Nach Vergiftung Alexej Nawalny ist wieder bei Bewusstsein

AP/tjb

7.9.2020

Polizisten und Sicherheitskräfte sichern den Haupteingang der Charité in Berlin.
Polizisten und Sicherheitskräfte sichern den Haupteingang der Charité in Berlin.
Keystone/dpa/Bernd von Jutrczenka

Kremlkritiker Alexej Nawalny ist aus dem Koma erwacht und ansprechbar. Der russische Oppositionelle wird nach einer Vergiftung mit einem chemischen Kampfstoff in Berlin behandelt.

Dem russischen Kremlkritiker Alexej Nawalny geht es besser. Ärzte haben das künstliche Koma beendet. Das teilte die Berliner Charité, in der Nawalny behandelt wird, am Montag mit.

Der 44-Jährige werde nun schrittweise von der maschinellen Beatmung entwöhnt und reagiere auf Ansprache. Langzeitfolgen der schweren Vergiftung sind weiterhin nicht auszuschliessen. Der Fall Nawalny hat inzwischen auch eine Diskussion über einen Stopp des Pipeline-Projekts Nord Stream 2 ausgelöst.

Nawalny war am 20. August auf einem Flug in Russland ins Koma gefallen und später auf Drängen seiner Familie in die Berliner Charité verlegt worden. Die deutsche Regierung hatte nach Untersuchungen eines Spezial-Labors der Bundeswehr mitgeteilt, dass sie es als zweifelsfrei erwiesen ansehe, dass Nawalny mit dem militärischen Nervengift Nowitschok vergiftet worden sei. 

Russland will Antworten von den Deutschen

Russland bestreitet, etwas mit der Vergiftung des 44 Jahre alten Oppositionellen zu tun zu haben. Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach am Montag erneut von «absurden Versuchen», die russische Staatsführung damit in Verbindung zu bringen. Nawalny hat in seiner Heimat unter anderem verschiedene Korruptionsskandale aufgedeckt.

Die russische Generalstaatsanwaltschaft hatte ein Rechtshilfegesuch in Deutschland gestellt. Der deutsche Aussenminister Heiko Maas hatte in der ARD gesagt, man werde dem zustimmen. Peskow zufolge sieht auch Moskau keinen Grund, weshalb Berlin nicht kooperieren sollte.

Angesichts der Wellen, die das Thema schlage, erwarte Moskau in den nächsten Tagen Details zu dem Fall, sagte Peskow am Montag der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti zufolge. «Wir sind zufriedengestellt.» International wächst der Druck auf Russland, die Vergiftung des Kremlkritikers zu untersuchen. Bislang laufen «Vorermittlungen».

Pipeline-Projekt stoppen?

Unterdessen wird in Deutschland auch diskutiert, ob man das Nord-Stream-2-Projekt als Reaktion auf die Vergiftung Nawalnys stoppen oder aussetzen sollte. Die Pipeline wird durch die Ostsee gebaut und soll Erdgas von Russland nach Deutschland transportieren.

Die deutsche Regierung lässt die Zukunft des Projekts offen und erhöht den Druck auf Russland. Noch sei es zwar zu früh, zu entscheiden, ob der Fall Konsequenzen für den Bau der Ostseepipeline haben werde, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) halte es aber auch für falsch, etwas auszuschliessen.

Sie schliesse sich vielmehr den warnenden Worten von Aussenminister Maas (SPD) vom Wochenende an. Maas hatte in einem Interview gesagt: «Ich hoffe nicht, dass die Russen uns zwingen, unsere Haltung zu Nord Stream 2 zu ändern.» Er halte es für falsch, Auswirkungen auf die Pipeline von vornherein auszuschliessen.

Bislang hat Berlin den Kreml zwar mit harten Worten zur Aufklärung aufgefordert, eine Verknüpfung mit dem europäisch-russischen Gasprojekt aber vermieden. Seibert betonte, es gebe die klare Erwartung, dass Russland schwerwiegende Fragen zum Fall Nawalny beantworte. Damit sei jedoch nicht innerhalb weniger Tage zu rechnen.

Der Kreml rechnet derzeit nicht mit einem Baustopp für die Ostsee-Gasleitung. Auf die Frage, ob er Risiken sehe, dass der Bau nicht beendet werde, antwortete Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau: «Nein.» Moskau hatte in der Vergangenheit stets betont, dass die Gasfernleitung von Russland nach Deutschland ein wirtschaftliches Projekt sei und kein politisches. Die Arbeiten an der Pipeline waren zuletzt auf den letzten Metern wegen US-Sanktionen eingestellt worden.

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