Brexit Parlament in Zwangspause – Prozess begonnen

SDA

17.9.2019 - 16:11

Über die von Premierminister Boris Johnson im Ringen um den Brexit verfügte Zwangspause für das Unterhaus wird nun vor dem obersten Gerichtshof Grossbritanniens verhandelt. Der Rechtsstreit gilt als beispiellos in der britischen Verfassungsgeschichte.

In beiden Fällen gehe es darum, ob Johnson «rechtmässig» gehandelt habe, als er Königin Elizabeth II. die Parlamentsvertagung «empfohlen» habe, sagte Gerichtspräsidentin Brenda Hale am Dienstag zu Beginn der Verhandlung.

Johnsons Entscheidung, dem Parlament vor dem für den 31. Oktober geplanten EU-Austritt Grossbritanniens eine fast fünfwöchige Sitzungspause aufzuerlegen, hatte landesweite Proteste hervorgerufen. Kritiker hielten dem konservativen Regierungschef vor, das Parlament aushebeln zu wollen und so die Demokratie zu untergraben.

Dieser Argumentation folgte in der vergangenen Woche auch ein schottisches Berufungsgericht. Es erklärte die Zwangspause für «illegal», weil es deren offensichtliches Ziel sei, «das Parlament zu behindern».

Die Klage in Schottland war von 78 pro-europäischen Parlamentariern unter Führung der schottischen Abgeordneten Joanna Cherry eingereicht worden. Sie hatten zwar in erster Instanz verloren, in zweiter Instanz dann aber Recht bekommen. Die britische Regierung legte umgehend Berufung gegen die Entscheidung ein.

Kein Brexit Entscheid

Die Obersten Richter prüfen ausserdem die Klage der Anti-Brexit-Aktivistin Miller, die auch von dem früheren konservativen Premierminister John Major unterstützt wird. Sie war Anfang September von einem Londoner Gericht abgewiesen worden, die Richter liessen aber eine Berufung beim Obersten Gerichtshof zu.

Es wird erwartet, dass die Anhörung drei Tage dauert. Das Gericht müsse eine «schwierige und komplizierte Rechtsfrage» klären, sagte Gerichtspräsidentin Hale.

Sie stellte allerdings klar, dass es in dem Verfahren nicht um «die weiterreichenden politischen Fragen» im Brexit-Streit gehe. Das Gericht werde nicht darüber entscheiden, «wann und wie das Vereinigte Königreich die EU verlässt», sagte die Richterin.

Das britische Parlament soll nach dem Willen des Premierministers erst am 14. Oktober wieder tagen. Zum 31. Oktober, also gut zwei Wochen später, will Johnson sein Land aus der EU führen – notfalls auch ohne Abkommen mit Brüssel.

Ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz, wonach der Premierminister eine Verschiebung des Brexit um drei Monate beantragen muss, wenn es nicht zu einer Einigung mit der EU kommt, will Johnson ignorieren.

Zuerst Kläger angehört

Bei der Anhörung am Dienstag wurden zunächst die Anwälte der Kläger gehört. Der Anwalt David Pannick sagte, Johnson habe die Abgeordneten in die Zwangspause geschickt, um das «Risiko» zu umgehen, dass «das Parlament in diesem Zeitraum Massnahmen ergreift, die die Politik seiner Regierung durchkreuzen oder beeinträchtigen».

Am Mittwoch antworten dann die Vertreter der Regierung. Am dritten Tag wird unter anderem Ex-Premier Major angehört. Wann die Richter ihre Entscheidung verkünden, ist nicht bekannt.

Johnson gab sich am Dienstag gelassen. Er werde «abwarten, was die Richter sagen», sagte er in der BBC. Justizminister Robert Buckland versicherte, die Regierung werde die Gerichtsentscheidung «respektieren». Nach Einschätzung von Rechtsexperten müsste die Zwangspause sofort aufgehoben werden, falls die Richter sie für unzulässig erklären.

Von Protesten begleitet

Die Gerichtsanhörung war von Protesten begleitet. Vor dem Gerichtsgebäude im Londoner Regierungsviertel in Westminster versammelten sich Demonstranten, darunter ein als grünes Muskelmonster Hulk verkleideter Pensionist.

Johnson hatte kürzlich einen skurrilen Vergleich zwischen dem Comic-Helden und Grossbritannien gezogen. «Hulk ist immer entkommen, egal wie eng gefesselt er war – und so ist das auch mit diesem Land.»

Eine Frau hatte sich den Mund zugeklebt und hielt ein Schild in den Händen, auf dem «Kein Parlament, keine Stimme» stand. «Wir wollen unser Land zurück», rief ein anderer Demonstrant. «Sie haben die Queen getäuscht», stand auf dem Schild einer Frau. Johnson wird vorgeworfen, er habe Königin Elizabeth II. für seine politischen Zwecke belogen, um die Zwangspause durchzudrücken.

Aber auch einige Dutzend Brexit-Befürworter warteten vor dem Gericht. Drei Jahre nach dem Referendum müssten die Parlamentarier endlich den Brexit liefern, sagte der 56 Jahre alte Lee.

Zurück zur Startseite

SDA