnmal errichtet worden.
Bild: EPA/Wael Hamzeh
Eine immense Explosion erschüttert am 4. August 2020 die libanesische Hauptstadt. Mehr als 190 Menschen verlieren ihr Leben.
Bild: Keystone/dpa
Grosse Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat, die im Hafen gelagert waren, hatten sich entzündet.
Bild: Keystone/dpa
Augenzeugen berichten von einer orangefarbenen Wolke über dem Hafen, wie sie nach der Verpuffung von Nitraten häufig auftritt.
Bild: Getty Images
In den Wohnvierteln nahe des Hafens taumeln verletzte Menschen durch die Strassen. Umgeworfene Autos und Trümmer versperren den Weg.
Bild: Keystone/dpa
«Beirut hat noch nie derartige Zerstörung gesehen, nicht einmal im Bürgerkrieg war es jemals so schlimm», sagt ein Einwohner im Gespräch mit «blue News». Er blieb zum Glück unverletzt.
Bild: Keystone/dpa
Auch die Schweizer Botschaft in Beirut wird durch die Wucht der Detonation schwer beschädigt. Die Schweizer Botschafterin erleidet dabei leichte Verletzungen.
Bild: Aussendepartement EDA
Fenster und Türen sind auch in mehreren Kilometern Entfernung herausgerissen.
Bild: Keystone/dpa
Stunden nach der Explosion rasen Krankenwagen aus dem ganzen Land in die Hauptstadt und transportierten Verletzte ab.
Bild: Keystone/dpa
Rund 6000 Personen werden verletzt, die Spitäler stossen an ihre Kapazitätsgrenzen.
Bild: Keystone/dpa
Ärzte bitten die Bevölkerung um Blutspenden und Generatoren für Strom.
Bild: Keystone/dpa
Die Detonation ist sogar im 200 Kilometer entfernten Zypern zu hören und zu spüren.
Bild: Keystone/dpa
Der Gouverneur von Beirut, Marwan Abbud, bricht am Ort des Geschehens in Tränen aus. «Beirut ist eine verwüstete Stadt», sagt er.
Bild: Keystone/dpa
Die politische Aufarbeitung der Tragödie kommt kaum voran. Auch ein Jahr später warten Angehörige der Opfer auf Antworten, etwa zur Frage, wer verantwortlich ist. Im Juli 2021 demonstrieren Hinterbliebene in Beirut gegen die Regierung.
Bild: AP Photo/Bilal Hussein
Der frühere Ministerpräsdient Najib Mikati (Mitte) wird am 26. Juli 2021 mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Zwei Vorgänger sind an dieser Aufgabe gescheitert.
Bild: EPA/Wael Hamzeh
Die Zerstörung des wichtigsten Hafens trifft den Libanon zu einem Zeitpunkt, als das Land ohnehin schon in einer schweren Wirtschaftskreise steckt.
Bild: Keystone/dpa
Tote und Verletzte nach schwerer Explosion in Beirut
Beirut, ein Jahr nach der Katastrophe: Die Aufräumarbeiten im Hafen kommen nur schleppend voran. Für die Opfer der verheerenden Explosion ist ein Mahnmal errichtet worden.
Bild: EPA/Wael Hamzeh
Eine immense Explosion erschüttert am 4. August 2020 die libanesische Hauptstadt. Mehr als 190 Menschen verlieren ihr Leben.
Bild: Keystone/dpa
Grosse Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat, die im Hafen gelagert waren, hatten sich entzündet.
Bild: Keystone/dpa
Augenzeugen berichten von einer orangefarbenen Wolke über dem Hafen, wie sie nach der Verpuffung von Nitraten häufig auftritt.
Bild: Getty Images
In den Wohnvierteln nahe des Hafens taumeln verletzte Menschen durch die Strassen. Umgeworfene Autos und Trümmer versperren den Weg.
Bild: Keystone/dpa
«Beirut hat noch nie derartige Zerstörung gesehen, nicht einmal im Bürgerkrieg war es jemals so schlimm», sagt ein Einwohner im Gespräch mit «blue News». Er blieb zum Glück unverletzt.
Bild: Keystone/dpa
Auch die Schweizer Botschaft in Beirut wird durch die Wucht der Detonation schwer beschädigt. Die Schweizer Botschafterin erleidet dabei leichte Verletzungen.
Bild: Aussendepartement EDA
Fenster und Türen sind auch in mehreren Kilometern Entfernung herausgerissen.
Bild: Keystone/dpa
Stunden nach der Explosion rasen Krankenwagen aus dem ganzen Land in die Hauptstadt und transportierten Verletzte ab.
Bild: Keystone/dpa
Rund 6000 Personen werden verletzt, die Spitäler stossen an ihre Kapazitätsgrenzen.
Bild: Keystone/dpa
Ärzte bitten die Bevölkerung um Blutspenden und Generatoren für Strom.
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Die Detonation ist sogar im 200 Kilometer entfernten Zypern zu hören und zu spüren.
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Der Gouverneur von Beirut, Marwan Abbud, bricht am Ort des Geschehens in Tränen aus. «Beirut ist eine verwüstete Stadt», sagt er.
Bild: Keystone/dpa
Die politische Aufarbeitung der Tragödie kommt kaum voran. Auch ein Jahr später warten Angehörige der Opfer auf Antworten, etwa zur Frage, wer verantwortlich ist. Im Juli 2021 demonstrieren Hinterbliebene in Beirut gegen die Regierung.
