«Welt, sieh genau hin»Nordkoreaner ziehen sich in Kursk zurück – was jetzt passiert
Philipp Dahm
5.2.2025
Selenskyj bietet Austausch nordkoreanischer Soldaten an
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bietet dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un an, nordkoreanische Soldaten freizulassen, falls Kim im Gegenzug die Freilassung ukrainischer Kriegsgefangener in Russland erreichen könne.
16.01.2025
Die nordkoreanischen Truppen in Kursk haben sich zurückgezogen: Ihre schweren Verluste haben mehrere Gründe, doch vor allem hat sie Moskaus Armeeführung verheizt.
Die Nordkoreaner sind weg. Die «New York Times» schreibt, die ukrainische Armee habe seit Mitte Januar keine von Pjöngjangs Soldaten mehr zu Gesicht bekommen. Angeblich seien die hohen Verluste verantwortlich dafür, die die Männer seit ihrer Verlegung an die Front erfahren haben.
Zuletzt war davon die Rede, dass von den 11'000 bis 12'000 Nordkoreanern in Kursk 1000 getötet und 3000 verletzt worden sind. Unter welchen Konditionen die Asiaten in Russland kämpfen, zeigen Aufnahmen des 8. Regiments der ukrainischen Spezialkräfte, die CNN erstmals ausstrahlt. Diese Einheit ist seit Beginn der Kursk-Offensive im August in der Region.
In dem Video wird gezeigt, wie einer von bisher nur zwei nordkoreanischen Soldaten festgenommen wird. Er ist verletzt und schreit unter Schmerzen, während ihn ukrainische Soldaten über einen Stacheldraht hieven und abtransportieren. Moskaus Artillerie nimmt die Gruppe unter Feuer, um eben das zu verhindern.
Ein russischer Pass – ausgestellt am 16. Oktober 2024
«Sie sind alle jung, frisch und abgehärtet», sagt ein Ukrainer über den Gegner. «Aber sie sind nur auf die Realität einer 80er-Jahre-Krieges vorbereitet. Trotz aller Versuche, sie zum Aufgeben zu bewegen, kämpfen sie weiter.» Was gemeint ist, zeigt eine folgende Videoaufnahme.
Eine ukrainische Drohne filmt, die Angehörige des 8. Regiments der ukrainischen Spezialkräfte in Kursk einen der zwei Nordkoreaner bergen, die bisher gefangen wurden.
YouTube/CNN
Ukrainische Soldaten ziehen am Bein eines verwundeten Nordkoreaners, als sie begreifen, dass er unter seinem Kinn den Stift einer Handgranate gezogen hat. Sie weichen zurück und schiessen. Vor der Explosion der Handgranate ruft der Mann Kim Jong-uns Namen, erklären später südkoreanische Übersetzer.
Dieser Nordkoreaner ist verletzt und ruft Kim Jong-uns Namen, bevor er eine Granate zündet, um der Gefangennahme zu entgehen.
YouTube/CNN
Ukrainische Soldaten zeigen einem CNN-Reporter den gefälschten russischen Pass, den der nordkoreanische Gefangene angeblich bei sich trug. Er weist ihn als Bürger aus dem Fernen Osten aus – und ist am 16. Oktober 2024 ausgestellt worden. In diesem Zeitraum hat Pjöngjang seine Männer nach Russland verlegen lassen.
Vorbereitung auf Krieg in Korea
Spannend ist der Inhalt handschriftlicher nordkoreanischer Notizen, die einen Einblick in die Macht von Kim Jong-uns Propaganda geben. «Der Hammer des Todes für den Unwissenden und die Müll-Marionette ist nicht weit entfernt. Wir hantieren mit einer machtvollen Kraft, die sie in Angst erzittern lässt. Welt, sieh genau hin», steht da geschrieben.
Ein ukrainischer Soldat filmt sich dabei, wie er einem Gefallenen Speichel- und Haarprobe entnimmt und beides in einem Plastiksäckchen versorgt, in dem auch der Pass des Verstorbenen steckt.
YouTube/CNN
Es soll auch darin stehen, dass die Soldaten ihren Einsatz in Kursk als Vorbereitung auf einen Krieg an der Heimatfront verstehen – sofern sie überleben. Die ukrainischen Soldaten filmen sich dabei, wie sie Gefallenen in Kursk Haar- und Speichelproben entnehmen, um die Anwesenheit von Kim Jong-Uns Armee zu beweisen.
