Die EU gibt Grossbritannien mehr Zeit für den Brexit. Der EU-Austritt soll nun bis zum 31. Oktober geordnet über die Bühne gehen. Darauf einigten sich die 27 bleibenden EU-Länder und die britische Premierministerin Theresa May in der Nacht zum Donnerstag.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel begrüsste die Einigung, mit der der für Freitag befürchtete Chaos-Brexit noch einmal abgewendet werden konnte. Es sei «ein sehr intensiver, sehr guter Abend» gewesen, der die Einigkeit der EU gezeigt habe, sagte sie.
Über die Länge des Aufschubs war auf dem Gipfel heftig gestritten worden. Der französische Präsident Emmanuel Macron wandte sich gegen den Wunsch Merkels und anderer Länder, Grossbritannien noch deutlich länger Zeit zu geben. Am Ende stand das Kompromissdatum 31. Oktober.
May muss nun weiter versuchen, in London eine Mehrheit für ihren Brexit-Kurs zu finden. Sie will den EU-Austritt gar noch vor dem 22. Mai abschliessen, damit ihr Land nicht an der Europawahl teilnehmen muss. Dafür fehlt ihr jedoch die Mehrheit: «Ich mache mir nicht vor, dass die nächsten Wochen einfach werden», sagte sie im Anschluss an den EU-Sondergipfel.
Denn das britische Parlament hat den mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag bereits drei Mal abgelehnt. Vermittlungsgespräche mit dem Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, brachten bisher auch keine Lösung, sollten aber an diesem Donnerstag weitergehen.
Weitere Verlängerung möglich
Der ursprünglich für den 29. März geplante EU-Austritt des Vereinigten Königreichs war wegen der Uneinigkeit unter den Politikern auf den 12. April verschoben worden. Da das Unterhaus den Austrittsvertrag aber noch immer nicht gebilligt hat, drohte am Freitag erneut ein ungeregelter Brexit.
EU-Ratschef Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigten sich nach dem Sondergipfel zufrieden, dass dies verhindert wurde. Damit bekomme Grossbritannien noch einmal rund sechs Monate, um eine gute Lösung zu finden, sagte Tusk. Diese Zeit solle nun nicht verschwendet werden. Tusk schloss aber nicht aus, dass es eine weitere Verlängerung geben könnte.
Auch Merkel legte dies nahe. Auf den Tag komme es dabei nicht an, sagte sie. Macron hatte dagegen signalisiert, dass er schon jetzt fast am Ende der Geduld war. Er wollte nur eine kurze Frist und verlangte strikte Bedingungen für die Briten.
Europawahl als Hürde
Die entscheidende Hürde für den neuen Brexit-Termin war die Wahl des EU-Parlaments vom 23. bis 26. Mai. Die EU sah die Gefahr rechtlicher Probleme, wenn Grossbritannien EU-Mitglied sein sollte, aber keine Abgeordneten gewählt hat. Deshalb soll das Land sicherheitshalber einen Urnengang vorbereitet.
Sollte in London keine rechtzeitige Lösung gelingen, wird Grossbritannien Abgeordnete ins neue EU-Parlament schicken. Etliche EU-Politiker finden dies ungünstig, weil die Briten dann noch kurz vor ihrem Austritt wichtige Entscheidungen mitfällen könnten, etwa die Wahl des neuen EU-Kommissionschefs.
Die neue Brexit-Frist soll nun mit dem Mandat der jetzigen Kommission und ihres Präsidenten Juncker Ende Oktober enden. Zudem machte die EU zur Bedingung für die Brexit-Verschiebung, dass die britische Regierung keine wichtigen EU-Entscheidungen blockiert.
May wird nun die Gipfelergebnisse am Donnerstag in London vorstellen. Die Abgeordneten müssten aber nicht zustimmen, erklärte ein Sprecher.
Zweites Referendum gefordert
Nach der erneuten Brexit-Verschiebung wurden im Vereinigten Königreich die Rufe nach einem zweiten Referendum wieder laut. «Eine flexible Verlängerung bis zum 31. Oktober ist lang genug, um eine Volksabstimmung abzuhalten», sagte der Sprecher der britischen Liberaldemokraten, Tom Brake.
Ähnlich äusserte sich die neue «Unabhängige Gruppe» aus ehemaligen Labour- und Tory-Abgeordneten im Unterhaus. Mit einer Volksabstimmung könne «das ganze Debakel zu Ende gebracht werden», twitterte etwa der Abgeordnete Chris Leslie. Ansonsten müsse man mit einer langen Horrorgeschichte über den «Halloween-Brexit» rechnen.
Die Briten hatten im Juni 2016 mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der EU gestimmt. Nach Angaben der britischen Wahlkommission wären für ein zweites Brexit-Referendum mindestens vier, eher sechs Monate an Vorbereitungen notwendig. May lehnt ein zweites Referendum ab.
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