Renzi vor Rücktritt? Neuwahlen möglich: Vier Szenarien, wie es jetzt in Italien weitergeht

dpa

5.3.2018

Dass die Parlamentswahl in Italien keinen klaren Sieger hervorbringen würde, damit hatten Experten gerechnet. Doch nach dem vorläufigen Wahlerebnis wird die Regierungsbildung schwieriger als erwartet. Der letzte Ausweg wären Neuwahlen, was nicht ganz unwahrscheinlich ist.

Laut Hochrechnungen kommt keine Partei und kein Bündnis auf eine regierungsfähige Mehrheit. Europakritische und rechte Parteien haben bei der Parlamentswahl in Italien mehr als die Hälfte der Stimmen auf sich vereint.

Der grösste Verlierer der Wahl ist Matteo Renzi: Die bislang regierenden Sozialdemoktraten erlitten eine historische Schlappe und brachen von 25,4 Prozent auf unter 19 Prozent ein. Der Parteichef hat laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA bereits seinen Rücktritt angekündigt, den er um 17 Uhr offiziell verkünden wolle. Sein Sprecher wollte das zunächst allerdings nicht bestätigen. 

Nach der Parlamentswahl in Italien haben sowohl die rechtspopulistische Lega als auch die europakritische Fünf-Sterne-Bewegung Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten erhoben. Bild: Matteo Salvini, Parteivorstand der rechtspopulistischen Lega Nord, ballt bei einer Pressekonferenz zu den voläufigen ergebnissen der Parlamentswahl die Faust.
Nach der Parlamentswahl in Italien haben sowohl die rechtspopulistische Lega als auch die europakritische Fünf-Sterne-Bewegung Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten erhoben. Bild: Matteo Salvini, Parteivorstand der rechtspopulistischen Lega Nord, ballt bei einer Pressekonferenz zu den voläufigen ergebnissen der Parlamentswahl die Faust.
Keystone

Der Chef der rechtspopulistischen Lega-Partei, Matteo Salvini, hat derweil seinen Führungsanspruch erhoben. Millionen Italiener hätten die Lega damit beauftragt, das Land «von der Unsicherheit und Instabilität zu befreien», die Ex-Regierungschef Matteo Renzi und Brüssel zu verantworten hätten. «Über Italiener entscheiden die Italiener», sagte Matteo Salvini am Montag in Mailand. «Nicht Berlin, nicht Paris, nicht Brüssel» und auch nicht die Finanzmärkte.

Allerdings verpasste das Mitte-Rechts-Bündnis mit etwa 37 Prozent nach Auszählung fast aller Stimmen die Regierungsmehrheit im Parlament. Stärkste Partei wurde die Fünf-Sterne-Protestbewegung, die bei rund 32 Prozent liegt und vor allem im Süden Italiens enormen Zulauf bekam. Aber auch der Partei von Spitzenkandidat Luigi Di Maio fehlt es für eine Mehrheit.

Aktuell (Auszählungsstand: 98 Prozent) kommmen die Parteien auf folgende Ergebnisse:

- Fünf Sterne-Bewegung: 32,5 Prozent 

- Mitte-Rechts-Bündnis: 37 Prozent (Lega: 17,6 Prozent, Forza Italia: 14,1 Prozent, der Rest entfällt auf kleinere rechtsradikale Parteien) 

- Sozialdemokraten (Partito Democratico): 18,7 Prozent

Wie geht es jetzt weiter?

Wer verstehen will, wer in Italien die nächste Regierung stellen wird, braucht vor allem eines: einen Rechenschieber und viel Verständnis für politisches Geschacher. Das Land wacht nach der Wahl vom Sonntag mit vielen Gewinnern auf, aber mit niemandem, der auf Anhieb eine Regierung zusammenbringen könnte. Ausgeschlossen werden kann nur, dass sich das Mitte-Rechts-Bündnis und die Sozialdemokraten auf eine gemeinsame Regierung einigen.

Fünf Sterne plus rechts

Die Fünf-Sterne-Bewegung, die stärkste Einzelpartei geworden ist, hat bisher eigentlich Koalitionen mit wem auch immer ausgeschlossen. Im Wahlkampf hatte sie diese Position allerdings revidiert. Vor allem ihr farbloser Spitzenkandidat, der erst 31 Jahre alte Luigi Di Maio, ist entschlossen, als jüngster Premierminister in den Regierungspalast einzuziehen und die Opposition Geschichte sein zu lassen.

Es bleibt also abzuwarten, ob die Partei nicht doch noch koaliert, um an die Regierung zu kommen. Auch wenn die Parteien das verneint haben: Immer wieder wird über ein mögliches europakritisches Bündnis der ausländerfeindlichen Lega mit den Sternen spekuliert.

Dabei wird allerdings der zweite Gewinner des Abends ein gewichtiges Wörtchen mitreden wollen: Matteo Salvini, Chef der rechten Lega. Seine Partei hat mit fremdenfeindlichen Parolen und Wahlkampf auf den Plätzen der Republik den Stimmanteil im Vergleich zur letzten Wahl vervierfachen können. Die einstige Separatisten-Partei aus dem reichen Norden trat erstmals landesweit an.

Fünf Sterne plus links

Die Protestpartei, die immer wieder betont, weder links noch rechts zu sein, könnte aber auch mit den abgestraften Sozialdemokraten (Partito Democratico, PD) sprechen. Ziel einer solche Koalition könnte sein, die Rechten zu verhindern.

Allerdings hatte PD-Parteichef Matteo Renzi noch kurz vor der Wahl gesagt: «Besser in der Opposition als mit Extremisten verbündet.» Als solche hatte er in der Vergangenheit auch die Fünf-Sterne-Bewegung bezeichnet.

Italien hat gewählt: Die wichtigsten Köpfe

Oder doch Neuwahlen?

In jedem Fall ist Geduld gefragt. Die beiden Kammern des Parlaments kommen erstmals am 23. März zu einer Sitzung zusammen. An diesem Tag sollen die Präsidenten des Senats und des Abgeordnetenhauses gewählt werden.

Erst danach beginnen eventuelle Koalitionsverhandlungen. Hier kommt Staatspräsident Sergio Mattarella eine tragende Rolle zu, der alle parlamentarischen Gruppen zu Gesprächen einlädt - das könnte Ende März oder Anfang April passieren. Er muss dann abwägen, wer die besten Chancen hat, eine Regierung zu bilden.

Mattarella wählt dann eine Person, die diese Aufgabe übernehmen soll. In Italien muss ein Regierungschef nicht notwendigerweise Parlamentsmitglied sein. Falls sich keine Lösung findet, kann Mattarella das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen.

Bilder des Tages
Zurück zur Startseite