Israel Netanjahus Likud ist stärkste Kraft bei Parlamentswahl

Agenturen

3.3.2020 - 03:25

Regierungschef Netanjahu am frühen Dienstagmorgen vor Anhängern in Tel Aviv.
Regierungschef Netanjahu am frühen Dienstagmorgen vor Anhängern in Tel Aviv.
Bild: Keystone/AP Photo/Oded Balilty

Nur zwei Wochen vor Beginn seines Korruptionsprozesses gelingt Israels Regierungschef Netanjahu laut Prognosen ein deutlicher Wahlerfolg. Der 70-Jährige feiert schon seinen «Riesensieg». Aber kann sein rechts-religiöses Lager diesmal eine Mehrheit sichern?

Die konservative Likud-Partei des Regierungschefs Benjamin Netanjahu ist bei Israels dritter Parlamentswahl binnen eines Jahres nach Prognosen stärkste Kraft geworden. Vor jubelnden Anhängern in Tel Aviv sprach der 70-Jährige in der Nacht zum Dienstag von einem «Riesensieg». Er werde nun «eine starke nationale Regierung einrichten, die gut für Israel ist», kündigte er an. Der Wahlerfolg des Likud kam nur zwei Wochen vor Beginn eines Korruptionsprozesses gegen Netanjahu.

Netanjahus Likud-Partei kam laut TV-Prognosen bei der Wahl am Montag auf 36 bis 37 Mandate. Das Mitte-Bündnis Blau-Weiss des Herausforderers Benny Gantz wurde mit 32 bis 34 Mandaten nur zweitstärkste Kraft. Netanjahus rechts-religiöses Lager kam nach drei TV-Prognosen auf 59 Sitze, das Mitte-Links-Lager erhielt 54 bis 55 Mandate. Für eine Regierungsmehrheit sind aber mindestens 61 von 120 Mandaten im Parlament notwendig.

Gantz äusserte sich bei einer Ansprache in Tel Aviv enttäuscht über den Wahlausgang, betonte aber, er wolle seinen politischen Weg fortsetzen.

Netanjahu kündigte in seiner Ansprache Friedensverträge mit «weiteren arabischen und muslimischen Staaten» an. Der seit 2009 amtierende Ministerpräsident bekräftige gleichzeitig Pläne zu Annexion israelischer Siedlungen im besetzten Westjordanland. Ausserdem werde er «die iranische Bedrohung beseitigen».



Dritte Wahl innert eines Jahres

Es war bereits die dritte Wahl innert eines Jahres. Nach Wahlen im April und September 2019 war aufgrund einer Pattsituation zwischen dem rechts-religiösen und dem Mitte-Links-Lager keine Regierungsbildung geglückt.

Das rechte Lager besteht aus Netanjahus Likud, dem Jamina-Parteienblock von Verteidigungsminister Naftali Bennett und den strengreligiösen Parteien. Die rechtsextreme Ozma Jehudit (Jüdische Kraft) scheiterte an der Sperrklausel von 3,25 Prozent.

Zum Mitte-Links-Lager wird neben Gantz' Bündnis Blau-Weiss, der linksliberalen Liste von Arbeitspartei, Merez und Gescher auch die Vereinigte Arabische Liste gezählt. Die arabischen Parteien kamen laut Prognosen auf 14 bis 15 Mandate. Allerdings gelten sie nicht als potenzielle Koalitionspartner.

Der ultrarechte Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman wurde auch bei dieser Wahl als Königsmacher gesehen. Seine Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) erhielt den Prognosen zufolge sechs bis sieben Mandate. Lieberman hatte Netanjahu nach einer Wahl im April vergangenen Jahres seine Unterstützung entzogen. Hintergrund ist ein Streit mit Netanjahus strengreligiösen Bündnispartnern über die Wehrpflicht auch für ultra-orthodoxe Männer.

Trotz Coronavirus relativ hohe Wahlbeteiligung

Trotz der Sorge vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus war die Wahlbeteiligung bis zum Abend relativ hoch. Nach Angaben des Zentralen Wahlkomitees lag die Wahlbeteiligung bei Schliessung der Wahllokale bei 71 Prozent. Dies sind 1,6 Prozentpunkte mehr als zur selben Zeit bei der vorherigen Wahl im September.

In mehreren Städten wurden besonders geschützte «Wahlzelte» für Israelis aufgestellt, die sich wegen des Coronavirus in häuslicher Quarantäne befinden. Das Gesundheitsministerium teilte mit, insgesamt seien mittlerweile zwölf Personen in Israel mit dem Virus infiziert. Mehr als 5600 Israelis befinden sich nach offiziellen Angaben in häuslicher Quarantäne. Todesfälle gab es bisher nicht.

Das amtliche Endergebnis wird voraussichtlich in rund einer Woche vorliegen. Präsident Reuven Rivlin hat danach eine Woche Zeit zu entscheiden, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt. Üblicherweise erhält den Auftrag der Vorsitzende der Fraktion mit den meisten Stimmen. Er hat dazu bis zu sechs Wochen Zeit. Mit der Bildung einer neuen Regierung wird daher frühestens im kommenden Monat gerechnet.

Rechnerisch möglich ist eine grosse Koalition von Likud und Blau-Weiss. Allerdings hatte Netanjahu im Wahlkampf betont, er strebe eine rechts-religiöse Koalition an. Gantz ist dagegen wegen der Korruptionsanklage nur zu einer grossen Koalition ohne Netanjahu als Regierungschef bereit.

Vorwurf wegen  Betrug, Untreue und Bestechlichkeit

Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Netanjahu Betrug und Untreue sowie Bestechlichkeit vor. Es geht dabei um den Verdacht der Beeinflussung von Medien, angeblich krumme Deals mit Unternehmen und Luxusgeschenke befreundeter Geschäftsleute im Gegenzug für politische Gefälligkeiten. Der Regierungschef hat alle Vorwürfe zurückgewiesen.

Netanjahu strebt die Annexion der israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland sowie des Jordantals an. Diesen Schritt zeigt der am 28. Januar veröffentlichte Nahost-Plan des US-Präsidenten Donald Trump auf. Der Plan sieht einen Palästinenserstaat vor, der allerdings mit harten Auflagen verbunden wäre. Von palästinensischer Seite ist das Vorhaben kategorisch zurückgewiesen worden.

Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat sprach mit Blick auf die ersten Prognosen von einem Sieg für die «Annexion». Die Siedlungspolitik Netanjahus habe gewonnen. Der Ministerpräsident hatte im Wahlkampf die rasche Annexion des strategisch wichtigen Jordantals sowie einer Reihe israelischer Siedlungen im Westjordanland versprochen. Zudem hatte er mehrere Siedlungsbauprojekte im Westjordanland und in Ost-Jerusalem angekündigt.

Netanjahus Herausforderer Gantz hatte erklärt, er werde sich nach der Wahl für eine Umsetzung des Trump-Plans «in Zusammenarbeit mit anderen Ländern in unserer Region» einsetzen.

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