Macron hat sich verzocktRechtsnationale könnten in Frankreich die Mehrheit holen
dpa/toko
30.6.2024 - 22:28
Macrons Plan ist nicht aufgegangen: In der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahl in Frankreich liegt das rechtsnationale Rassemblement National vorn.
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30.06.2024, 22:28
01.07.2024, 08:52
SDA
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Ersten Hochrechnungen zufolge liegt das rechtsnationale Rassemblement National bei der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahl in Frankreich vorne.
Das Bündnis kam auf 33 bis 34,2 Prozent.
Das Mittelager von Präsident Emmanuel Macron landete mit 20,7 bis 22 Prozent auf Platz drei hinter dem Linksbündnis Nouveau Front Populaire mit 28,1 bis 29,1 Prozent.
Das Ergebnis ist eine krachende Niederlage für Präsident Emmanuel Macron, der sich mit den vorgezogenen Parlamentswahlen verzockt hat.
Dieser Text wurde zuletzt um 22.28 Uhr umfassend aktualisiert.
Das rechtsnationale Rassemblement National könnte künftig stärkste Kraft in der französischen Nationalversammlung werden. Hochrechnungen zufolge landete es mit seinen Verbündeten in der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahl in Frankreich mit 33 bis 34,2 Prozent vorne.
Das Mittelager von Präsident Emmanuel Macron landete demnach mit 20,7 bis 22 Prozent auf Platz drei hinter dem Linksbündnis Nouveau Front Populaire mit 28,1 bis 29,1 Prozent. Wie viele Sitze die Blöcke in der Nationalversammlung bekommen, wird aber erst in Stichwahlen am 7. Juli entschieden.
Für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist das Ergebnis eine herbe Niederlage. Er hatte darauf gesetzt, mit der vorgezogenen Neuwahl die relative Mehrheit seiner Mitte-Kräfte im Unterhaus auszubauen. Das scheint nun äusserst unwahrscheinlich.
Erste Prognosen gehen davon aus, dass Marine Le Pens Rechtspopulisten und ihre Verbündeten im Unterhaus mit 230 bis 280 Sitzen stärkste Kraft werden könnten. An der absoluten Mehrheit mit 289 Sitzen könnten sie aber vorbeischrammen.
Le Pen will absolute Mehrheit
Le Pen rief dazu auf, der Partei bei den kommenden Stichwahlen zu einer absoluten Mehrheit zu verhelfen. «Nichts ist gewonnen, die zweite Runde ist entscheidend.» In der Politik sei nichts gewöhnlicher als ein Machtwechsel, sagte Le Pen. Sie warnte vor falscher Angstmache gegen ihre Partei. RN-Parteichef Jordan Bardella kündigte an, mit einer absoluten Mehrheit im Parlament als Ministerpräsident die Regierung übernehmen zu wollen.
Auch die Linken könnten zulegen und auf 125 bis 200 Sitze kommen. Macrons Liberalen droht, auf nur noch 60 bis 100 Sitze abzusacken. Genaue Aussagen zur Sitzverteilung sind bisher aber schwierig. Vor der zweiten Wahlrunde können die Parteien noch lokale Bündnisse schmieden, die den Wahlausgang beeinflussen.
Macron-Lager und Linke wollen rechten Sieg verhindern
Der Gründer der Linkspartei rief die eigenen Kandidaten bereits in bestimmten Fällen zu einem Rückzug auf: In den Wahlkreisen, in denen das Linksbündnis auf Platz drei und die Rechten auf Platz eins in die Stichwahlen gingen, sollten sich die linken Kandidaten zurückziehen.
Auch das Macron-Lager kündigte an: In den Wahlkreisen, in denen man auf dem dritten Platz gelandet sei, werde man zugunsten der Kandidaten zurücktreten, die in der Lage sind, das Rassemblement National zu schlagen.
