Was macht Biden? Neue Hoffnung für die Gefangenen von Guantanamo

AP/toko

1.12.2020 - 00:00

Aktivisten demonstrieren in Washington D. C. für die Schliessung des umstrittenen Gefangenenlagers Guantanamo.
Aktivisten demonstrieren in Washington D. C. für die Schliessung des umstrittenen Gefangenenlagers Guantanamo.
Keystone/EPA/ERIK S. LESSER (Archivbild)

Mit der Wahl von Joe Biden zum neuen US-Präsidenten verknüpfen Anwälte und Menschenrechtler die Aussicht auf einen neuen Anlauf, das umstrittene Gefangenenlager Guantanamo zu schliessen. Noch 40 Insassen warten dort auf eine politische Wende.

Er ist der älteste Gefangene in Guantanamo: Der 73-jährige Saifullah Paracha sitzt seit 16 Jahren in dem US-Lager auf Kuba ein. Wie alle dort gilt der Pakistaner als terrorverdächtig, eine Anklage gab es nie. Als Paracha jüngst zur Anhörung vorgeführt wurde, war die Situation aber anders als bisher – hoffnungsvoller, denn im Weissen Haus zeichnet sich ja nun ein Wechsel ab.

Noch-Präsident Donald Trump hatte der Praxis seines Vorgängers Barack Obama faktisch ein Ende gesetzt, die Guantanamo-Fälle zu prüfen und Verdächtige freizulassen, wenn eine Inhaftierung nicht länger notwendig schien.

Nach vier Jahren Trump könnte der neu gewählte demokratische Präsident Joe Biden nun einen neuen Anlauf nehmen, die Guantanamo-Altlast aufzuarbeiten. «Ich habe mehr Hoffnung, einfach, weil wir uns auf eine Regierung freuen können, die nicht absolut entschlossen ist, den Überprüfungsprozess zu ignorieren», sagt Parachas Anwältin Shelby Sullivan-Bennis in einem Telefongespräch von Guantanamo aus. «Allein, dass sich das am Horizont abzeichnet, macht meiner Ansicht nach Hoffnung für uns alle.»



Das nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eingerichtete Guantanamo geriet zunehmend in die Kritik von Menschenrechtlern und ins Zentrum internationaler Proteste. Obama hatte das Lager eigentlich schliessen wollen, konnte sein Vorhaben aber nicht umsetzen, bevor er 2016 die Präsidentschaft an Trump übergab. Seitdem wurde es still um Guantanamo, trotz der noch immer 40 Gefangenen dort.

Biden ist wie Obama für die Schliessung

Diejenigen, die die Forderungen nach einer Schliessung nie aufgegeben haben, sehen jetzt eine neue Chance. Sie hoffen, dass Biden einen Weg findet, anklagefähige Verdächtige vor Gericht zu stellen und die anderen freizulassen. Für die USA hat das Lager nicht nur ihr Image belastet, sondern auch den Geldbeutel: Guantanamo schlägt mit mehr als 445 Millionen Dollar (rund 372 Millionen Euro) jährlich zu Buche.

Was Biden genau vorhat, ist noch unklar. Sprecher Ned Price hat erklärt, der designierte Präsident sei für eine Schliessung. Es sei aber nicht angemessen, vor einer Amtsübergabe im Detail über die Pläne zu sprechen.

Diese Zurückhaltung wird von Guantanamo-Kritikern begrüsst: «Ich denke, dass eine Schliessung wahrscheinlicher ist, wenn es nicht zu einer grossen Presse-Angelegenheit wird», erklärt Andrea Prasow von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Washington. Obamas medienwirksames Versprechen, Guantanamo aufzulösen, wird von vielen mittlerweile als ein strategischer Fehler eingeschätzt, der die politische Gegnerschaft mobilisiert hat.

Der Kongress hatte sich gegen die Überstellung der Gefangenen in die USA gesträubt. Obama liess schliesslich 197 der Inhaftierten frei, bevor er die Geschäfte an Trump übergab. Zu Hochzeiten wurden rund 700 Menschen aus fast 50 Ländern in Guantanamo festgehalten. Das war 2003, dem Jahr, als Saifullah Paracha in Thailand unter dem Verdacht festgenommen wurde, Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida zu haben.

Schon George W. Bush, unter dessen Ägide der Marineposten auf Kuba damals zum riesigen Gefangenenlager ausgebaut wurde, hatte erklärt, dass das keine Dauerlösung sein solle. Als er 2009 aus dem Amt schied, waren noch 242 Gefangene in Guantanamo.

Trump ignoriert Lager weitgehend

Trump schliesslich verkündete dann sogar, Guantanamo mit «ein paar schlimmen Kerlen» weiter «aufladen» zu wollen, liess das Thema letztlich aber weitgehend ausser Acht. In seiner Amtszeit wurde ein Gefangener entlassen, ein Saudi, der sich vor einem Militärausschuss schuldig bekannt hatte. Für die noch verbliebenen 40 muss nun nach Forderungen von Anwälten und Menschenrechtlern gelten, dass die Fälle endlich aufgearbeitet werden. «Entweder muss etwas passieren oder sie sterben dort ohne Anklage», sagt Anwalt Wells Dixon.

Joseph Margulies von der Cornell-Universität in New York, der einen der Guantanamo-Gefangenen vertritt, bekräftigt: Die Betroffenen müssten strafrechtlich belangt werden – oder eben nicht. «Aber haltet sie nicht einfach fest.» Was Guantanamo angeht, urteilt er: Die USA hätten sich «diese Sache an den Hals» gehängt, mit grossem Aufwand. «Es führt zu nichts. Es spielt keine Rolle für die nationale Sicherheit.» Margulies spricht von einem «grossen schwarzen Fleck, der keinerlei Nutzen bringt».

Für Saifullah Paracha ist nach Ansicht seiner Anwältin schnelles Handeln geboten. Der 73-Jährige leidet an Diabetes und Herzproblemen. Sein Schicksal liege nun vermutlich in Bidens Händen, sagt Sullivan-Bennis. Aber die Zeit dränge, weitere Verzögerungen «könnten die Todesstrafe bedeuten».

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