Frankreich wählt «Macron traf Le Pen dort, wo es wehtat»

Von Lia Pescatore

21.4.2022

Macron vs Le Pen: Erstes und einziges TV-Duell

Macron vs Le Pen: Erstes und einziges TV-Duell

Diesen Sonntag wird in Frankreich über den zukünftigen Präsidenten oder die zukünftige Präsidentin entschieden. Die Kandidaten sind Emmanuel Macron und Marine Le Pen. Vier Tage vor der Stichwahl kam es zum ersten und einzigen TV-Duell.

21.04.2022

Das TV-Duell war für Emmanuel Macron und Marine Le Pen der letzte Formcheck vor der Stichwahl. SRF-Korrespondentin Alexandra Gubser über die Pointe des Abends, Königsmacher und die Auswirkungen des Kriegs. 

Von Lia Pescatore

21.4.2022

Aus dem TV-Duell vom Mittwochabend ist Emmanuel Macron knapp als Sieger herausgegangen. Geht der Präsident jetzt mit Rückenwind in die Stichwahl vom Sonntag?

Wohl kaum, das Duell wird lediglich die Tendenz bestätigen. Es gab ja keinen K.-o.-Sieg wie 2017, es war eher ein Abnützungskampf. Zwei von drei Franzosen sind der Meinung, dass Macron nach Punkten gewonnen hat. Doch an den Umfragewerten zur Wählergunst – derzeit 56 Prozent für Macron, 44 für Marine Le Pen – wird das kaum etwas ändern. Allenfalls im Prozentbereich nach dem Komma.

Marine Le Pen konnte im Vergleich zu 2017 aufholen. Was hat sie diesmal besser gemacht?

Alexandra Gubser
SRF/Oscar Alessio

Die Journalistin ist seit 2017, dem Jahr der letzten Präsidentschaftswahlen, als SRF-Korrespondentin in Frankreich tätig. Im Sommer wird sie als Korrespondentin nach Deutschland wechseln. 

Marine Le Pen hat ihre Hausaufgaben gemacht und sich minutiös vorbereitet. Man sah sie nicht mehr fahrig in ihren Dossiers herumwühlen wie 2017. Sie wirkte weniger aggressiv, reifer, kompetenter, was ja auch ihre Absicht war. Doch ihre Kritik am Amtsinhaber blieb meist vage, während Macron sie da traf, wo es wehtat.

Wird Le Pen ihre Nähe zu Russland zum Verhängnis?

Die Nähe hilft ihr sicher nicht. Macron hatte die Pointe des Abends: «Sie sprechen mit Ihrem Bankier, wenn Sie über Russland reden.» Eine Anspielung auf den Neun-Millionen-Euro-Kredit, den Marine Le Pen 2014 bei einer kremlnahen Bank aufgenommen und immer noch nicht zurückgezahlt hat. Auch dass sie gegen eine finanzielle Unterstützung der Ukraine im Februar stimmte, hat ihr Macron um die Ohren gehauen.

«Angesichts der realen Gefahr, dass eine Rechtsradikale in den Élysée-Palast einzieht, schlucken viele die Kröte und wählen Macron.»

Wie entscheidend ist die Linke für den Wahlsieg von Macron? 

Die 22 Prozent Wähler des linksradikalen Jean-Luc Mélenchon sind tatsächlich die Königsmacher. Sie wollen eigentlich keinen der beiden Finalisten wählen, doch angesichts der realen Gefahr, dass eine Rechtsradikale in den Élysée-Palast einzieht, schlucken viele die Kröte und wählen Macron.

Und wie versucht Macron die linken Wählenden zu gewinnen?

Der Amtsinhaber buhlt um ihre Unterstützung, indem er sein Programm ökologisch und sozial aufgehübscht hat, zum Beispiel durch einen schnelleren Ausstieg aus den fossilen Energien und eine weichere Anhebung des Rentenalters. Man geht heute davon aus, dass 40 Prozent der Mélenchon-Wähler für Macron, 20 Prozent für Marine Le Pen stimmen und 40 Prozent sich der Stimme enthalten werden oder leer einlegen.

Reicht es für einen lockeren Sieg?

Nein, locker wird da nichts, denn wir reden ja immer von hypothetischen Annahmen. Es wird eng und ein «demokratischer Unfall» kann nicht ausgeschlossen werden, auch wenn Macron den Abstand zu Le Pen etwas vergrössert hat.

Was würde es für Russland bedeuten, wenn Le Pen gewinnen würde?

Wladimir Putin würde sich zur Feier wohl einen Krimsekt genehmigen, denn er hätte dann eine Verbündete im Élysée-Palast. Eine, die wie er die NATO und die EU schwächen will.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

Emmanuel Macron (l.) und Marine Le Pen vor der TV-Debatte.
Emmanuel Macron (l.) und Marine Le Pen vor der TV-Debatte.
Ludovic Marin/Pool AFP/AP/dpa