USA und Russland um Entspannung bemüht Macron: Haben Beweis für Einsatz von Chemiewaffen in Syrien

DPA

12.4.2018

Chemiewaffen sind für Frankreichs Staatschef Macron eine «rote Linie» im syrischen Bürgerkrieg. Doch wann eine Entscheidung über angedrohte Militärschläge fällt, ist offen. Auch US-Präsident Trump hält sich bei diesem Aspekt neuerdings bedeckt.

Frankreich hat nach Angaben von Präsident Emmanuel Macron den Beweis für den Einsatz von Chemiewaffen durch die syrische Regierung. «Wir haben den Beweis, dass (...) Chemiewaffen verwendet wurden, zumindest Chlor, und dass sie vom Regime von Baschar al-Assad verwendet wurden», sagte Macron am Donnerstag in einem Interview des Senders TF1. Einen Zeitpunkt für eine Entscheidung über einen möglichen Militärschlag gegen das syrische Militär nannte er jedoch nicht. Auch US-Präsident Donald Trump schrieb auf Twitter, er habe niemals einen Zeitpunkt für einen Syrien-Angriff genannt: «Es könnte sehr bald sein oder überhaupt nicht so bald.»

Merkel schliesst Militäreinsatz aus

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schloss eine deutsche Beteiligung an einem Militärschlag aus. «Deutschland wird sich an eventuellen - es gibt ja keine Entscheidung, ich will das nochmal deutlich machen - militärischen Aktionen nicht beteiligen», sagte sie bei einem Besuch des dänischen Ministerpräsidenten Lars Løkke Rasmussen in Berlin.

Das russische Aussenministerium rief zur Besonnenheit auf. «Wir wollen keine Eskalation», sagte Sprecherin Maria Sacharowa. Sie bezeichnete die Vorwürfe des Westens gegen die syrische Regierung als falsch.

Bei einem am Samstag gemeldeten Giftgasangriff auf die von Rebellen kontrollierte Stadt Duma in Ost-Ghuta sollen nach unterschiedlichen Angaben zwischen 42 und 85 Menschen getötet worden sein. Die Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) will ein zehnköpfiges Expertenteam für eine Untersuchung nach Duma schicken.

Trump macht die Assad-Führung für den mutmasslichen Giftgaseinsatz verantwortlich. Er kündigte am Mittwoch einen Raketeneinsatz an. Syriens Schutzmacht Russland weist die Vorwürfe gegen Damaskus zurück. «Russland hat geschworen, alle Raketen abzuschiessen, die auf Syrien abgefeuert werden. Mach' Dich bereit, Russland, denn sie werden kommen (...)», schrieb Trump auf Twitter.

Trump rudert zurück

Später liess der Chef des Weissen Hauses seine Sprecherin zurückrudern. Einen Zeitplan gebe es nicht. Es gebe Gespräche mit den Verbündeten Israel, Saudi-Arabien, Frankreich und Grossbritannien. «Ich habe niemals gesagt, wann ein Angriff auf Syrien stattfinden würde», twitterte Trump am Morgen. «Es könnte sehr bald sein oder überhaupt nicht so bald.»

Führende US-Parlamentarier verlangten vor einem möglichen Militärangriff ein Mitspracherecht des US-Kongresses. «Ohne Autorisierung des Kongresses wäre jede militärische Handlung, die Präsident Trump in Syrien tätigt und die nicht Selbstverteidigung ist, illegal», sagte der demokratische Senator Tim Kaine.

Eine französische Beteiligung an einer Militäraktion gilt als wahrscheinlich, die britische Regierung wollte noch am Donnerstag darüber beraten. Als Option gelten gezielte Raketenangriffe auf ein Objekt oder mehrere ausgewählte Ziele. Heikel daran wäre, dass in Syrien stationierte russische Truppen getroffen werden könnten.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, die Gespräche zwischen Nato-Ländern über das weitere Vorgehen dauerten an. «Es ist wichtig, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden», sagte er.

Merkel kündigte Unterstützung für mögliche Aktionen der USA, Grossbritanniens und Frankreichs an, ohne konkret zu werden. «Wenn die ständigen Vertreter im UN-Sicherheitsrat über das diplomatische Mass hinaus Schritte einleiten sollten, dann sind wir in der Sache selbst unterstützend tätig», sagte sie. Es müsse alles getan werden, um zu zeigen, dass «dieser Einsatz von Chemiewaffen nicht akzeptabel ist».

Macron sagte zu einem möglichen Millitärschlag: «Wir müssen Entscheidungen treffen, zu gegebener Zeit, wenn wir das für am nützlichsten und wirksamsten halten.» Er wies auf die Abstimmung mit Trump hin: «Unsere Teams arbeiten sehr eng zusammen.» Zugleich versicherte Macron, dass Frankreich keinesfalls eine Eskalation zulassen werde «oder was auch immer, was die Stabilität der Region beschädigen könnte». Er hatte den tödlichen Einsatz von Chemiewaffen im Bürgerkriegsland Syrien bereits mehrfach als eine «rote Linie» bezeichnet.

Auch Johnson fordert Reaktion

Kurz vor Beratungen der britischen Regierung forderte Aussenminister Boris Johnson eine Reaktion auf den mutmasslichen Giftgaseinsatz. «Es ist sicher die Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs, dass das nicht ohne Konsequenzen und nicht ohne eine Antwort bleiben kann», sagte er bei einem Treffen mit Bundesaussenminister Heiko Maas auf einem Militärstützpunkt in der Nähe von Oxford vor Journalisten.

Maas bekräftigte, die westlichen Staaten müssten sich abstimmen und in diesen Fragen zusammenbleiben. Zuvor hatte er erklärt, die USA oder Frankreich hätten ihren Nato-Verbündeten Deutschland bisher nicht aufgefordert, sich an einem möglichen Militärschlag zu beteiligen. Er erwarte von den Bündnispartnern, dass sie Deutschland vor einem solchen Schritt konsultieren.

Die syrische Armee ist schon seit Tagen in voller Alarmbereitschaft und hatte sich am Mittwoch von weiteren Stützpunkten zurückgezogen. Bereits am Dienstag verliess die syrische Armee einige Militärbasen, um einer möglicherweise bevorstehenden Attacke der USA und von deren Verbündeten weniger Angriffsfläche zu bieten. Airlines änderten ihre Flugrouten in der Region.

Noch am Donnerstag wollte der UN-Sicherheitsrat in New York erneut zu einem Treffen hinter verschlossenen Türen zusammenkommen. Am Dienstag waren dort gleich drei Resolutionsentwürfe zu Untersuchungen des gemeldeten Giftgasangriffs an einem Veto entweder von russischer oder US-Seite gescheitert.

Die Situation in Duma war zunächst unklar. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte übergaben Kämpfer der islamistischen Miliz Dschaisch al-Islam ihre schweren Waffen russischen Kräften. Auf Regierungsgebäuden sei die syrische Flagge gehisst worden. In den vergangenen Tagen hatten Tausende Menschen die zuletzt von Rebellen gehaltene Stadt verlassen. Die Evakuierung Dumas war unter Beteiligung Russlands ausgehandelt worden.

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