Nach deutschem Asylkompromiss Österreich bereitet Schutz seiner Südgrenze vor

AFP

3.7.2018

Der österreichische Bundeskantler Sebastian Kurz. (Archiv) 
Der österreichische Bundeskantler Sebastian Kurz. (Archiv) 
Keystone

Wien befürchtet Konsequenzen aus dem deutschen Kompromiss im Asylstreit. Jetzt will man «Nachteile für Österreich und seine Bevölkerung abwenden».

Nach dem Asylkompromiss von CDU/CSU sieht Österreich seine Südgrenze gefährdet. Sollte der Beschluss der Union vom Koalitionspartner SPD mitgetragen werden, "sehen wir uns dazu veranlasst, Handlungen zu setzen, um Nachteile für Österreich und seine Bevölkerung abzuwenden", teilten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) am Dienstag mit. Österreich erwarte "eine rasche Klärung der deutschen Regierungsposition".

Die Bundesregierung in Wien sei bei allen Szenarien "darauf vorbereitet, insbesondere Massnahmen zum Schutz unserer Südgrenzen zu ergreifen", heisst es in der Erklärung weiter. Vor allem die Grenzen nach Italien und Slowenien müssten dann geschützt werden. "Die deutschen Überlegungen beweisen einmal mehr, wie wichtig ein gemeinsamer europäischer Aussengrenzenschutz ist", betonte die Koalition aus konservativer ÖVP und rechtspopulistischer FPÖ.

Die österreichische Aussenministerin Karin Kneissl wurde in der österreichischen Presse mit den Worten zitiert, der Beschluss der Union werfe "eine ganze Reihe von europarechtlichen Fragen auf". Es sei die Rede von einem Verwaltungsabkommen mit Österreich, "aber Österreich war hier meines Wissens zu keinem Zeitpunkt eingebunden", sagte Kneissl den Berichten zufolge im luxemburgischen Schengen bei einem Treffen mit ihren Kollegen aus Deutschland, Luxemburg, Liechtenstein und der Schweiz. Welche Folgen der Beschluss für den Schengen-Raum haben werde, "wird sich weisen".

CDU und CSU hatten sich am Montagabend nach erbittertem Streit darauf geeinigt, künftig Asylbewerber in bestimmten Fällen bereits an der deutschen Grenze zurückweisen zu lassen. Die Einigung sieht zwei Szenarien vor: Die Einrichtung von "Transitzentren" in Deutschland, aus denen heraus registrierte Asylbewerber nach kurzem Aufenthalt in die zuständigen EU-Länder abgeschoben werden sollen, und - als zweite Option - die direkte Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf der Grundlage von Verwaltungsabkommen mit anderen Ländern.

Der Koalitionspartner SPD muss der Einigung der Unionsparteien noch zustimmen. In der Vergangenheit hatten die Sozialdemokraten Transitzentren abgelehnt. Der Koalitionsausschuss kommt am Abend in Berlin zusammen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte am Dienstag an, er werde "kurzfristig" nach Wien reisen. Er habe den Eindruck, dass Bundeskanzler Kurz "an vernünftigen Lösungen interessiert" sei. Die Regierung in Wien erklärte laut APA, der CSU-Chef werde am Donnerstag nach Wien kommen und dann mit Kurz, Strache und Kickl beraten.

"Wir erwarten eine klare Regierungslinie", sagte Kurz zu seinen Erwartungen an die Bundesregierung vor Journalisten in Strassburg. Dazu gehöre auch die Position des Koalitionspartners SPD. Am Nachmittag werde er in Wien mit anderen Regierungsmitgliedern über das weitere Vorgehen beraten.

Zuvor hatte Kurz im Plenum des Europaparlaments Kritik am harten Migrationskurs seiner Regierung zurückgewiesen. In der Einwanderungspolitik sei ein "Paradigmenwechsel" nötig. Der Kampf gegen illegale Einwanderung sei eine der Prioritäten des österreichischen EU-Ratsvorsitzes.

Dazu müsse der Schutz an den EU-Aussengrenzen erheblich verstärkt werden, sagte Kurz. Dies sei die Voraussetzung dafür, dass es im Schengenraum wieder Freizügigkeit gebe. "Wir wollen ein Europa ohne Grenzen nach innen." Allerdings könne er heute nicht sagen, wann dies der Fall sein werde.

Zur Kritik des Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion im Parlament, Udo Bullmann (SPD), am Einsatz bewaffneter Soldaten an der österreichisch-slowenischen Grenze, sagte der Kanzler, nicht Österreich starte nationale Alleingänge. Vielmehr wolle Deutschland nationale Massnahmen beschliessen. Österreich werde "wie andere Länder darauf entsprechend reagieren".

Österreich hat zum 1. Juli die halbjährlich wechselnde EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Kurz nannte im Europaparlament "Sicherheit und den Kampf gegen illegale Migration" als eine von "drei Prioritäten".

Bilder des Tages
Zurück zur Startseite