Pakistan kämpft noch immer «Mit der Flut stoppte unser Leben»

dpa/toko

1.9.2023 - 00:00

Eine Luftaufnahme von Khairpur Nathan Shah in Pakistan, das von den Fluten komplett überschwemmt wurde. Ein Jahr später kämpft Pakistan immer noch mit den Folgen der verheerenden Flutkatastrophe des vergangenen Sommers.
Eine Luftaufnahme von Khairpur Nathan Shah in Pakistan, das von den Fluten komplett überschwemmt wurde. Ein Jahr später kämpft Pakistan immer noch mit den Folgen der verheerenden Flutkatastrophe des vergangenen Sommers.
Ppi/PPI via ZUMA Press Wire/dpa (Archivbild)

Pakistan kämpft seit einem Jahr mit den Folgen der verheerenden Flutkatastrophe. Doch der Klimawandel macht keine Pause und bringt für viele Menschen in dem Land bereits neue Sorgen mit sich.

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  • Die Menschen in Pakistan haben noch immer mit den Folgen der verheerenden Überschwemmungen im vergangenen Jahr zu kämpfen.
  • 1700 Menschen verloren bei der Katastophe ihr Leben. 33 Millionen Menschen sind insgesamt von den Fluten betroffen.
  • Pakistan gehört zu den Ländern, die am meisten von der Klimakrise bedroht sind, hat aber selbst kaum zu den weltweiten Emissionen beigetragen, die dafür verantwortlich sind.

Was im Dorf Khumbri im Süden Pakistans einst ein Zuhause war, ist heute nur eine einsame Tür. Alles andere – Wände, Steine, Möbel – hat das Wasser mit sich gerissen. Ein Jahr ist es her, als die grosse Flut nach Khumbri kam und Gebäude, Ernten und Existenzen zerstörte. «In dem stehenden Wasser sind unsere vier Ziegen krank geworden und gestorben», erinnert sich Dhai, die mit ihrem Ehemann Kelash und den vier Kindern in dem Dorf wohnt. Auch ein neues Haus musste die Familie aus einfachen Mitteln errichten.

Die Region um das Dorf Khumbri in der Provinz Sindh ist umgeben von sattem Grün. Sie ist in Pakistan vor allem für ihre süssen und saftigen Mangos bekannt. Die Menschen hier sind grösstenteils auf die Landwirtschaft angewiesen, doch seit einigen Jahren wird das Leben für sie immer schwerer. Vor allem seit der Flutkatastrophe wissen viele nicht mehr, wie es für sie weitergehen soll.

Als Pakistan zwischen Juni und Oktober 2022 die verheerendsten Überschwemmungen seiner Geschichte erlebte, riss das Wasser Vieh, Häuser und Schulen mit sich. 1700 Menschen in dem südasiatischen Land verloren ihr Leben. Zwischenzeitlich stand ein Drittel des Landes unter Wasser. Weil viele Orte monatelang überschwemmt blieben, breiteten sich Krankheiten wie Cholera oder Malaria aus.

Die tiefsten Spuren hat das Wasser jedoch bei den Menschen selbst hinterlassen. «Mit der Flut stoppte unser Leben», sagt ein älterer Mann aus dem Dorf. Manche Bewohner betteln seit den Fluten, andere berichten von Familienmitgliedern, die psychische Probleme haben.

Wetter wird extremer

Die elfjährige Karishma, die monatelang durch das Wasser zur Schule waten musste, erzählt, dass sie heute Angst vor Regen hat – auch, weil es in letzter Zeit häufig so stark gehagelt habe. Das Wetter, so die Dorfbewohner, sei in den letzten Jahren deutlich extremer geworden, ob Hitze, Kälte oder Regen.

1,500 Kilometer weiter, im Nordwesten Pakistans, kämpfen die Menschen ebenfalls mit den Folgen der Überschwemmungen. Vor einem Jahr stand Shahzad Shakirs vor den Trümmern seines Hotels im malerischen Swat-Tal, einem beliebten Ferienort in Pakistan. Das Wasser habe seine Träume weggespült, erzählte er damals der Deutschen Presse-Agentur. Heute berichtet er, dass seine Frau ihn aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten verlassen habe. Sein Hotel sei immer noch nicht aufgebaut.

«Die Menschen nehmen den Klimawandel nicht ernst»

Shakir ist überzeugt, dass er ein Opfer des Klimawandels ist. Er will die Menschen in seiner Umgebung darüber aufklären und hat für diesen Zweck eine Gruppe namens Earthpreneur gegründet. «Die Menschen nehmen den Klimawandel nicht ernst, obwohl sie seine Auswirkungen gespürt haben», sagt der Mann.

Auch Experten warnen vor den Folgen des Klimawandels in dem südasiatischen Land. Nachdem Pakistan im vergangenen Frühjahr eine ungewöhnlich frühe Hitzewelle erlebte, kletterte das Thermometer dieses Jahr im Juni in einigen Städten auf Rekordhöhe.

Grosse Probleme für die Landwirtschaft

Pakistan gehört zu den Ländern, die am meisten von der Klimakrise bedroht sind, hat aber selbst kaum zu den weltweiten Emissionen beigetragen. Die ehemalige pakistanische Klimaschutzministerin Sherry Rehman nannte den Klimawandel eine «existenzielle Krise» für ihr Land.

Durch den Klimawandel steige die Wahrscheinlichkeit von Flutkatastrophen wie im vergangenen Jahr stark an, sagt Anja Katzenberger vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Die Region erlebe immer mehr saisonalen Niederschlag konzentriert auf weniger Tage, was zu extremeren Ereignissen führe. Vor allem werde das Wetter insgesamt schwerer vorhersehbar – das bringe grosse Probleme für die Landwirtschaft mit sich.

Laut der pakistanischen Expertin für nachhaltige Stadtentwicklung, Mome Saleem, wanderten wegen des Klimawandels immer mehr Bauern in die Städte ab. Gleichzeitig bedeute ein Ausbreiten der Städte, dass immer mehr landwirtschaftliche Fläche verloren ginge.

Mit den Wolken kommt die Angst

Katzenberger warnt mit Blick auf die steigende Anzahl von Hitzewellen in Pakistan jedoch gleichzeitig davor, dass einige Städte in Zukunft nicht mehr lebenswert sein könnten. Anpassungsmassnahmen für Städte und Landwirtschaft seien nötig, aber nur im begrenzten Umfang möglich.

Für die Bewohner in Khumbri bleibt nach eigenen Angaben nur, ebenfalls in die Städte zu gehen oder ihren Erntezyklus zu verändern. «Die Hilflosigkeit vor Wetterextremen hat zugenommen», betont Sawan Baloch von der Welthungerhilfe, auch wenn es inzwischen Training gebe, um die Menschen an die neuen Bedingungen anzupassen.

Früher, erinnern sich die Dorfbewohner, sei der Regen gut gewesen. Heute käme mit den Wolken die Angst. Angst um die Ernte, das Vieh und vor allem die Zukunft. Was den Klimawandel verursache, wüssten sie nicht, doch seine Auswirkungen würden sie spüren. «Früher konnten wir das Wetter voraussagen», erzählen sie. Heute sei es unberechenbar.