«Jetzt bestimme ich selbst» Mann wird 20 Jahre von seiner Stiefmutter missbraucht – nun spricht er zum ersten Mal

Samuel Walder

16.4.2025

Die Stiefmutter kam auf Kaution wieder frei.
Die Stiefmutter kam auf Kaution wieder frei.
-/Waterbury Police Department/AP/dpa

Der Mann aus der USA, der über 20 Jahre von seiner Stiefmutter missbraucht wurde, wendet sich erstmals mit einem Brief an die Öffentlichkeit.

Samuel Walder

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  • Ein 32-jähriger Mann aus Connecticut (USA), der über 20 Jahre von seiner Stiefmutter gefangen gehalten wurde, hat sich erstmals öffentlich als geäussert.
  • In einem Brief an die Medien zeigt «S» Dankbarkeit gegenüber Helfer*innen.
  • «S» legte im Februar 2025 absichtlich ein Feuer, um sich zu befreien; er wurde stark unterernährt in einem winzigen Raum gefunden.
  • Eine Spendenkampagne sammelte bereits über 270'000 Dollar für die Rehabilitation für «S». Seine Stiefmutter ist gegen eine Kaution von 300'000 Dollar wieder auf freiem Fuss.

Nach über zwei Jahrzehnten des Schweigens hat sich der 32-jährige Mann aus Connecticut, der von seiner Stiefmutter in einem kleinen Raum gefangen gehalten wurde, erstmals öffentlich geäussert. In einer schriftlichen Erklärung, die über die Organisation Survivors Say veröffentlicht wurde, identifiziert er sich als «S» und beschreibt sich als «Überlebender von mehr als 20 Jahren Gefangenschaft und häuslicher Gewalt».

In einem Brief wendet sich der Mann erstmals an die Medien: 

«Bitte nennt mich ‹S›. Das ist nicht der Name, den mir meine Eltern bei meiner Geburt gegeben haben. Ich wähle einen neuen Namen für mich und, indem ich die Kontrolle über mein Leben und meine Zukunft zurückgewinne, werde ich diesen verwenden. Mein Name ist meine Entscheidung, und es ist die erste von vielen Entscheidungen, die ich jetzt, da ich frei bin, für mich selbst treffen werde.»

«Ich habe mehr als 20 Jahre Gefangenschaft und Gewalt überlebt. Ich wurde in meinem Haus gefangen gehalten, seit ich im Alter von elf Jahren, als ich in der vierten Klasse war, festgehalten wurde, bis ich vor zwei Monaten, im Alter von 31 Jahren, als ich absichtlich das Feuer legte, das mir half, mich zu befreien.»

«An alle Fachleute im Gesundheitswesen, die mir geholfen und mich gepflegt haben, danke ich»

«S»

In seinem Brief an die Medien

«Ich melde mich heute zu Wort, um mein Leben zurückzuerobern und ein Mitspracherecht zu haben, wie meine Geschichte erzählt wird. Ich fühle mich viel besser und stärker als an dem Tag, an dem mich die Ersthelfer aus meinem Haus trugen. Ich bin unendlich dankbar für die Pflege, die ich seitdem erhalten habe. An alle Fachleute im Gesundheitswesen, die mir geholfen und mich gepflegt haben, danke ich. Zusätzlich zu all eurer Fürsorge schätze ich die Möglichkeit, meine allererste Geburtstagsparty zu feiern, anlässlich meines 32. Geburtstags.»

«Ich möchte auch den Ersthelfern, den Ermittlern der Strafverfolgungsbehörden und allen danken, die daran arbeiten, die Verantwortlichen für meinen Missbrauch zur Rechenschaft zu ziehen. Danke an alle bei Safe Haven Waterbury und an alle, die auf der GoFundMe-Seite gespendet haben, die mir helfen wird, einige der überwältigenden Kosten zu decken, die in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren auf mich zukommen werden.»

Die Befreiung nach 20 Jahren

Seine Befreiung erfolgte im Februar 2025, nachdem er absichtlich ein Feuer in dem Haus in Waterbury gelegt hatte, um auf seine missliche Lage aufmerksam zu machen. Die Feuerwehr fand ihn stark unterernährt – bei einer Körpergrösse von 1,75 Metern wog er nur 31 Kilogramm – und in einem gesundheitlich kritischen Zustand.

«S» schildert, dass er seit seinem elften Lebensjahr in einem 8-Quadratmeter-Raum mit schrägen Decken festgehalten wurde, ohne Heizung oder Klimaanlage. Er trank Wasser aus der Toilette, weil seine Stiefmutter ihm nur zwei Gläser Wasser gegeben hatte. In seiner Situation begann der Mann aus dem Abfall zu essen. Seine Zähne waren teilweise abgebrochen oder schon verfault. 

Die Polizei hat seine Stiefmutter, Kimberly Sullivan (56), wegen schwerer Körperverletzung, Entführung und Misshandlung angeklagt. Sie bestreitet die Vorwürfe und wurde gegen eine Kaution von 300'000 Dollar freigelassen.

270'000 Spenden für das Opfer

Durch eine Spendenaktion auf «GoFundMe» wurden für S bisher über 270'000 Dollar für seine Rehabilitation gesammelt.

Der Fall hat in den USA eine Debatte über die Aufsichtspflicht von Behörden ausgelöst. Obwohl Lehrer bereits 2005 Alarm schlugen, als «S» in der Schule auffällig unterernährt war, und das Department of Children and Families (DCF) eingeschaltet wurde, blieb der Junge nach zwei Hausbesuchen unbehelligt. Er wurde aus der Schule genommen und verschwand aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit.

«S» bittet um Privatsphäre und ruft die Öffentlichkeit dazu auf, die laufenden Ermittlungen zu respektieren. Er hofft, dass seine Geschichte anderen Betroffenen Mut macht, sich Hilfe zu suchen und ihre Stimme zu erheben.

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