WeissrusslandWollte Kolesnikowa fliehen – oder sollte sie abgeschoben werden?
SDA/gbi
8.9.2020
Die Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa ist in Weissrussland laut Angaben des Grenzschutzes festgenommen worden. Über ihren genauen Aufenthaltsort herrscht aber Unklarheit.
Wo steckt Maria Kolesnikowa? Die 38-Jährige ist eine der wichtigsten Anführerinnen der Proteste gegen den autoritären weissrussischen Staatschef Alexander Lukaschenko. Seit Montag fehlte von ihr aber jede Spur.
Wie die Grenzschützer mitteilten, wurde Kolesnikowa festgenommen. Angeblich wollte sie in die Ukraine ausreisen. Sie sei zusammen mit ihrem Mitarbeiter Iwan Krawzow und ihrem Sprecher in einem Auto zu einem Kontrollpunkt gefahren. Die beiden Männer hätten die Grenze passiert. Das bestätigte auch die ukrainische Seite.
Zuvor hatte es Berichte gegeben, dass alle drei in die Ukraine ausgereist seien. Die Angaben der Behörden lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Nach Angaben des Grenzschutzes erfolgte die Festnahme, um «Umstände zu klären». Details wurden aber nicht genannt.
Den Pass zerrissen?
Der Vizeinnenminister der Ukraine, Anton Geraschtschenko, schrieb auf Facebook dagegen von einer versuchten Abschiebung der Präsidentenkritikerin. «Maria Kolesnikowa konnte nicht aus Belarus abgeschoben werden, da diese mutige Frau durch ihre Handlungen ihre Deportation über die Grenze unmöglich machte.» Medien schrieben unter Berufung nicht näher genannter Quellen, dass die Oppositionelle ihren Pass zerrissen haben soll.
Von ihr selbst gibt es seit Montagvormittag kein Lebenszeichen. Der Koordinierungsrat der Opposition ging davon aus, dass Kolesnikowa im Zentrum der Hauptstadt Minsk von Unbekannten entführt worden war. Das Innenministerium hatte dagegen erklärt, die Oppositionelle nicht festgenommen zu haben.
In den vergangenen Wochen gab es in dem zwischen Russland und Polen gelegenen Land bei Protesten Tausende Festnahmen. Unklar war zunächst, wo sich Kolesnikowa am Montag aufgehalten hatte.
Dem Koordinierungsrat der Demokratiebewegung lagen am Morgen nach eigenen Angaben noch keine Informationen vor, wo sich Kolesnikowa aufhielt. Sie gehört diesem Gremium der Zivilgesellschaft an. Ebenso wusste der Rat nicht, wo sich die beiden Mitarbeiter aufhielten. «Wir können nur die Tatsache bestätigen, dass Maria Kolesnikowa Belarus nicht freiwillig verlassen wollte.»
Die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja forderte die sofortige Freilassung ihrer Mitstreiterin. «Aufgabe des Koordinierungsrates ist es, eine Plattform für Verhandlungen zu sein», meinte die 37-Jährige, die gegen den Staatschef kandidiert hatte und sich in Litauen aufhält. «Es gibt keine andere Lösung und Lukaschenko muss dies erkennen.» Er könne nicht einfach Menschen als Geiseln nehmen.
Proteste reissen nicht ab
Lukaschenko geht seit Tagen gegen den Koordinierungsrat vor und liess mehrere Mitglieder festnehmen. Der Rat will einen friedlichen Machtübergang durch Dialog erreichen. Kolesnikowa ist eine der wichtigsten Oppositionellen, die sich gegen Lukaschenko stellen.
Seit mehr als vier Wochen kommt es in Belarus zu Protesten gegen Lukaschenko. Hintergrund ist die Präsidentenwahl, bei der er sich mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären liess. Die Opposition hält dagegen Tichanowskaja für die wahre Siegerin. Die Abstimmung steht international als grob gefälscht in der Kritik.