Notizen angeblich von Nordkoreanern, die die ukrainische Seite präsentiert.
YouTube/CNN
Die Ukrainer sagen, die Nordkoreaner wären mit modernen AK-12-Sturmgewehren und reichlich Munition ausgerüstet, doch dafür fehlte es ihnen oft an Schutzwesten, Helme, Wasser oder warmer Kleidung. Dafür seien sie schnell und beweglich. «Sie schiessen ziemlich gut», weiss ein Drohnenpilot weiter zu berichten
«Das ist mein dummer Kommandeur»
Wie es um das Verhältnis zwischen den russischen Soldaten und ihren asiatischen Helfern bestellt ist, legen zwei Videos von Chinesen nahe, die sich in Wladimir Putins Dienst gestellt haben und sich selbst filmen. Der erste von ihnen dient bei Kurachowe in einer Einheit von Legionären, wie seine beiden schwarzen Kameraden im Hintergrund suggerieren.
Ein Chinese im Dienst der russischen Armee: Im Hintergrund sind zwei schwarze Soldaten zu sehen.
«Ich weiss nicht, was wir tun», sagt er. «Egal, ich lebe noch.» Er schwenkt seine Handykamera nach vorn: «Das ist mein dummer Kommandeur.» Das muss noch nichts heissen, doch es gibt einen weiteren Clip eines chinesischen Freiwilligen, der dieselbe Sprache spricht.
Ein zweiter Chinese, der einen Vertrag mit der russischen Armee unterschreiben hat, ist der Mann vorne rechts.
Dieser Chinese zeigt zunächst noch Filme, auf denen er gut drauf ist – und seine Einheit ein paar Parolen nachrufen lässt, bevor seine Einheit an die Front verlegt wird. Im nächsten Clip wirkt der Soldat ganz anders. «Nicht das Schlachtfeld hat mich niedergerungen. Der Schmerz tut es», sagt er nun vor einer verschneiten Landschaft.
Versorgung, Sprache und Unterstützung machen Probleme
«Ich habe eine schlimme Erkältung», fährt er fort. «Mein Hals ist völlig vereitert. Meine Gelenke tun sehr weh. Es gibt hier keine medizinische Behandlung. Ein Arzt hat mir die einfachste Medizin verschieben und dann gesagt, ich hätte kein Problem. Ich will raus.» Herzprobleme hat er auch noch, klagt der Soldat.
Niemand kümmert sich um mich»: Der zweite Chinese will seinen Vertrag auflösen und bittet Mitbürger via Video um Hilfe.
40 Minuten habe er in schwerem Schneetreiben laufen müssen, um ein Handysignal zu finden, um seine Video-Nachricht zu schicken. Er habe die chinesische Botschaft kontaktiert, die ihm beschieden habe, das Ganze sei seine Sache. Nun bittet der Mann die Internetgemeinde um Hilfe: «Kontaktiert das Aussenministerium. Ich muss meinen Vertrag auflösen.»
Laut Reporting from Ukraine kommt für die Nordkoreaner neben der schlechten Versorgung hinzu, dass die russische Armee ihre Verbündeten bei Offensiven stets in erster Reihe vorgeschickt hat. Zudem hätte es dabei keine Feuerunterstützung etwa durch Artillerie gegeben – und die Sprachbarriere habe weiter eine Koordination mit den Russen verhindert.
Ukrainische Spezialeinheiten fallen Nordkoreanern in Kursk in den Rücken.
YouTube/Reporting from Ukraine
Nachdem die Wellen von Nordkoreaner verebbt sind, hätten ukrainische Spezialkräfte dann auch noch Lücken in die Linien des Gegners geschlagen – an Stellen, an den schwache russische Einheiten platziert waren, von dort sind sie den verbliebenen Nordkoreaner in die Flanke oder den Rücken gefallen, weil die Verbündeten sie nicht gewarnt haben sollen.
More North Korean artillery units pouring into Russia.
Summa summarum war ein Rückzug der Nordkoreaner unvermeidlich. Die Einheit dürfte bis März oder April aber wieder aufgestockt sein – und bekommt in Zukunft vielleicht auch Unterstützung durch nordkoreanische Artillerie, die angeblich nach Russland verlegt wird.