Brexit London will Nachverhandlungen – Brüssel sagt kategorisch Nein

dpa/sda/sob

29.1.2019 - 23:31

In knapp zwei Monaten sollen die Briten die EU verlassen. Das Unterhaus in London sowie Premierministerin May setzen auf Nachverhandlungen des Brexit-Deals in letzter Minute. Im übrigen Europa beissen sie damit auf Granit.

Kein Ausweg aus der Brexit-Blockade in Sicht: Zwei Monate vor dem Brexit ist das Risiko eines ungeordneten EU-Austritts Grossbritanniens gestiegen. Das britische Parlament hat sich für Nachverhandlungen mit der EU zum Austrittsvertrag ausgesprochen. Die EU lehnte solche aber postwendend ab.

Dafür stellten die 27 bleibenden Länder eine Verschiebung des Brexit-Datums 29. März in Aussicht – was aber in London keine Mehrheit fand.

Das britische Unterhaus hatte sich in einer ganzen Serie von Abstimmungen mit jeweils knapper Mehrheit nur auf zwei Positionen einigen können: Es soll keinen ungeregelten Austritt geben – was indes nicht mehr als eine Willensbekundung war. Und Premierministerin Theresa May soll in Brüssel abermals über die von der EU verlangte Garantie einer offenen Grenze in Irland im Brexit-Deal verhandeln – mit dem Ziel, diesen sogenannten Backstop zu streichen und zu ersetzen.

Erfolg für May

Genau dafür hatte sich May eingesetzt, so dass sie das Ergebnis als Erfolg verbuchen konnte: «Es ist jetzt klar, dass es einen Weg zu einer tragfähigen und nachhaltigen Mehrheit dafür gibt, die EU mit einem Deal zu verlassen.»

Mit den Nachverhandlungen will sie den Widerstand einiger Konservativer Abgeordneter und der nordirischen DUP überwinden, die sie letztlich für eine Mehrheit zur Ratifizierung ihres mit der EU ausgehandelten Abkommens braucht. Bei einer ersten Abstimmung Mitte Januar war es vom Unterhaus mit überwältigender Mehrheit abgelehnt worden. Nun sollen genügend Abgeordnete umgestimmt werden.

EU hält an Abkommen fest

Die EU bekräftigte aber nur Minuten nach dem Londoner Votum am Dienstagabend ihre bisherige Haltung: Nachverhandlungen seien ausgeschlossen, insbesondere über die irische Frage. EU-Ratschef Donald Tusk: «Das Austrittsabkommen ist und bleibt der beste und der einzige Weg, einen geordneten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union sicherzustellen. Der Backstop ist Teil des Austrittsabkommens, und das Austrittsabkommen ist nicht für Nachverhandlungen offen.»

Das habe der EU-Gipfel im Dezember sehr klar beschlossen. Und diese Position sei jetzt noch einmal mit den 27 bleibenden Ländern abgestimmt worden, erklärte Tusks Sprecher.

Grenze als Knackpunkt

Der Backstop soll ausschliessen, dass es an der Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland Schlagbäume und Kontrollen gibt. Die EU besteht darauf, weil eine Teilung der irischen Insel ein Wiederaufflammen der Gewalt in der ehemaligen Bürgerkriegsregion provozieren könnte.

Der Backstop sieht vor, dass Grossbritannien so lange in der Zollunion mit der EU bleibt, bis eine andere Lösung gefunden ist, ausserdem sollen in Nordirland weiter einige Binnenmarktregeln gelten. Kritiker fürchten, diese Klausel könne Grossbritannien dauerhaft an die EU binden. Die DUP lehnt jeglichen Sonderstatus für Nordirland ab.

EU für Brexit-Verschiebung offen

Ein vorläufiger Ausweg könnte eine Verschiebung des Brexit-Datums 29. März sein – um einen ungeordneten Brexit mit dramatischen Folgen für die Wirtschaft, Millionen Bürger und Irland zu verhindern. Die EU zeigte sich dafür ausdrücklich offen. «Sollte es einen begründeten Antrag für eine Verlängerung geben, wären die EU27 bereit, ihn in Erwägung zu ziehen und darüber einstimmig zu entscheiden», so Tusk. Allerdings waren zuvor im Unterhaus gleich zwei Anträge gescheitert, die die Regierung zu einer Verschiebung des Brexits drängen oder zwingen wollten.

Ob die EU vielleicht doch noch von ihrer Weigerung gegen Nachverhandlungen abrücken könnte, ist unklar. Sie steht unter Druck, weil May wohl tatsächlich bei Änderung des Vertrags die Ratifizierung garantieren könnte. Die Alternative «No Deal» brächte das EU-Mitglied Irland in eine extrem schwierige Lage. Befürchtet wird bei einem Austritt ohne Vertrag eine harte Grenze – also genau das, was der Backstop verhindern soll.

In dem Bürgerkrieg kämpften pro-irische Katholiken unter Führung der Untergrundorganisation IRA gegen protestantische, pro-britische Loyalisten. Im Kern ging es darum, ob der zu Grossbritannien gehörende Nordteil Irlands mit der Republik im Süden vereinigt werden soll. In dem drei Jahrzehnte dauernden Konflikt, der 1998 mit dem Karfreitagsabkommen beendet wurde, starben mehr als 3600 Menschen.

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