Italien nach der Wahl Kann Meloni überhaupt so lange regieren, um der EU zu schaden?

Von Andreas Fischer

26.9.2022

Klarer Sieg der Rechten bei Parlamentswahl in Italien

Klarer Sieg der Rechten bei Parlamentswahl in Italien

Giorgia Meloni und ihre Rechtsaussen-Partei Fratelli d'Italia (FDI) haben dem rechten Lager in Italien einen deutlichen Sieg beschert. Den Hochrechnungen zufolge erhielt die FDI bei der Parlamentswahl am Sonntag rund ein Viertel aller Stimmen und

26.09.2022

Die Rechtsradikale Giorgia Meloni Italien könnte mit absoluter Mehrheit regieren. Könnte, denn dafür müssten zwei unberechenbare Rivalen mitspielen. Für Europa sind das nicht die besten Aussichten.

Von Andreas Fischer

Sie verabscheut Deutschland, bewundert Viktor Orban – und geht damit auf Konfrontationskurs mit der EU. Nach ihrem Sieg bei der italienischen Parlamentswahl wird mit Giorgia Meloni die Chefin der stramm rechten Partei Fratelli d'Italia mit grosser Wahrscheinlichkeit neue Regierungschefin in Italien.

Wer in Europa politisch auf EU-Konfrontationskurs liegt, hat das italienische Wahlergebnis gefeiert. Die Regierungen in Polen und Ungarn – «Bravo, Giorgia! Ein mehr als verdienter Sieg», schrieb der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban am Montag auf seiner Facebook-Seite –schickten beste Grüsse und von vielen rechtspopulistischen Parteien aus ganz Europa kamen Glückwünsche.

Ihr Wahlsieg war nach den Umfragen alles andere als überraschend, aber was ist wirklich von Giorgia Meloni zu erwarten? Wird sie ihre Agenda konsequent umsetzen? Oder zwangsläufig von der Realpolitik eingeholt? 

Wie gefährlich können Giorgia Meloni und ihre Rechts-Allianz für Europa werden?

In Brüssel ist die Aufregung nach der Wahl in Italien gross. Führende EU-Abgeordnete warnen vor einer italienischen Regierung, die von Giorgia Meloni angeführt wird. «Giorgia Meloni wird eine Ministerpräsidentin sein, deren politische Vorbilder Viktor Orban und Donald Trump heissen», mutmasst die deutsche Sozialdemokratin Katharina Barley, Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments.

Melonis Auftritte im Wahlkampf seien nichts als ein «wahlkampftaktisches Lippenbekenntnis für Europa» gewesen, sagt Barley, die in der mutmasslichen Regierungschefin Italiens «eine Gefahr für das konstruktive Miteinander in Europa» sieht. Autokraten bekämen mit Meloni «eine Lobbyistin, um Sand ins Getriebe der EU zu streuen».

Giorgia Meloni, Vorsitzende der bis vor kurzem offen faschistischen Partei Fratelli d’Italia, könnte Italiens neue Regierungschefin werden.
Giorgia Meloni, Vorsitzende der bis vor kurzem offen faschistischen Partei Fratelli d’Italia, könnte Italiens neue Regierungschefin werden.
EPA

Ist Europa nach dem Wahlsieg des Rechts-Bündnisses in Italien also am Ende?

Die Zusammenarbeit zwischen Italien und der EU wird auf jeden Fall mühsamer. Doch eine Gefahr für die Stabilität stelle Giorgia Meloni nicht dar, findet der Politikwissenschaftler Andrea Ungari von der Universität Luiss in Rom.

«Italien hat ja seinen festen Platz in Europa. Ausserdem ist es etwas anderes, wenn man aus der Opposition spricht, oder wenn man sich mit all den Staats- und Regierungschefs der EU an einen Tisch setzt», so Ungari.

Würde eine Meloni-Regierung überhaupt lange genug durchhalten, um Europa zu gefährden?

In Italien haben Regierungen in der Regel eine kurze Lebensdauer, im Durchschnitt etwas mehr als ein Jahr. Die Republik hatte seit ihrer Gründung im Jahr 1946 insgesamt 67 Regierungen unter 30 Ministerpräsidenten. Koalitionspartner wechseln auch mal innerhalb einer Legislaturperiode die Seiten. Manchmal muss in einer Regierung Spitzen-Personal ausgetauscht werden, damit ein Bündnis weitermacht.

Nach der letzten regulären Wahl 2018 hat es in Italien drei Regierungen gegeben, die allesamt scheiterten. Zuletzt nahm der vor allem im Ausland geschätzte Mario Draghi den Hut, was die Neuwahlen erst erforderlich machte.

