Die neuseeländische Ministerpräsidentin Jacinda Ardern und ihre Labour-Partei können nach einem historischen Wahlsieg in dem Pazifikstaat in Zukunft allein regieren. Eine absolute Mehrheit von 64 der 120 Parlamentssitze ohne Notwendigkeit einer Koalition – das hat es in Neuseeland seit Einführung des derzeit gültigen Wahlrechts im Jahr 1996 noch nie gegeben. Das staatliche Fernsehen sprach von einem «Erdrutschsieg für Labour». Die Zeitung «New Zealand Herald» kommentierte mit Blick auf die Parteifarbe: «Neuseeland sieht rot». Der Sieg wurde insbesondere auf Arderns erfolgreichen Kurs in der Corona-Krise zurückgeführt.
Auch die Wahlbeteiligung war extrem hoch und lag bei 82,5 Prozent, 2,7 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Abstimmung 2017. Stimmberechtigt waren 3,7 Millionen Menschen.
Die 40-jährige Ardern stand bis jetzt einer Koalitionsregierung unter anderem mit den Grünen vor. Weltweit kam sie in den Medienfokus, weil sie nach ihrem überraschenden Wahlsieg 2017 mit damals erst 37 Jahren die jüngste Ministerpräsidentin der Welt wurde und dann auch noch als erste amtierende Regierungschefin seit Jahrzehnten ein Kind zur Welt brachte. Wegen ihrer empathischen Art und ihres erfolgreichen Krisenmanagements machte sie sich schnell auch international einen Namen. Nun gelang es ihr, ihre Machtbasis auszubauen. «Heute hat Neuseeland der Labour-Partei die grösste Unterstützung in mehr als 50 Jahren gegeben», sagte sie vor jubelnden Anhängern in Auckland.
Ardern hat in den vergangenen Jahren gleich mehrere schwere Krisen meistern müssen. Besonders ihr Umgang mit den Attentaten von Christchurch, bei denen ein Rechtsextremist aus Australien im vergangenen Jahr in zwei Moscheen 51 Muslime erschossen hatte, brachte ihr auch im Ausland viel Anerkennung. Im Dezember 2019 starben bei einem Vulkanausbruch auf der Insel White Island mehr als 20 Menschen, wenige Monate später schlug Corona zu.
Arderns Regierung reagierte mit einer der strengsten Ausgangssperren der Welt und riegelte das Land für ausländische Besucher ab. Das Resultat: Neuseeland ist bisher vergleichsweise sehr glimpflich durch die Pandemie gekommen und hatte jüngst zum zweiten Mal erklärt, das Virus unter Kontrolle zu haben. Am Sonntag wurde erstmals wieder ein lokal übertragener Fall verzeichnet, nachdem zuvor drei Wochen lang keine Neuinfektion bekannt geworden war. Bisher sind in Neuseeland nur 25 Menschen im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Mittlerweile ist das Land zu einer weitgehenden Normalität zurückgekehrt.
«Dies war keine normale Wahl, und dies sind keine normalen Zeiten», betonte Ardern nun mit Blick auf die Corona-Pandemie und ihre Folgen. Es herrsche Unsicherheit und Angst, und die nächsten Jahre würden nicht einfach werden. «Aber wir haben uns vorgenommen, ein Gegenmittel zu sein.» Ihre Regierung wolle Hoffnung und Optimismus verbreiten. «Schon morgen legen wir damit los!»
Angesichts von fast 50 Prozent der Stimmen für Labour und einem Zuwachs auch für die Grünen sprach ein Fernsehkommentator von einem «beachtlichen Linksrutsch» in dem Inselstaat. Die Populisten stürzten hingegen ab: Die Kleinpartei New Zealand First, die für ihre einwanderungsfeindlichen Positionen bekannt ist, gehört künftig nicht mehr zur Regierungskoalition. Vor drei Jahren war sie noch Zünglein an der Waage gewesen und hatte Ardern überraschend ins Amt verholfen. Nun hat New Zealand First nicht einmal mehr einen Sitz im Parlament.
Die konservative National-Partei mit ihrer Spitzenkandidatin Judith Collins (61) brach ebenfalls ein und holte nur 35 Mandate. Die Partei ist traditionell der schärfste Widersacher von Labour und hatte von 2008 bis 2017 ununterbrochen regiert. Bereits in den Umfragen im Vorfeld der Abstimmung war Ardern die Favoritin gewesen. Collins gratulierte ihrer Gegnerin zu dem «fantastischen Ergebnis».
Die Neuseeländer stimmten in zwei Volksbefragungen auch über die Legalisierung von Cannabis als Freizeitdroge und die Legalisierung von Sterbehilfe ab. Die Ergebnisse dieser Referenden sollen aber erst Ende Oktober veröffentlicht werden.
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