DemonstrationNeue Serben-Proteste nach Ausschreitungen im Kosovo
AP / tchs
31.5.2023
Die serbische Minderheit im Norden Kosovos geht auf die Strasse: Hunderte Menschen haben in Zvecan demonstriert. Die Nato will 700 zusätzliche Soldaten entsenden.
AP / tchs
31.05.2023, 20:00
31.05.2023, 20:31
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Hunderte Serben haben am Mittwoch in der Stadt Zvecan im Norden des Kosovos erneut den Abzug der kosovarischen Polizei und einen Rücktritt umstrittener neuer Bürgermeister gefordert. Bei ihrer Demonstration vor dem örtlichen Rathaus breiteten sie eine grosse serbische Flagge aus. Der Protest verlief friedlich. Am Montag hatten militante Serben versucht, Verwaltungsgebäude in Zvecan zu stürmen. Bei den Ausschreitungen wurden 30 internationale Soldaten der Kosovo-Friedenstruppe unter Führung der Nato und mehr als 50 Serben verletzt. Das schürte Sorgen vor einem neuen blutigen Konflikt in der Region.
Die Unruhen begannen vergangene Woche, als neu gewählte ethnisch albanische Bürgermeister in Rathäusern im serbisch bevölkerten Norden des Kosovos ihre Ämter antreten wollten. Die vorausgegangenen Kommunalwahlen waren von den Serben grösstenteils boykottiert worden, weshalb die Ämter an Albaner gingen. Sie betraten begleitet von der kosovarischen Polizei die Gebäude, während Serben versuchten, sie daran zu hindern. Die Polizei vertrieb die Demonstranten mit Tränengas. In Zvecan legten sich Serben am Montag zunächst mit der Polizei an, später mit den KFOR-Soldaten.
Viele Serben im Kosovo erkennen Unabhängigkeit nicht an
Im Kosovo sind Serben eine ethnische Minderheit. Allerdings bilden sie im Norden des Kosovos eine Mehrheit. Viele erkennen die Unabhängigkeit des mehrheitlich ethnisch albanischen Kosovos von Serbien nicht an. Auch die Regierung in Belgrad tut das nicht.
Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borell forderte eine dringende Deeskalation. Auch US-Aussenminister Antony Blinken rief die Konfliktparteien auf, die Spannungen abzubauen. Gewalt gegen die Schutztruppe KFOR sei inakzeptabel. Ein Sprecher der deutschen Bundesregierung, Steffen Hebestreit, teilte mit, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron am (morgigen) Donnerstag am Rande eines Treffens in Moldau mit den frühenden Vertretern des Kosovos und Serbiens sprechen wollten.
Der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti, der am Mittwoch in Bratislava mit EU-Vertretern zusammenkam, sagte, die örtliche Polizei werde nicht auf Forderungen nach einem kompletten Rückzug aus dem Norden des Kosovos eingehen. Er deutete aber an, dass er für vorgezogene Kommunalwahlen offen wäre, wenn das bei friedlichen Protesten gefordert würde.
700 zusätzliche Nato-Soldaten
Die Nato hat angekündigt, 700 zusätzliche Soldaten in den Norden des Kosovos zu entsenden, um neue Gewalt zu verhindern. In Serbien wurde das Militär in höchste Alarmbereitschaft versetzt, es wurden mehr Soldaten an die Grenze zum Kosovo entsandt.
Westliche Vertreter haben sowohl das Verhalten der kosovarischen Behörden als auch das der Serben kritisiert. «Die Entscheidung der Regierung des Kosovos, Zugang zu Stadtverwaltungsgebäuden zu erzwingen, hat die Spannungen deutlich und auf unnötige Weise eskaliert», teilte Blinken mit. Er legte der kosovarischen Regierung nahe, für die neuen Bürgermeister andere Arbeitsorte zu organisieren und die Polizei von den Rathäusern abzuziehen. Blinken forderte die serbische Regierung auf, die Alarmstufe des Militärs zu senken.
Der serbische Verteidigungsminister Milos Vucevic machte für die Lage die kosovarische Regierung verantwortlich. «Zunächst einmal sollten wir es beim richtigen Namen nennen und versuchen, es als Besetzung des Nordens des Kosovos durch die albanische Verwaltung in Pristina zu definieren», sagte Vucevic im Sender RTS.
Zwischen 1998 und 1999 gab es Krieg im Kosovo. Ethnisch albanische Separatisten rebellierten gegen Serbien, dieses ging brutal gegen die Separatisten vor. Der Krieg wurde beendet, als die Nato aktiv wurde und sich Serbien aus dem Gebiet zurückzog. Daraufhin wurden Friedenssoldaten im Kosovo stationiert.