Nordkorea Mit Hackerangriffen dreistelligen Millionenbetrag ergaunert

AP

5.10.2018

Kim Jong Un auf einem Bild von 2014: Der nordkoreanische Diktator sorgt offenbar dafür, dass sein Land über illegale Wege mit Geld versorgt wird.
Kim Jong Un auf einem Bild von 2014: Der nordkoreanische Diktator sorgt offenbar dafür, dass sein Land über illegale Wege mit Geld versorgt wird.
Bild: KEYSTONE/AP KCNA via KNS

Von den internationalen Finanzströmen ist Nordkorea wegen der Sanktionen weitgehend abgeschnitten. Aber durch Cyberattacken hat das Land sich anscheinend ein Vermögen erschlichen.

Die Atom- und Raketentests haben zwar aufgehört, aber mit mutmasslichen Hackerangriffen macht Nordkorea weiter. Einige Beobachter sehen sogar eine Zunahme der Aktivitäten, mit denen die durch internationale Sanktionen eingeschränkte Regierung in Pjöngjang Geld und Informationen sammelt.

In dieser Woche schlug die US-Sicherheitsfirma FireEye Alarm: Eine nordkoreanische Hackergruppe habe seit 2014 hunderte Millionen Dollar mit ausgeklügelten und zerstörerischen Angriffen auf die Computersysteme von Banken gestohlen, meldete sie. Mindestens elf Länder seien betroffen.

Laut FireEye handelt es sich um «eine aktive globale Bedrohung», weil die Aktionen anhielten. Neben Nordkorea zählt die US-Regierung auch Russland, Iran und China zu jenen Nationen, die mit staatlich unterstützten Hackerangriffen zu den grössten Online-Gefahren für die Vereinigten Staaten gehören.

Im vergangenen Monat klagte das US-Justizministerium einen nordkoreanischen Hacker an, der an zahlreichen grossen Angriffen beteiligt gewesen sein soll. Dabei wurden allein 81 Millionen Dollar von der Zentralbank in Bangladesch erbeutet und mit dem «WannaCry»-Virus Teile des britischen Gesundheitssystems lahmgelegt.

Nordkorea weist die Vorwürfe zurück

Das Heimatschutzministerium warnte diese Woche vor der Malware des Cyber-Regierungsprogramms «Versteckte Kobra». Damit sei an Geldautomaten in Asien und Afrika ein zweistelliger Millionenbetrag an US-Dollar erschlichen worden. Allein bei einem Vorfall in diesem Jahr sei in 23 Ländern gleichzeitig Geld an Automaten abgehoben worden.

Nordkorea, wo der Grossteil der Menschen überhaupt keinen Internetzugang hat, weist die Vorwürfe zurück. Mit absoluter Sicherheit lassen sich solche Angriffe ohnehin so gut wie nie belegen. Aber es gibt Indizien wie die IP-Adressen der Rechner oder Charakteristika in der Programmierung der Schadsoftware.

Ungeachtet der leichten Entspannung zwischen Pjöngjang und Washington gehen die feindseligen Attacken online offenbar weiter, wie Experten sagen. Vor allem Finanzinstitute und Organisationen, die mit Crypto-Währungen wie Bitcoins zu tun haben, stehen demnach im Fokus.

«Die Wahrheit ist, dass sie dringend Geld brauchen und weiterhin versuchen, Einkünfte zu generieren, zumindest bis die Sanktionen gelockert werden», sagt Adam Meyers, Vizepräsident bei CrowdStrike, einem Unternehmen für Cybersicherheitstechnologie in Kalifornien. Pjöngjang fahre mehrgleisig: Es sammele Daten, verhandele und teste die Grenzen der internationalen Gemeinschaft aus. Auch in den vergangenen zwei Monaten habe man Hacker-Aktivitäten aus Nordkorea beobachtet – unter anderem auf Ziele in Südkorea und auf Mobilgeräte, die mit einem Linux-Betriebssystem arbeiten.

APT38 sollte 1,1 Milliarden Dollar stehlen

Diplomatisch hat sich der nordkoreanische Staatschef Kim Jong Un dagegen dem Westen zugewandt, die Hoffnungen auf Entspannung und womöglich gar eine Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel nährt. Konkrete Schritte zur Abkehr von seinem Atomwaffenarsenal hat er allerdings nicht eingeleitet. Deswegen haben die internationalen Sanktionen weiter Bestand.

FireEye hat den nordkoreanischen Hackern die Bezeichnung APT38 verpasst. Die Gruppe sei im Februar 2014 zum ersten Mal in Erscheinung getreten und habe danach ihre Aktivitäten ausgedehnt – zeitgleich zum wachsenden wirtschaftlichen Druck auf Pjöngjang durch die Sanktionen. Zunächst beschränkte man sich auf Südostasien, wo Nordkorea bereits Erfahrung mit Geldwäsche hatte, dann weitete man die Aktivitäten auf Lateinamerika und Afrika aus, schliesslich auf Nordamerika und Europa.

Nach Erhebungen von FireEye hat APT38 nachweislich versucht, rund 1,1 Milliarden US-Dollar zu stehlen – und Hunderte Millionen von US-Dollar tatsächlich auch ergaunert. Der grösste Coup waren die 81 Millionen Dollar von der Zentralbank in Bangladesch im Februar 2016. Das Geld wurde auf Konten mit gefälschten Identitäten auf den Philippinen überwiesen und dann abgehoben. Danach wurde das Geld mutmasslich in Spielkasinos gewaschen.

Soll das globale Finanzsystem manipuliert werden?

Die Washingtoner Denkfabrik Foundation for Defense of Democracies sieht in den Cyber-Fähigkeiten Nordkoreas ein alternatives Mittel, um die Feinde des Landes herauszufordern. Dabei könnte es nicht nur darum gehen, Geld für Kims Regierung aufzutreiben, sondern womöglich das gesamte globale Finanzsystem zu manipulieren.

Ähnlich sieht das Sandra Joyce, Leiterin der Abteilung Global Intelligence bei FireEye. APT38 sei zunächst eine kriminelle Operation. Aber sie verbessere die Fähigkeiten und die Technologie für staatlich gestützte Spionage-Kampagnen. So könnten mehrere Banken auf einen Schlag infiltriert werden und hohe Summen abgehoben werden. Im Schnitt niste sich die Schadsoftware 155 Tage lang in einem Banknetzwerk ein, um das System auszukundschaften. Wenn sie dann zuschlage, nutze sie aggressive Taktiken, um grossen Schaden anzurichten und ihre Spuren zu verwischen.

«Wir sehen das als dauerhafte Bemühung, vor, während und nach allen diplomatischen Anläufen der USA und der internationalen Gemeinschaft», sagt Joyce. Nordkorea lasse sich nicht abschrecken. Deswegen fordert sie die US-Regierung auf, Finanzinstitutionen genauer über das Vorgehen der Hackergruppe APT38 aufzuklären. Der Begriff APT scheint übrigens mehr als passend – er steht für Advanced Persistent Threat, was etwa «fortgeschrittene, anhaltende Bedrohung» heisst.

Bilder von Nordkoreas Widersprüchen
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