«Alle meine Freunde haben Angst vor mir» Nach der Ebola-Krise: So leidet der Kongo noch immer unter der Katastrophe

AP

6.9.2018

Ein Gesundheitsarbeiter der WHO wird im Kongo gegen Ebola geimpft. 
Ein Gesundheitsarbeiter der WHO wird im Kongo gegen Ebola geimpft. 
Bild: Sam Mednick/AP/Illustration

Neue Behandlungsmethoden und Aufklärungskampagnen sollen die Verbreitung des Virus eindämmen. Doch Helfer und Behörden stossen bei den Menschen immer wieder auf Widerstände.

Leoni Kahumbu erinnert sich noch genau an die Nacht, als bei ihrer Tochter Pascaline die ersten Symptome von Ebola ausbrachen. Sie fand die 15-Jährige ohnmächtig auf dem Boden des Badezimmers. Überall war Blut. «Sie hatte nicht mal die Kraft aufzustehen ... ich rief den Krankenwagen», berichtet sie. Die 48 Jahre alte Frau und ihre drei anderen Kinder kamen unter Quarantäne, waren aber nicht mit dem meist tödlichen Virus infiziert.

Pascaline überlebte. Sie gehörte zu den ersten Menschen, die mAb114 erhielten, eine von fünf experimentellen Behandlungen, die für den Einsatz beim jüngsten Ebola-Ausbruch im Kongo zugelassen wurden. Doch jetzt müssen sie, andere Überlebende und ihre Angehörigen mit der emotionalen Belastung leben, die die Rückkehr in ihr nervöses Umfeld bedeutet, wo sie sich zum Teil mit Ausgrenzung konfrontiert sehen.

Erstmals ist Ebola im Norden des Kongos ausgebrochen, in den beiden dicht besiedelten Provinzen Kivu und Ituri. Dort leben schätzungsweise eine Million Menschen, mehrere bewaffnete Gruppen kämpfen in der Region um die Rohstoffe. 90 Ebola-Fälle wurden dort bestätigt, 48 Menschen starben an der Krankheit.

«Alle meine Freunde haben Angst vor mir»

Für die Helfer und die Gesundheitsbehörden wird der Kampf gegen das Virus nicht nur erschwert, weil sie unter Bürgerkriegsbedingungen arbeiten, sondern auch weil die Opfer zum Teil stigmatisiert werden und die Menschen grosse Angst vor dem Unbekannten haben.

«Obwohl ich ebola-negativ war, haben alle meine Freunde Angst vor mir», sagt Leoni. Als sie nach Hause kam, war das Eigentum der Familie weitgehend zerstört, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern. «Ich verbrachte den ganzen Tag drinnen vor dem Fernseher. Und wenn ich rausging, war da das Geflüster und das Zeigen mit dem Finger auf mich als Mutter eines Kindes, das Ebola hat.»

Psychologen besuchen die Familie zweimal am Tag, versuchen ihr, die Wiedereingewöhnung zu erleichtern. Die Familie lebt in einem Stadtteil von Beni, dem grössten städtischen Raum in der Region. Andere Überlebende kommen aus ländlicheren Regionen, wo es länger dauert, bis Informationen die Menschen erreichen.

Vergangene Woche liess sich der Erzbischof der Diözese Butembo-Beni im Dorf Mangina impfen, wo der Ausbruch der Krankheit festgestellt worden war. Ziel war es, gefährdete Personen dazu zu ermutigen, bei den Gesundheitsbehörden vorstellig zu werden. Laut Gesundheitsministerium wurden auch die im Kongo traditionell weit verbreiteten Heiler in Ebola-Vorsorge geschult.

Absurde Gerüchte: Zwiebeln sollen vor Ebola schützen

Doch immer wieder wird die Prävention durch Falschinformationen erschwert. Kürzlich trat das Ministerium Gerüchten aus den Sozialen Medien entgegen, wonach der Verzehr von Zwiebeln vor Ebola schütze. «Das ist falsch», hiess es in einer offiziellen Erklärung. «Abgesehen davon, dass Zwiebeln für einen schlechten Atem sorgen, der Menschen von euch fernhalten könnte, haben sie keinen schützenden Effekt.»

Für weit mehr Besorgnis sorgt der Widerstand gegen Vertreter der Gesundheitsbehörden, die für sichere Beerdigungen werben. Denn um die Verbreitung der Krankheit einzudämmen, ist es von elementarer Bedeutung, dass der Kontakt mit den Körperflüssigkeiten der Kranken und Toten verhindert wird. «Wir erleben Angst und Wut in einigen Gemeinden gegen die Rot-Kreuz-Teams, die kommen, um die Verstorbenen zu beerdigen», erklärte Dr. Balla Condé, Leiter der Notfallabteilung des Internationalen Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes.

Am Fall von Leoni und ihre Tochter Pascaline wird zudem ein anderer Trend dieses Ebola-Ausbruchs deutlich, den sich die Gesundheitsbehörden nicht erklären können: Die Mehrzahl der Ebola-Fälle sind Frauen und Kinder. Es handelt sich um den grössten Anteil aller zehn Ebola-Ausbrüche im Kongo, seit das Virus erstmals im Jahr 1976 festgestellt wurde.

Etwa ein Viertel der Ebola-Fälle ist unter 19 Jahre alt, wie Unicef-Sprecher Yves Willemot sagt. Es sei aber zu früh, Gründe dafür zu nennen, warum Kinder und Frauen am stärksten betroffen seien. Im Krankenhaus im Dorf Mangina sei es ganz normal, dass dort mehr Frauen und Kinder hinkämen. Zudem seien unter dem Pflegepersonal mehr Frauen als Männer.

Die Rolle der Frauen

Dr. Gianfranco Rotigliano, Unicef-Vertreter für den Kongo, hat noch einen anderen möglichen Grund: «Frauen sind die hauptsächlichen Versorger von Kindern. Wenn sie mit der Krankheit infiziert sind, besteht ein grösseres Risiko, dass es auch ihre Kinder und Familien trifft.»

Um den Ausbruch der Krankheit einzudämmen, wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums bislang 5400 Menschen geimpft. Trotzdem seien bis jetzt schon mehr 60 Kinder zu Waisen geworden oder auf sich allein gestellt, weil die Eltern in Ebola-Behandlungszentren seien. «Einige Kinder haben grosse Teile ihrer Familien verloren und sind isoliert worden», sagt Rotigliano.

Um Kindern in der Region etwas Normalität zu verschaffen, soll das Schuljahr wie geplant am (heutigen) Montag beginnen. Allerdings gibt es etwas Neues für die Kinder. An den Eingängen von 250 Schulen können sie sich mit gechlortem Wasser die Hände waschen. Und auch die Lehrer wurden nochmals im Umgang mit Ebola und den nötigen Sicherheitsvorkehrungen geschult.

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