Macron lenkt ein: In einer Fernsehansprache kündigte er die Anhebung des Mindestlohns und Entlastung für Rentner an. Damit will er die Protestierenden in Paris besänftigen.
Nach wochenlangen Protesten der «Gelbwesten» hat der französische Präsident Emmanuel Macron grössere Zugeständnisse angekündigt. So soll der Mindestlohn im kommenden Jahr um 100 Euro monatlich angehoben werden.
Damit erfüllte Macron eine der Hauptforderungen der Gewerkschaften. Zudem kündigte der Staatschef in einer mit Spannung erwarteten Fernsehansprache eine Entlastung für Rentner an, die über weniger als 2'000 Euro monatlich verfügen: Für sie werde 2019 die Erhöhung der Sozialabgaben ausgesetzt, sagte er. Auf Überstunden sollen zudem weder Steuern noch Sozialabgaben erhoben werden, kündigte Macron weiter an. Arbeitgeber sollten, wenn sie dazu in der Lage seien, ihren Beschäftigten eine Prämie zahlen.
Macron betonte, er übernehme für die aktuelle Krise einen «Teil der Verantwortung». Die Massnahmen betreffen laut Angaben des Fernsehsenders TF1 rund zwei Millionen Haushalte in Frankreich.
Präsident unter Druck
Nach erneuten gewaltigen Krawallen und Ausschreitungen der Protestbewegung der «Gelbwesten» am Wochenende stand der Präsident unter Zugzwang. Beobachtern zufolge handelt es sich um die bisher schwerste Krise seit Macrons Amtsantritt im Mai 2017.
Am Samstag waren wieder weit mehr als 100'000 Menschen auf die Strasse gegangen, davon mindestens 10'000 in der Hauptstadt, um für mehr Steuergerechtigkeit zu demonstrieren. Es war das vierte Wochenende in Folge, an dem die Bewegung der «Gelbwesten» in grossem Stil zu Protesten aufgerufen hatte.
Zugeständnisse kaum ausreichend
Macron hatte am Montagmorgen Spitzenvertreter aus Politik und Wirtschaft im Élyséepalast empfangen. Der Präsident wollte bei dem Treffen mit Vertretern der grossen Gewerkschaften, der Arbeitgeber sowie der Präsidenten der Nationalversammlung und des Senats Stimmen und Vorschläge hören, welche Antworten es auf die andauernden Proteste der «Gelbwesten» geben kann.
In der vergangenen Woche hatte Macron sich mit öffentlichen Auftritten auffällig zurückgehalten. Stattdessen schickte er Premierminister Édourad Philippe vor. Der Ruf nach Antworten des Präsidenten wurde unterdessen immer lauter.
Es ist bereits absehbar, dass die Zugeständnisse Macrons und der Mitte-Regierung von Premier Philippe nicht ausreichen werden. Die Forderungen der «Gelbwesten» sind mittlerweile noch weitgehender – sie fordern unter anderem mehr direkte Demokratie. Für kommenden Samstag gibt es bereits neue Aufrufe zu Protesten.
Negative Auswirkungen auf Wirtschaft
Milliardenschwere Steuer- und Abgabenerleichterungen dürften Frankreich teuer zu stehen kommen. Eigentlich hatten die Franzosen Europa versprochen, die Staatsfinanzen zu sanieren und die Maastrichter Defizitgrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung dauerhaft einzuhalten.
Frankreich droht nun, erneut die Drei-Prozent-Schwelle nicht einhalten zu können. Bisher sieht die Planung für 2019 ein Haushaltsdefizit von 2,8 Prozent der Wirtschaftsleistung vor. Erstmals seit 2007 lag Frankreich im Jahr 2017 mit einem Wert von 2,6 Prozent unter der Schwelle.
Am Montag halbierte die Banque de France die vorhergesagte Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts für das vierte Quartal. Diese liege nun nur noch bei 0,2 Prozent. Grund dafür seien Auswirkungen der Proteste der «Gelbwesten». «Im November hat die aktuelle Bewegung die industrielle Produktion in verschiedenen Sektoren beeinflusst», hiess es.
Attraktivität des Landes gemindert?
Wirtschaftsminister Bruno Le Maire warnte im französischen Sender RTL davor, dass die Proteste auch ausländische Investoren verschrecken könnten. «Ich sehe die Auswirkungen, die das auf Ausländer hat, offensichtlich ist das nicht gut für die Attraktivität unseres Landes», sagte der Minister. «Jetzt kommt es darauf an, dass wir diese Krise beenden und einfach Frieden und Harmonie zwischen den Franzosen finden können.»
Die Protestbewegung der «Gelbwesten» hatte sich Mitte November angesichts geplanter Steuererhöhungen auf Kraftstoffe formiert. Dieses Vorhaben hat die Mitte-Regierung wegen der wochenlangen Proteste mittlerweile auf Eis gelegt. Die Forderungen der Demonstranten reichten jedoch schnell viel weiter – von Steuersenkungen über mehr Kaufkraft bis zum Rücktritt Macrons.
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