Sollten sich Prognosen bewahrheiten und keines der Lager eine absolute Mehrheit erlangen, stünde Frankreich vor zähen Verhandlungen um eine Koalition. Ein Zusammenkommen der grundverschiedenen politischen Akteure ist derzeit nicht absehbar. Erschwerend kommt hinzu, dass die französische politische Kultur eher auf Konfrontation als auf Kooperation ausgelegt ist.
Gemeinsam könnten die Oppositionskräfte womöglich die derzeitige Regierung des Macron-Lagers stürzen. Ohne eine Einigung auf eine Zusammenarbeit dürfte aber auch keine andere Regierung eine Mehrheit im Parlament finden. Möglich ist, dass die aktuelle Regierung in einem solchen Fall als eine Art Übergangsregierung im Amt bleibt oder eine Expertenregierung eingesetzt wird.
Frankreich würde in einem solchen Szenario politischer Stillstand drohen. Neue Vorhaben könnte eine Regierung ohne Mehrheit nicht auf den Weg bringen. Eine erneute Auflösung des Parlaments durch Macron und Neuwahlen sind erst im Juli 2025 wieder möglich.
Politische Krise droht
Für Deutschland und Europa hiesse das, dass Paris als wichtiger Akteur in Europa und Teil des deutsch-französischen Tandems plötzlich nicht mehr tatkräftig zur Verfügung stehen würde. Statt neuen Initiativen stünde in Frankreich Verwaltung an der Tagesordnung. Das Amt von Staatschef Macron bleibt von der Wahl zwar unangetastet, doch ohne handlungsfähige Regierung könnte auch er seine Projekte nicht durchsetzen.
Sollte das RN noch besser abschneiden, als in Prognosen erwartet wird, und die absolute Mehrheit holen, wäre Macron faktisch gezwungen, einen Premier aus den Reihen der Rechtsnationalen zu ernennen. Denn das Unterhaus kann die Regierung stürzen. In einem solchen Szenario würde Macron deutlich an Macht einbüssen, der Premierminister würde wichtiger. Deutschland und Europa müssten sich darauf einstellen, dass das gespaltene Land keinen klaren Kurs mehr verfolgt und unzuverlässiger wird.
Im Gegensatz zu Macron gibt das RN wenig auf die seit Jahrzehnten enge Zusammenarbeit mit Deutschland. Die europaskeptischen Nationalisten streben zudem danach, den Einfluss der Europäischen Union in Frankreich entscheidend einzudämmen. Sie könnten versuchen, in Brüssel etliche Vorhaben aus Eigeninteressen auszubremsen. Auch sind sie gegen die Erweiterung der EU, und sie stehen der Nato skeptisch gegenüber.
Rechte profitieren von Europawahl
Als Präsident hat zwar Macron in der Aussenpolitik Vorrang. Sollte RN-Chef Jordan Bardella oder ein anderer Rechtspopulist Premier werden, dürfte er seine Linie aber schwerlich ungehindert fortsetzen können.
Das RN profitierte von dem Schwung der Europawahl, bei der die Partei deutlich stärkste Kraft in Frankreich wurde. Bereits seit Jahren ist Le Pen zudem bemüht, das RN zu «entteufeln» und von seiner rechtsextremen Geschichte und Parteigründer Jean-Marie Le Pen und dessen Holocaustverharmlosung zu entkoppeln.
Mit ihrem Weichspülkurs hat sie die Partei bis weit in die bürgerliche Mitte hinein wählbar gemacht. Mit Jordan Bardella steht zudem nun ein frischer Politiker an der Spitze, der besonnener auftritt als Strippenzieherin Le Pen und nicht mit deren Familienclan verbandelt ist. Die Partei dürfte zudem von der Verunsicherung angesichts der multiplen globalen Krisen sowie von Frust und Enttäuschung über Macron profitiert haben.
