Russland Nawalny muss ins Straflager – Proteste mit Hunderten Festnahmen

ap/sda

3.2.2021 - 06:45

Für die Rückkehr in sein Heimatland zahlt der Kremlkritiker Alexej Nawalny einen hohen Preis. Zwei Jahre und acht Monate soll er hinter Gitter. Die Polizei geht erneut brutal gegen Demonstranten vor. Doch Nawalnys Anhänger wollen nicht lockerlassen.

Die Verurteilung des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny zu einer mehrjährigen Haftstrafe hat in seiner Heimat und weltweit Bestürzung ausgelöst. In Moskau und St. Petersburg strömten nach der Gerichtsentscheidung am Dienstag Anhänger des 44-Jährigen auf die Strassen. Nach Zählung der Aktivistengruppe OVD-Info wurden wieder mehr als 1300 Menschen festgenommen.

Spitzenpolitiker aus zahlreichen Ländern, unter ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel und der neue US-Aussenminister Antony Blinken, forderten die Freilassung Nawalnys. «Das Urteil gegen Alexey Nawalny ist fernab jeder Rechtsstaatlichkeit», zitierte Regierungssprecher Steffen Seibert Merkel auf Twitter. Sie forderte ausserdem ein Ende der Gewalt gegen friedliche Demonstranten. Blinken verlangte, dass neben Nawalny auch Hunderte andere Russen freigelassen werden sollten, die bei den Protesten illegal festgenommen worden seien.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International fordert den russischen Präsidenten Wladimir Putin dazu auf, Nawalny umgehend freizulassen. Die Festnahme Nawalnys zeige ein weiteres Mal, dass die russischen Behörden ihn zum Schweigen bringen wollten. In ihrem Rachefeldzug gegen Nawalny und seine Unterstützer hätten die russischen Behörden jeden verbliebenen Anschein von Gerechtigkeit und Respekt für die Menschenrechte zerfetzt, zitiert Amnesty Schweiz auf Twitter Natalya Zviagina, Leiterin des Moskauer Büros von Amnesty International.

Die politisch motivierte Verurteilung Nawalnys zeige das wahre Gesicht der russischen Behörden, die offensichtlich darauf aus seien, alle einzusperren, die es wagten, sich gegen Missbräuche und die Unterdrückung der Menschenrechte auszusprechen.

Fast drei Jahre Straflager

Das Simonowski-Bezirksgericht hatte am Dienstagabend befunden, dass Nawalny gegen Bewährungsauflagen in Zusammenhang mit einer Verurteilung aus dem Jahr 2014 verstossen habe. Die russische Strafvollzugsbehörde hatte gefordert, die dreieinhalbjährige Bewährungssprache in eine Haftstrafe umzuwandeln. Nawalny wird zwar fast ein Jahr Hausarrest angerechnet. Das bedeutet aber dennoch, dass er noch zwei Jahre und acht Monate ins Straflager muss.

Vor der Urteilsverkündung bezeichnete Nawalny das Verfahren als vergeblichen Versuch des Kremls, Millionen Russen einzuschüchtern. Als dann die Strafe verlesen wurde, zeigte der Oppositionelle auf seine im Saal sitzende Frau Julia und zeichnete die Umrisse eines Herzens auf dem Glaskäfig nach, in dem er festgehalten wurde.

Alexej Nawalny vor der Urteilsverkündung am 2. Februar 2021 im Simonowski-Bezirksgericht in Moskau.
Alexej Nawalny vor der Urteilsverkündung am 2. Februar 2021 im Simonowski-Bezirksgericht in Moskau.
Bild: Keystone/EPA

Seine Anhänger strömten am Abend auf Plätze in Moskau und St. Petersburg. Bereitschaftspolizisten packten vielerorts wahllos Demonstranten und steckten sie in Polizeibusse. Dennoch dauerten die Proteste bis 1 Uhr morgens an.



Nawalny wertete schon das Urteil von 2014 als politisch motiviert. Die Bewährungsauflagen der russischen Behörden, so argumentieren er und seine Anwälte, habe er auch nicht erfüllen können, da er nach einem Nervengiftanschlag auf ihn in Deutschland behandelt worden sei und sich dort erholt habe. «Ich bin nach Moskau zurückgekommen, nachdem ich die Behandlungsphase abgeschlossen hatte», sagte Nawalny bei der Anhörung. «Was hätte ich sonst tun können?»

Zehntausende gehen auf die Strasse

An anderer Stelle erklärte Nawalny, «Furcht und Hass» des Präsidenten Wladimir Putin seien der Grund für seine Verhaftung. Der Kremlchef werde als «Giftmörder» in die Geschichte eingehen. «Ich habe ihn zutiefst gekränkt, indem ich einfach den Attentatsversuch überlebte, den er anordnete», sagte Nawalny, und: «Das Ziel dieser Anhörung ist, einer grossen Zahl von Leuten Angst einzujagen. Ihr könnt nicht das ganze Land einsperren.»

Bereits am Sonntag waren Zehntausende in ganz Russland für die Freilassung des 44-Jährigen auf die Strasse gegangen und hatten auch einen Rücktritt von Präsident Wladimir Putin gefordert. Die Polizei nahm dabei mehr als 5750 Menschen fest, mehr als 1900 allein in Moskau. Die meisten wurden vor Gericht geladen und danach wieder freigelassen. Ihnen drohen Bussgelder oder Haftstrafen zwischen sieben und 15 Tagen. Mehreren drohen allerdings höhere Strafen wegen des Vorwurfs der Gewalt gegen die Polizei.

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ap/sda