Der «Pferdeflüsterer» Macron und Trump: Männerfreundschaft ohne greifbare Folgen

Sylvie Corbet, AP

2.9.2018

Enge Bande, zumindest bildlich: der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und US-Präsident Donald Trump bei einem Treffen in Washington im April dieses Jahres. (Archivbild)
Enge Bande, zumindest bildlich: der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und US-Präsident Donald Trump bei einem Treffen in Washington im April dieses Jahres. (Archivbild)
Andrew Harnik/AP/dpa

Lange hat der französische Präsident geglaubt, er könne im Sinne der Europäer auf seinen US-Kollegen einwirken. Allmählich scheint Macron aber zu der Einsicht zu gelangen, dass ihm kein Erfolg beschieden ist. Er richtet seinen Fokus nun auf Europa.

Mehr als ein Jahr lang hat der französische Präsident Emmanuel Macron seinen US-Kollegen Donald Trump umgarnt. Er war überzeugt davon, dass es ihm gelingen würde, Trump zu einem Meinungsumschwung in Bezug auf den Klimawandel, das Atomabkommen mit dem Iran und den Welthandel zu bewegen. In dieser Woche räumte der 40-Jährige nun ein, dass das nicht funktioniert habe. Stattdessen werde er seine Bemühungen jetzt auf europäische Partner konzentrieren, sagte Macron.

«Der Partner, mit dem Europa die Ordnung des Nachkriegsmultilateralismus aufgebaut hat, scheint dieser gemeinsamen Geschichte den Rücken zuzukehren», sagte Macron in seiner jährlichen Rede vor französischen Diplomaten. Erstmals seit seiner Wahl im Mai 2017 schien Macron damit die Hoffnung praktisch aufgegeben zu haben, den 72 Jahre alten US-Präsidenten beeinflussen zu können. Seine Berater hatten oft von «Überzeugungsarbeit» gesprochen.

Der Wendepunkt mag der kontroverse Nato-Gipfel vom Juli gewesen sein. Dabei griff Trump die Verbündeten erneut an, weil sie nach seinem Dafürhalten nicht genug Geld für die Verteidigung ausgeben. Wenige Tage später traf Macron mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau zusammen. Sein Büro erklärte, er wolle die Stimme Europas in Russland zu Gehör bringen.

Nur einen Monat vor dem Nato-Gipfel hatte Trump bereits die Gruppe der G7 bei ihrem Gipfel in Kanada vor den Kopf gestossen, indem er einer gemeinsamen Abschlusserklärung zum Thema Handel zunächst zustimmte, diese Zustimmung auf seinem Weiterflug nach Asien aber unvermittelt wieder zurückzog.

Das G7-Desaster in Kanada

Macron führte am Montag die Felder der US-Politik auf, bei denen er sich vergeblich um einen Meinungswandel Trumps bemühte: «Zweifel an der Nato, aggressiver und unilateraler Handel, der Rückzug vom Pariser (Klima-)Abkommen, der Ausstieg aus dem iranischen Atomabkommen.»

François Heisbourg, ein früherer Berater der französischen Regierung und Ratsvorsitzender des Internationalen Instituts für Strategische Studien in London, verweist auf eine «offensichtliche Änderung des Tons» seitens des französischen Präsidenten. Macron habe eingeräumt, dass, «da Freundschaft keine Sprache zu sein scheint, die funktioniert, er es anders anstellen wird». Dennoch bleibe Macron ein Mann des Dialogs, betonte Heisbourg.

Der «Pferdeflüsterer»

Er verglich ihn mit einem «Pferdeflüsterer» angesichts seines zumindest anfänglichen Erfolgs, Trump zum Lächeln zu bringen. Aus Macrons Sicht habe sich Trump weiteren wilden Pferden angeschlossen, so etwa Putin und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, sagte Heisbourg.

Die Männerfreundschaft zwischen beiden Präsidenten begann vor einem Jahr am französischen Nationalfeiertag im Juli. Damals genoss Trump als Ehrengast die Militärparade auf den Champs-Élysées so sehr, dass er anschliessend ins Auge fasste, etwas ähnliches in Washington einzuführen.

Im April dieses Jahres empfing Trump Macron als ersten Staatsgast seit seinem Amtsantritt im Januar 2017. Beide lobten einander überschwänglich, scherzten, gaben einander ein ums andere Mal die Hände und tauschten sogar Wangenküsse aus. Trotz ihrer tiefen Meinungsunterschiede bei fundamentalen Fragen schienen beide ein Interesse daran zu haben, ihren guten Draht zueinander nicht abkühlen zu lassen.

Die Pressesprecherin des Weissen Hauses, Sarah Huckabee Sanders, sagte am Dienstag, beide Staatschefs tauschten sich regelmässig zu einer «grossen Spanne globaler Herausforderungen» aus. Der Präsident freue sich auf eine weiterhin enge Zusammenarbeit mit Macron, «um unsere gemeinsamen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen voranzubringen».

Zuletzt telefonierten beide am 11. August. Themen waren da Syrien, der Iran, der Nahen Osten und Handelsfragen. Trump twitterte, er habe «ein sehr gutes Telefonat» mit Macron geführt. Dieser sprach am selben Tag auch mit Putin.

Nächstes Treffen am 11. November

Ein weiteres Treffen zwischen Macron und Trump ist für den 11. November in Paris zu den Feierlichkeiten zum Ende des Ersten Weltkriegs geplant. Trump hat sein Kommen zugesagt. Macron hofft, bei dieser Gelegenheit die globalen Handelsbeziehungen mit anderen geladenen Staats- und Regierungschefs erörtern zu können. «Ich glaube, wir sollten nicht der Hegemonie eines Einzelnen und der Spaltung aller nachgeben», sagte er in einer weiteren Spitze gegen Trumps Politik der Anhebung von Zöllen.

Unterdessen sucht Macron Unterstützung für seine Vorschläge einer enger verflochtenen Europäischen Union mit einer gemeinsamen Sicherheitsdoktrin und einem gemeinsamen Haushalt der Eurozone. In den vergangenen Tagen besuchte er Dänemark und Finnland. Kommende Woche will er Staats- und Regierungschefs aus Belgien, Luxemburg und den Niederlanden treffen. Anschliessend empfängt er Bundeskanzlerin Angela Merkel in Paris.

Macron will, dass Europa eine Führungsrolle weg von Isolationismus hin zu mehr Multilateralismus einnimmt, um globale Herausforderungen wie Migration und Klima- sowie digitalen Wandel anzugehen. «Die wahre Frage ist nicht so sehr, ob ich Donald Trump beim nächsten Gipfel am Arm fassen werde, sondern ob wir gemeinsam diesen Moment grosser Transformation in den Griff bekommen, den wir gerade durchmachen», sagte Macron in seiner Rede am Montag.

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