Parlamentswahl in Israel Netanjahu steht vor Comeback

dpa

2.11.2022 - 05:00

Wahl in Israel: Netanjahu hofft auf Rückkehr an die Macht

Wahl in Israel: Netanjahu hofft auf Rückkehr an die Macht

In Israel sind die Wähler zum fünften Mal binnen vier Jahren zur Stimmabgabe bei einer Parlamentswahl aufgerufen. Der rechtsgerichtete Ex-Regierungschef Benjamin Netanjahu erhofft sich eine Rückkehr an die Macht – mit Hilfe ultrarechter Parteien.

01.11.2022

Mehr als ein Jahr war er in der Opposition. Nun kann Israels Langzeit-Regierungschef eine Rückkehr ins Amt gelingen – mit Hilfe von rechtsextremen Partnern.

Israels rechtskonservativer Oppositionsführer Benjamin Netanjahu hat nach der Parlamentswahl in Israel gute Chancen auf eine Rückkehr als Regierungschef. Das rechts-religiöse Lager um den 73-Jährigen erzielte eine knappe Mehrheit von 61 bis 62 der 120 Sitze, wie aus TV-Prognosen basierend auf Wahlnachbefragungen in der Nacht zum Mittwoch hervorging. Seine rechtskonservative Likud-Partei wurde demnach mit 31 bis 32 Sitzen stärkste Kraft. Direkt dahinter kommt die Zukunftspartei von Ministerpräsident Jair Lapid mit 23 Sitzen. Frühere Wahlen haben aber gezeigt, dass sich das Bild bis zur Auszählung aller Stimmen noch verschieben kann. Das Endergebnis wird nicht vor Donnerstag erwartet.

Auf den dritten Platz schaffte es zum ersten Mal in der Geschichte Israels ein rechtsextremes Bündnis. Die Religiös-Zionistische Partei von Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir kommt laut den Prognosen auf 13 bis 14 Sitze und gilt als möglicher Königsmacher. Netanjahu hatte das Bündnis gezielt vermittelt und den Rechtsextremen damit zum Aufstieg verholfen. Eine rechtsreligiöse Regierung könnte ihm durch Gesetzesänderungen dabei helfen, seinem derzeit laufenden Korruptionsprozess zu entkommen.

Der 46-jährige Ben-Gvir wurde in der Vergangenheit wegen rassistischer Hetze verurteilt und spricht sich unter anderem für die Deportation von Arabern aus, «die gegen den Staat Israel sind». Ihm wurde auch immer wieder vorgeworfen, den Konflikt mit den Palästinensern gezielt anzuheizen. Smotrich sagte nach der Wahl, seine Partei habe «Geschichte geschrieben». Er hoffe auf «die Einrichtung einer rechten, jüdischen, zionistischen und nationalen Regierung». Seine Anhänger feierten ihn bereits als «den neuen Verteidigungsminister».

Endgültiger Ausgang noch offen

Netanjahu sagte nach den Prognosen, der Erfolg sei ein «guter Anfang». Der endgültige Ausgang der Wahl werde sich jedoch erst nach Auszählung aller Stimmen zeigen. Die arabische Partei Balad befand sich laut den Prognosen knapp unter der 3,25-Prozent-Hürde. Sollte ihr doch noch der Sprung ins Parlament gelingen, könnte dies Netanjahus Mehrheit gefährden.

Das Anti-Bibi-Lager um Lapid kam den Prognosen zufolge auf 53 bis 54 Sitze. Es umfasst Parteien vom rechten bis zum linken Spektrum und ist vor allem von dem Willen geeint, eine Rückkehr Netanjahus zu verhindern. Es scheint jedoch unwahrscheinlich, dass es Lapid – wie im vergangenen Jahr – gelingt, eine Koalition mit einer Mehrheit zu schmieden. Lapid betonte derweil in der Nacht zum Mittwoch, dass «nichts vorbei» sei, bevor nicht alle Stimmen ausgezählt seien. Seine Partei werde weiterhin dafür kämpfen, dass Israel ein jüdischer, demokratischer, liberaler und fortschrittlicher Staat sei.

Keine Spur von Wahlmüdigkeit

Bis zum Abend zeichnete sich bei der Wahl eine aussergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung ab. Nach Angaben des Zentralen Wahlkomitees lag die Beteiligung der 6,8 Millionen Wahlberechtigten bis 21.00 Uhr (MEZ) bei 71,3 Prozent. Das sind fast vier Prozentpunkte mehr als zum gleichen Zeitpunkt bei der letzten Wahl im März vergangenen Jahres. Mit der endgültigen Zahl wird erst am Mittwoch gerechnet.

Nach Auszählung aller Stimmen bestimmt Präsident Izchak Herzog, wer den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Der Kandidat hat dann vier Wochen Zeit, eine Koalition zu bilden. Wie nach der Wahl im letzten Jahr könnte es Wochen oder Monate dauern, bis eine Regierung steht. Solange bleibt Lapid im Amt. Sollte eine Regierungsbildung scheitern, könnte eine weitere Neuwahl im nächsten Jahr anstehen.