Bild: AP Photo/Bilal Hussein
Der frühere Ministerpräsdient Najib Mikati (Mitte) wird am 26. Juli 2021 mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Zwei Vorgänger sind an dieser Aufgabe gescheitert.
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Die Zerstörung des wichtigsten Hafens trifft den Libanon zu einem Zeitpunkt, als das Land ohnehin schon in einer schweren Wirtschaftskreise steckt.
Bild: Keystone/dpa
Wirtschaftskrise, Inflation, Versorgungsengpässe: Ein Jahr nach der vernichtenden Explosion im Hafen von Beirut ist die Not der Bevölkerung immer noch gross. Ein Hauptstädter berichtet vom Leben in der Dauerkrise.
Von Gil Bieler
3.8.2021
Gil Bieler
Michel Saad blieb unverletzt, als im Hafen von Beirut am 4. August 2020 tonnenweise Chemikalien explodierten. Trotzdem leidet er bis heute unter den Folgen der Katastrophe. Und zwar massiv. Seine Wohnung im Viertel Archrafieh nahe der Küste wurde zerstört, ebenso die Bar, die er betreibt.
«Ich habe noch nie derartige Zerstörung gesehen», schilderte er damals «blue News» seine ersten Eindrücke. Ein Jahr später kontaktieren wir ihn erneut, um nachzufragen, wie es ihm seither ergangen ist.
Beide Gebäude hat Michel wieder aufgebaut, die Bar konnte nach acht Monaten sogar wieder eröffnen. Es war jedoch alles andere als einfach – und ohne Unterstützung und private Verbindungen auch gar nicht möglich gewesen, sagt Michel. Vom Staat komme keinerlei Hilfe: «Wir haben keine Regierung», hält er fest.
Versagen der Machtelite
Der Libanon versank schon vor der Katastrophe vom 4. August 2020 in einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise, und seither hat sich nichts zum Besseren verändert. Die Weltbank spricht von einer der schlimmsten wirtschaftlichen Krisen seit 1850. Sie macht dafür das Versagen der politischen und wirtschaftlichen Elite des Mittelmeerlandes verantwortlich.
Der Staat ist pleite, die Wirtschaft liegt am Boden. Die Landeswährung, die libanesische Lira, implodiert geradewegs. «Zehn Millionen Lira waren früher einmal 6000 Dollar wert. Jetzt sind es noch 300 Dollar», berichtet Michel.
Die Folgen von alledem sind für Schweizer*innen nur schwer vorstellbar. Viele Produkte sind im Libanon kaum zu bekommen, oder wenn, dann nur zu extrem hohen Preisen. Etwa Barstühle, wie in Michels Fall. «Alle meine Ersparnisse sind aufgebraucht», sagt der Libanese und muss hörbar um Fassung ringen. «Ich starte bei null.»
Auch der Alltag der Libanesinnen und Libanesen ist von Mangel geprägt. «Wir haben kein Benzin, der Strom fällt dauernd aus, es gibt nicht einmal Medikamente gegen Kopfschmerzen», klagt Michel. Seine Mutter sei auf Medikamente angewiesen, die im Land nicht verfügbar seien. Er bestellt diese an die Adresse eines Bekannten in Dubai, der sie dann bei seinen Besuchen vorbeibringt.
Dass auch noch mitten in der Sommerhitze der Strom knapp wird, trifft die Leute ebenfalls hart: «Wir haben Temperaturen von bis zu 40 Grad. Ohne Klimaanlage können wir in der Nacht nicht schlafen», sagt Michel. Er klingt erschöpft.
Noch kein Ende in Sicht
Und die Krise ist noch lange nicht ausgestanden. Die Weltbank schreibt in einem Bericht, es sei «kein eindeutiger Wendepunkt am Horizont» zu erkennen. Michel sieht das ähnlich: Bis eine Lösung gefunden sei, werde es sicher mindestens noch zwei Jahre dauern, glaubt er. «Die Situation ist wirklich schlimm.»
Zum Ende des Gesprächs fleht er regelrecht: «Bitte, wir brauchen dringend Hilfe. Schreiben Sie das in Ihrem Artikel. Wir brauchen hier Hilfe. Ich brauche Hilfe!»
Glückskette hat 7,6 Millionen Franken für den Libanon gesammelt
Die Glückskette hat für Hilfsprojekte an die Opfer der Explosion im Hafen von Beirut vor einem Jahr bereits sechs Millionen Franken eingesetzt. Insgesamt hatte die Organisation 7,6 Millionen Franken Spendengelder erhalten. Direkt nach der Explosion hätten fünf Partnerorganisationen Nothilfe-Projekte lanciert, wie die Glückskette am Dienstag mitteilte. Sie verteilten Lebensmittel, Wasser und weitere lebensnotwendige Güter, versorgten Verletzte und nahmen Reparaturen an schwer beschädigten Häusern vor. In einer zweiten Phase haben die Partnerorganisationen laut der Mitteilung an der Wiederinstandstellung von Häusern, dem Wiederaufbau von Lebensgrundlagen, der Ernährungssicherheit sowie an Schutz und Bildung gearbeitet. Danach sei die Hilfe auf Haushalte, Familien und Einzelpersonen ausgeweitet worden, die sich in einer prekären Lage befanden. In den kommenden Monaten werde die verbleibenden Mittel weiteren Hilfsprojekten für die Bevölkerung zugesprochen. (sda)