Das Rechtsbündnis aus FDI, Lega und FI ist ein Zweckbündnis aus drei Parteien mit teils unterschiedlichen Zielen. Für Meloni wird es trotz des klaren Wahlsiegs eine erhebliche Herausforderung, eine stabile Regierung zu bilden, zumal sie mit Silvio Berlusconi und Matteo Salvini zwei «sendungsbewusste» Partner in der Regierung hätte.

Beide Politiker streben nach Ämtern, die ihnen Meloni eigentlich nicht geben will: Salvini wäre gern wieder Innenminister und Berlusconi Senatspräsident. Doch Salvini ist nach dem schlechten Wahlergebnis seiner Lega angeschlagen und unberechenbar. Auch auf Berlusconi ist nicht unbedingt Verlass. Am Sonntag räumte er ein, «ein bisschen Angst» vor Giorgia Meloni zu haben.

Was die beiden Machtmänner konkret vorhaben, lässt sich schwer einschätzen. Es ist also noch gar nicht so sicher, dass Meloni Ministerpräsidentin wird.

Giorgia Meloni hat mit den Fratelli d’Italia zwar die meisten Stimmen bei der Wahl geholt, wäre aber bei der Regierungsbildung auf zwei Koalitionspartner angewiesen, die gern ihre eigene Agenda verfolgen: Lega-Chef Matteo Salvini (links) und Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi.
Giorgia Meloni hat mit den Fratelli d’Italia zwar die meisten Stimmen bei der Wahl geholt, wäre aber bei der Regierungsbildung auf zwei Koalitionspartner angewiesen, die gern ihre eigene Agenda verfolgen: Lega-Chef Matteo Salvini (links) und Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi.
AP

Was bedeutet das Ergebnis für den Zusammenhalt der Europäer gegen Putin?

Meloni selbst hat sich im Wahlkampf klar zu einem pro-westlichen Kurs bekannt und will die Ukraine weiterhin unterstützen. Ihre Koalitionspartner hingegen, der ehemalige Ministerpräsident Silvio Berlusconi und der Rechtspopulist Matteo Salvini, pflegten jahrelang engste Beziehungen zu Russland und Wladimir Putin.

So zweifelt Salvini, der sich schon des öfteren mit einem Putin-Fan-Shirt ablichten liess, öffentlich die Wirksamkeit der Sanktionen gegen Russland an und macht die EU mitverantwortlich für die dramatisch gestiegenen Energiekosten. Berlusconi wiederum erklärte vor Kurzem in einer Talkshow, dass sein «alter Freund Putin» doch eigentlich nur die ukrainische Regierung durch «anständige Leute» ersetzen wolle.

Derartige Äusserungen sorgen natürlich für Unruhe in Europa, das im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ohnehin immer stärker um Einigkeit an der Seite Kiews ringen muss. Man könnte es den Ukrainern nicht verdenken, wenn sie sich Sorgen machten, dass die bislang weitgehend geeinte europäische Front bröckelt.

Wie reagiert die Finanzwelt auf das Wahlergebnis in Italien?

Die Rechtskoalition hat im Wahlkampf enorm teure Vorschläge präsentiert, um den Folgen von Energiekrise und Inflation beizukommen. Dazu gehören massive Steuersenkungen: ohne Erklärung, wie diese finanziert werden sollen.

An der Börse in Mailand hatte der Wahlsieg des rechten Lagers trotzdem keine negativen Auswirkungen. Im Gegenteil: Der Index FTSE MIB stand am Montagmorgen zwischenzeitlich 0,93 Prozent im Plus. Die italienische Börse verzeichnete damit den grössten Zuwachs der europäischen Handelsplätze, die sich allesamt ebenfalls im Aufwind befanden.

In einem «Spiegel»-Interview erklärt der Volkswirt Jörg Krämer, dass die Anleger die Umfragen kannten und ausreichend Zeit hatten, sich auf einen Sieg der Rechtsparteien einzustellen: «Sie sind sich der politischen Risiken bewusst, die von der neuen Rechtskoalition ausgehen.» Etwa, dass sie neue Schulden aufnehmen könnten, «um Geld zu verteilen, das Italien eigentlich nicht hat».

Dass sich Meloni zu Europa und dem Euro bekennt, hält der Finanzexperte für glaubwürdig: «Die italienischen Politiker wissen um die finanziellen Vorteile und werden sie nicht aufs Spiel setzen.» Allein 2022 habe das Land 40 Milliarden Euro aus dem Coronafonds der EU bekommen.

Mit Agenturmaterial.