Staatschef Macron und seinen Anhängern dürfte die überraschende Einigkeit des linken Lagers bei der Wahl zum Verhängnis geworden sein. Mehrfach hatte er zur Zusammenarbeit gegen die Extreme aufgerufen. Jedoch schlossen sich weder die konservativen Républicains noch Sozialisten oder Grüne für die Wahl mit ihm zusammen. Die Auflösung der Nationalversammlung wurde von vielen in Frankreich als unverantwortlich gewertet. Auch dies lasteten Französinnen und Franzosen Macron an.
Das linke Lager punktete mit dem neu geformten Bündnis, hinter das sich trotz interner Unstimmigkeiten etliche Menschen aus dem linken Spektrum stellten. Dass die Führungsfrage, also wer bei einem Wahlsieg Premier werden soll, offengelassen wurde, dürfte zudem auch jene Wähler ins Boot geholt haben, die einem Bündnis mit dem populistischen Altlinken Jean-Luc Mélenchon kritisch gegenüberstehen.
Die Wahlbeteiligung lag den Instituten zufolge bei 65,8 bis 67 Prozent. Macron erklärte dem Élysée-Palast zufolge, dass die hohe Wahlbeteiligung den Willen zeige, die politische Situation zu klären. Mit Blick auf das RN-Ergebnis sagte er, es sei an der Zeit, für den zweiten Wahlgang einen breiten, eindeutig demokratischen und republikanischen Zusammenschluss zu bilden.
Frankreich: Erste Runde der vorgezogenen Parlamentswahl hat begonnen
STORY: In Frankreich hat die erste Runde der vorgezogenen Parlamentswahlen begonnen. Die Wahllokale sind von 8 Uhr bis 18 Uhr geöffnet, in grossen Städten, wie hier in Paris, kann bis 20 Uhr gewählt werden. Meinungsumfragen deuten darauf hin, dass die rechtsextreme Partei Rassemblement National von Marine Le Pen die Wahl gewinnen könnte, jedoch wohl ohne absolute Mehrheit. Die neue Zusammensetzung der 577 Sitze umfassenden Nationalversammlung wird erst nach der zweiten Wahlrunde am kommenden Sonntag feststehen. «Ich hoffe, dass jeder Franzose sich seiner Verantwortung stellt, dass er sich bewusst wird, dass viel auf dem Spiel steht, dass die Zukunft seines Landes in seinen Händen, in den Händen der 40 Millionen französischen Wähler liegt. Sie sind sich dessen nicht bewusst, und ich möchte, dass sie es dieses Mal wenigstens einmal begreifen.» «Es ist schade, dass die Neuwahlen nur wenige Wochen vor den Olympischen Spielen geschehen. Und ich glaube, es hat alle überrascht, aber man kann sagen, dass es einen demokratischen und republikanischen Aufschwung gegeben hat.» «Auf jeden Fall haben wir keine andere Möglichkeit. Wissen Sie, wählen ist wählen, wir werden sehen. Aber ich stelle fest, dass es hier viele Menschen gibt, die wählen wollen, aber nicht genug Platz.» Nach dem schwachen Abschneiden seiner liberalen Partei Renaissance bei den Europawahlen hatte Staatspräsident Emmanuel Macron das französische Parlament aufgelöst und Neuwahlen angesetzt. Der rechtsnationale Rassemblement National von Marine Le Pen war stark aus den Wahlen in der EU hervorgegangen uns setzt darauf, nun stärkste Kraft im französischen Parlament zu werden und mit Jordan Bardella den Premier Ministre, also den französischen Regierungschef zu stellen. Aufmerksam wird in Frankreich auch das Abschneiden des linken Blocks, der Nouveau Front Populaire, verfolgt. Nach der ersten Runde dürfte es darauf ankommen, ob und wie sich die übrigen Wahlbündnisse strategisch zusammenschliessen, um einen Sieg des Rassemblement National in der zweiten Runde zu verhindern.